Tele 5 krempelt Programm um:Eigentlich geil

Kalkofes Mattscheibe - Rekalked (vom 19. Oktober 2012)

Oliver Kalkofe in den Rollen von Chrissi und Betty Wulff in seiner Tele 5-Sendung "'Mattscheibe - Rekalked".

(Foto: Tele 5)

Seit Kai Blasberg bei Tele 5 ist, geht es aufwärts mit dem Sender. Mit der Verpflichtung von Oliver Kalkofe und Benjamin von Stuckrad-Barre hat er dem "Star-Trek"-Kanal ein neues Profil verpasst. Die Konkurrenz staunt - und Blasberg verhandelt jetzt mit Thomas Gottschalk.

Von Simon Feldmer

Kai Blasberg hat nichts dagegen, wenn bei der Arbeit ein wenig Schaum entsteht. Schaumschläger, so soll ihn der Chef eines großen Senders einmal genannt haben. Blasberg stört das nicht. Im Gegenteil. Er hat in den vergangenen Monaten einiges dafür getan, dass sein kleiner Sender fast mehr Schlagzeilen produziert hat als die Großen, als RTL, Pro Sieben, ZDF, und wie sie alle heißen.

Kai Blasberg, der Geschäftsführer des Spielfilm-, Serien- und Star Trek-Kanals Tele 5, könnte die Aufmerksamkeit rundherum genießen. Er geht ein paar Schritte durch sein Büro, nimmt Gummibärchen aus einem Glas und hält seinem Besucher die DVD seiner aktuellen Lieblingsserie, der dänischen Politserie Borgen, vor die Nase. "Großartig, wirklich ganz großartig", sagt Blasberg. Borgen lief gerade in der zweiten Staffel auf Arte, mal wieder, ohne dass es groß aufgefallen wäre.

Blasberg kennt das. Auch Tele 5 sendet meist unterhalb der Wahrnehmungsgrenze der meisten Zuschauer. Im Schnitt kam der Kanal im Jahr 2012 auf einen Marktanteil von 1,3 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. In den starken Tele 5-Stunden am Abend kratzt der Sender an der Zwei-Prozent-Marke. Aber es wird mehr, kontinuierlich.

Blasberg lässt sich bedächtig in eine Ledergarnitur plumpsen. Ihm ging das angeblich alles ein bisschen zu einfach zuletzt. Von seinem Büro auf dem Gelände des Bavaria-Film-Studios im Münchner Süden hat er eine ordentliche Welle losgetreten, weil er ein paar Störenfrieden des TV-Mainstreams wie Christian Ulmen, Oliver Kalkofe und Benjamin von Stuckrad-Barre eine Heimat geboten hat - in einem Sender, vom dem das niemand erwartet hätte.

"Heidi Klum? Zwegat? Lange her jedenfalls"

Genau das sei das Problem, sagt Blasberg und schiebt sich noch ein Gummibärchen zwischen die Zähne: "Es ist ein schlechtes Zeichen für die gesamte TV-Branche, wenn um etwas eigentlich ganz Normales, also ein paar ungewöhnliche Formate und Programmierungen, schon ein kleiner Hype entsteht. Die Aufmerksamkeit ist nur deshalb groß, weil die anderen gar nichts Neues zu erzählen haben." Mit seinem dunkelblauen Flanellsacko, den gelben Socken mit roten Ringeln und seinen schwarzen Haaren, die ihm etwas zu Berge stehen, könnte Blasberg ohne Probleme auf dem nächsten Konzert seiner Lieblingsband, der britischen Ska-Pop-Combo Madness, auf der Bühne stehen und in die Trompete blasen.

Blasberg, 47, beherrscht den Auftritt. "Was war denn die letzte große Innovation im deutschen Fernsehen? Heidi Klum? Zwegat? Lange her jedenfalls", sagt der Tele 5-Chef. Er spricht ruhig, ohne Ähs und Ahs, wohlüberlegt und immer mit einem provokanten Unterton. Andere Fernsehmacher werden über seine Sätze mal wieder die Nase rümpfen. Werden sich denken: Ach, der Blasberg, hat leicht reden mit seiner Film- und Serienklassiker-Abspielstation, nudelt Dirty Dancing, Der kleine Vampir, Rambo, Stargate runter und redet schlau daher!

