Telenovela "Pablo Escobar, Patron des Bösen":Richtig guter Stoff

Telenovela "Pablo Escobar, Patron des Bösen": Andres Parra als Pablo Escobar in der Telenovela "Pablo Escobar, Patron des Bösen".

Andres Parra als Pablo Escobar in der Telenovela "Pablo Escobar, Patron des Bösen".

(Foto: Caracol TV)

Pablo Escobar hat Kolumbien in den Abgrund gebombt und die USA mit Kokain überzogen. Heute staunt ganz Lateinamerika über eine Telenovela, die die Geschichte des Drogenbarons erzählt.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Der Alltag im Leben des berühmtesten Drogenbarons aller Zeiten ist nichts für schwache Gemüter. Luxus und Terror, stets vereint. Pablo Escobar hält da zum Beispiel Hof auf seiner Ranch El Nápoles in Kolumbien, zwischen Auftragskillern und Nilpferden.

Über dem Eingangstor thront das Kleinflugzeug, das seine erste von Tausenden Ladungen Kokain in die USA befördert hatte. Am blauen Pool mit bunten Getränken empfängt der Hausherr eine junge Dame, die er versehentlich geschwängert hat. Seine Mama schimpft, Kinder habe man nur mit der Ehefrau, Kumpane besorgen die Abtreibung im Pferdestall. Nebenan wird ein Verräter gefoltert. Ansonsten hortet Escobars Medellín-Kartell Dollarbündel und ermordet seine Feinde.

Morden, Liebe, Kabale und Politik

So ähnlich ist es wohl gewesen, und so geht es zu in Kapitel 21 der Fernsehserie Pablo Escobar, Patron des Bösen. Alles in allem hat die Reihe des kolumbianischen Senders Caracol TV 113 Folgen, mit Morden, Liebe, Kabale, Politik. Am Ende stirbt der Pate in diesem Doku-Drama fast genauso kläglich wie in der Wirklichkeit, am 2. Dezember 1993 lag er mit Kugeln im Leib auf einem Dach von Medellín. Wie eine erlegte Beute, mit Rauschebart und Wohlstandsbauch. Davor allerdings liegen in diesem Fall 6780 Fernsehminuten, die seine 44 Jahre lange Odyssee und den Horror der kolumbianischen Nation in eine Telenovela verwandeln.

Auf den Ziegeln seines letzten Verstecks endeten damals zwar Leben und Verbrecherkarriere des schnauzbärtigen Pulverkönigs, aber seine Branche und sein Mythos sind fideler denn je.

Geschrieben und gedreht wird immer mehr über den Multimilliardär und Massenmörder, der seine Heimat in Schach hielt und Schnupfnasen von New York bis San Francisco versorgte. 20 Jahre nach seinem Tod ist der schaurige Escobar Abendprogramm in Wohnzimmern.

Die Parabel des Pablo

Zum Gassenfeger wurde seine Geschichte unter dem spanischen Titel Pablo Escobar, el patrón del mal 2012 zunächst in Kolumbien. Der populäre Privatsender Caracol hatte das Werk drei Jahre lang produziert, mit 1300 Schauspielern an 500 Schauplätzen. Als Vorlage diente die Biographie "Die Parabel des Pablo", verfasst von dem Journalisten Alonso Salazar, vormaliger Bürgermeister von Medellín. Die Hauptrolle spielt der Kolumbianer Andrés Parra, er schien in Escobars massigen Körper und seine zerrissene Seele hineinzuwachsen. Bei der Premiere lag die kolumbianische Einschaltquote bei 80 Prozent.

In den folgenden Wochen blieb das Publikum so treu, dass das Opus bis zuletzt wiederholt wurde. Inzwischen ist der epische Escobar ein Exportschlager.

Der Höhepunkt eines Medienphänomens

Die Argentinier bestaunen ihn derzeit jeden Wochentag ab 22 Uhr auf Canal 9, seinetwegen hat dieses öffentliche Programm doppelt so viele Fans wie gewöhnlich. Chilenen und Guatemalteken wurde der schreckliche Pablo ebenfalls präsentiert, der internationale Vertrieb mit DVDs und Raubkopien läuft auch nicht schlecht. Dieser postume Erfolg auf dem Bildschirm ist der Höhepunkt eines Medienphänomens: Man staunt und gruselt auf dem Sofa über die Narcos, die Rauschgifthändler. Gerade in Lateinamerika, ihrem Revier.

Am besten funktioniert das als Seifenoper, dem Klassiker der Region. Die Telenovelas gehören zwischen Rio Grande und Feuerland zur Freizeitgestaltung wie Fußballübertragungen oder Promishows. Wer in Rio oder Caracas während der Telenovela stört, begeht Hausfriedensbruch. Medienriesen wie Brasiliens Globo und Mexikos Televisa oder eben Kolumbiens Caracol beliefern mit ihren gefilmten Fortsetzungsromanen die Welt, bis nach China und Russland. Gewöhnlich geht es um Liebe und Verrat, Schönheit und Niedertracht, manchmal vermischt mit sozialen Lektionen. Seit einiger Zeit hat die Branche ein neues Genre entdeckt, die Narconovela.