Doch während sie stöhnen, werden sie wohl auch spüren, wie Recht er hat, ihr ehemaliger Kollege.

Überschaubar innovativ

Sie kennen ihn alle. Und Blasberg fast jeden. Er war schon bei einigen Sendern, bei Pro Sieben, Kabel 1, bei Sport 1, als es noch Deutsches Sportfernsehen (DSF) hieß. Sat 1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow ist sein Trauzeuge. Fernsehklüngel pur. "Man trifft überall die gleichen Nasen", sagt Blasberg. Im Jahr 2005 holte ihn Filmhändler Helmut Kloiber, Inhaber der Tele München-Gruppe, zu der auch Tele 5 gehört. Seitdem geht es bergauf mit dem Sender.

Blasberg schmiss viel Call-in- und Homeshopping-Käse aus dem Programm. Kloiber verdiente schnell Geld mit seiner Frequenz. Nur noch 30 Prozent des Programms werden aus Kloibers Fiction-Stock abgenommen. Die Tele 5-Werbeblöcke sind voll mit Keksen, Autos und Versicherungen. Sie könnten auch im Ersten oder bei RTL laufen. Die Spots kosten aber angeblich nur die Hälfte. Und Blasberg versucht erst gar nicht, so zu tun, als würde er denken, die Entwicklung hätte nichts mit ihm und seiner Strategie zu tun.

Leicht reden? Vor Kurzem hat das sogar mal ein RTL-Manager auf einem Kongresspodium zu ihm gesagt. Darauf antwortete er: "Wir haben hier keinen Werbezeitenvermarkter wie unsere großen Marktbegleiter, sondern verkaufen unsere Werbung selbst. Wenn ich einen Kredit brauche, muss ich selbst zur Sparkasse. Ich gehe selbst einkaufen und fahre auch selbst in die Waschanlage. Ich habe es nicht leichter als meine Kollegen bei RTL." Blasberg muss ein wenig grinsen, wenn er so erzählt.

Nein, leichter hat es Blasberg nicht. Und doch agiert er, der bekennende Irre unter den Fernsehmachern, wohl befreiter als manch Kollege bei den großen Konzernen. Würde bei RTL oder Pro Sieben jemand auf die Idee kommen, eine "Comedy-Attacke" auszurufen, die auch Wochen nach dem Start noch wie ein Fremdkörper im eigenen Programm den Audience-Flow demoliert, er wäre bald weg. Blasberg sagt: "Ich kann nicht nach dem Motto arbeiten, der Wurm müsse dem Fisch schmecken nicht dem Angler. Er muss mir schon auch selbst schmecken."

Und so hat Blasberg im Herbst Ulmen, Stuckrad-Barre und Kalkofe ins Programm genommen, sendet dafür jetzt ein paar Star Trek-Wiederholungen weniger. Ulmen spielt seine Kunstfiguren Uwe Wöllner oder Knut Hansen. Stuckrad-Barre versucht als Talkmaster Politiker aus der dritten bis fünften Liga zu reizen, genauso wie er das zuvor mit etwas zu viel Adrenalin im Spartensender ZDF neo probierte. Und Kalkofe macht das, was er immer gemacht hat: Er gibt den gnadenlosen TV-Kritiker. Eigentlich überschaubar innovativ. Gut, Blasberg hat als erster auch dem ehemaligen Harald Schmidt-Show-Autor Peter Rütten eine Sendung gegeben und sie Rüttens Bullshit Universum nennen lassen.

"Radikalinski unter den Fernsehmachern"

Seit Oktober bringt das Quartett Stammseher, die sich so gemütlich eingerichtet hatten in ihrem Film-, Serien- und Science Fiction-Museum, aus dem Rhythmus. Die Comedy-Inszenierung klappt unter den gängigen Gesetzen des TV-Marktes betrachtet eher mittelmäßig. Auf den neuen Sendeplätzen schalten im Schnitt weniger Zuschauer ein als zuvor. Kalkofe läuft gut, Ulmen okay, Rütten so lala und bei Stuckrad-Barre schauten zuletzt nur noch sehr wenige zu. Absetzen, weg damit, hätte es bei Blasbergs Senderchef-Kollegen längst geheißen. Blasberg sagt: "Ich habe meinen Künstlern im Vorfeld gesagt, ich setze dich ab, wenn du mich darum bittest."