Ohne Busen kein Paradies

Da gab es Kreationen wie Kolumbiens Sin tetas no hay paraíso, "ohne Busen gibt es kein Paradies". Darin landet eine junge Frau auf der Suche nach größeren Brüsten im Kosmos der Mafia, Millionen Menschen sahen zu. Da waren El Cartel oder El señor del cielo, der Herr der Lüfte, über den Mexikaner Amado Carrillo Fuentes, der seine Fracht mit einer Boeing 727 nach Norden schicken ließ und angeblich einer Gesichtsoperation erlag. Da ist El varón de la droga, der Mann der Drogen, inspiriert vom mexikanische Kapo Joaquín alias "El Chapo" (der Kurze) Guzmán, derzeit der wohl mächtigste, reichste und meistgesuchte Dealer der Erde.

Vorlagen finden sich ja reichlich, vor allem in Kolumbien und Mexiko, zwei Bastionen der Szene. Die Narcos gehören dort zu Krieg und Folklore. Ihr hektischer Größenwahn prägt mancherorts die Kleidung, die Architektur, die Sprache und mit ihren Gruften sogar Friedhöfe. Es ist die Kultur des schnellen Geldes und frühen Todes, anziehend und abstoßend. Plata o Plomo, Kohle oder Blei.

Schriftsteller wie der Amerikaner Don Winslow ("Tage der Toten", "Zeit des Zorns") haben sich unter großem Aufsehen dieser katastrophal gescheiterten Schlacht der Regierungen gegen den Stoff gewidmet. Oder der Spanier Arturo Pérez Reverte mit dem Bestseller "La Reina del Sur", die Königin des Südens, auch dieser Schmöker über eine Fürstin der Schmuggler wurde verfilmt. Aber Pablo Escobar ist einzigartig, ein Al Capone der Neuzeit. Denn seine Laufbahn erzählt den Wahnsinn der organisierten Kriminalität.

Schlächter, Schwerenöter, Familienmensch

Die kolumbianischen Schöpfer von Caracol haben das reale Drehbuch ebenso aufwendig wie geschickt umgesetzt, oft real und manchmal fiktiv. Bei einigen der wichtigsten Figuren mit echtem Namen, bei anderen verfremdet. Aber stets bedrückend nahe an einer unheilvollen Chronologie. In wenigen Kapiteln steigt Pablo Escobar, der Patron des Bösen, vom Kleinganoven zum Großdelinquenten auf, in einer geplagten Republik mit traumhafter Landschaft und höflich sprechenden Bewohnern.

Charmant und brutal, skrupellos und gerissen. Schlächter, Schwerenöter, Familienmensch. Nur vor seiner Mutter hat er Respekt und Angst nur vor einer Auslieferung, lieber ein Grab in Kolumbien als eine Zelle in den USA. Darsteller Parra interpretiert die doppelte Persönlichkeit in seinem Polohemd und Korbstuhl so gut, dass man ihn bald für das Original hält.

Wahrheit verzerrt

Kritiker bemängeln aber, Escobars Gewalt werde verherrlicht, die Wahrheit verzerrt. Überrumpelt fühlte sich der überlebende Teil seines Clans, darunter sein Sohn Juan Pablo alias Sebastián Marroquín. Escobar Junior lebt als Architekt in Buenos Aires, vertreibt Klamotten mit dem Bild seines Papas drauf. Die Todsünden seines Vaters sind durchaus ein Dauerthema in der Telenovela.

Jede Sendung beginnt mit einem flüchtigen Potpourri originaler Horrorbilder: zerbombte Gebäude, gesprengtes Linienflugzeug, brennende Autos, weinende Menschen - schnelle Szenen aus dem leidenden Kolumbien, wo Escobar und seine Schergen Tausende Menschen erschossen, erstickten oder in die Luft jagten. In Farbe erlebt man dann, wie Politiker, Richter, Journalisten und Polizisten in Särgen unter kolumbianischen Flaggen landen, sofern sie keine Scheine entgegennehmen.

Der Stoff ist auch eine Hommage an massakrierte Männer wie den Justizminister Rodrigo Lara, den Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán oder den Chefredakteur Guillermo Cano der Zeitung El Espectador. Gleichzeitig baut der bewunderte und gefürchtete Escobar Häuser und Sportplätze in Armenvierteln und ließ Dollarnoten regnen. Mit seinen Milliarden wollte er Kolumbiens Präsident die Auslandsschulden bezahlen. Er baute sich sein eigenes Gefängnis und nannte es "Die Kathedrale", ehe ihn seine Rivalen in die Enge trieben.

In dieser unheimlichen Vergangenheitsbewältigung sagt Pablo Escobar den Satz: "Das Geschäft mit dem Kokain wird nie enden, das ist historisch und mathematisch unmöglich." Man kann ihm nicht widersprechen.

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