Die erste Staffel Stuckrad-Barre lief zum Jahresende aus, die nächste geht erst sechs oder acht Wochen vor der Bundestagswahl auf Sendung. Dann, hofft man, sollen auch wieder prominentere Politiker kommen und mehr Interesse an einer solchen Show bestehen. Blasberg geht mit Misserfolgen bisher noch recht souverän um. "Wenn ich mit meinen neuen Programmen die Einschaltquoten nicht erreiche, die ich gerne hätte, bin ich enttäuscht. Aber ich schieße mir nicht in den Mund", sagt er. Dann müsse er es entweder besser machen oder die Formate länger senden.

Schon als Kind wollte er Bestimmer werden

Länger senden? "Ja, senden, bis sie gucken", sagt Blasberg. Als er noch bei Pro Sieben war, hat dieses Motto sogar einem späteren Straßenfeger wie Sex and the City geholfen. "Nach der zweiten Staffel haben wir überlegt, ob wir es weitermachen. Sex and the City lief am Anfang nicht so gut. Es dauert, bis die Zuschauer neue Dinge finden." Genau dafür ist in der Quotenwelt eigentlich keine Zeit. Statt mit Hektik versucht es Blasberg mit Erfahrung und Ideen. Studiert hat er nicht. Eine Verlagskaufmannlehre bei der Kölnischen Rundschau hat er nach der Realschule gemacht. Schon als Kind wollte er Bestimmer werden. Moderator des Aktuellen Sportstudios war sein Traumberuf. Er dachte, das sei der Chef vom ZDF.

Heute wird Blasberg schon mal beim Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer vorstellig, um die Abschaffung des ZDF zu fordern. Das öffentlich-rechtliche System, die neue Haushaltsabgabe, das Pipeline-Verstopfen mit immer mehr Kanälen, die Redundanz in allen Programmen, auch den privaten - als Underdog kann sich Blasberg über vieles mächtig erregen. Hilft aber nichts. Hilft nur weitersenden. Blasberg wird im Kampf gegen die TV-Macht nur noch wilder, so scheint es. Christian Ulmen nannte ihn vor kurzem den "Radikalinski unter den Fernsehmachern".

Neue Serien aus Neuseeland, China und Russland

Das hat ihm geschmeichelt, hat man den Eindruck. Die Kreativ-Combo Ulmen, Rütten, Kalkofe, Stuckrad-Barre nennt er "Brüder im Geiste". Er will weiter auf sie setzen, trotz der Quoten, ohne das core business, die fiktionale Unterhaltung, zu vernachlässigen. Neue Serien, gerne aus Neuseeland, China, der Türkei, wohl aber erstmal aus Russland, wird es im neuen Jahr zu sehen geben. Action, Mystery, Horror: Neue Dinge finden, nicht nur die Keller leer senden, das sei die Aufgabe, um sich in einem weitgehend leidenschaftslosen Fernsehmarkt abzuheben, sagt Blasberg.

Über Leidenschaft wird Blasberg wohl auch mit Thomas Gottschalk, der zuletzt gelangweilt beim Supertalent herumsaß, sprechen müssen, sollte er ihn wirklich noch einmal zu Tele 5 holen. Gottschalk, ein Freund des Tele 5-Eigners Kloiber, sollte dem Spielfilmsender einst ein wenig Hollywood-Glanz schenken. War eine matte Angelegenheit und schnell vorbei. Seit ein paar Tagen sitzt Blasberg wieder mit Gottschalk an einem Tisch, auch Ulmen ist dabei. Eine Idee für Gottschalks Spätphase wird gesucht. Von einer Howard Stern- bis Domian-Adaption reichen die Gedankenspiele. Braucht man das wirklich? "Ich halte Gottschalk noch immer für den begabtesten deutschen Entertainer", sagt Blasberg. Gottschalk brauche endlich wieder eine Sendung, mit der er zeigen könne, "wie geil er eigentlich ist". Man will sich gar nicht ausmalen, wie viel Schaum Blasberg schlagen wird, sollte er das hinbekommen.

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