"Tatortreiniger":Der Held der TV-Nische ist zurück

Der Tatortreiniger

Einer muss den Job ja machen: Tatortreiniger Heiko "Schotty" Schotte (Bjarne Mädel) in Arbeitshaltung.

(Foto: Thorsten Jander/NDR)

Als "Tatortreiniger" geht Bjarne Mädel alias "Schotty" in seine sechste Staffel. Das Ergebnis sind unerreicht kuriose Grenzsituationen.

TV-Kritik von David Denk

Jan Böhmermann ist eine Art Anti-"Schotty", denn im Gegensatz zu Bjarne Mädels NDR-Kunstfigur möchte Böhmermann unbedingt raus aus der Nische, rein ins Hauptprogramm des ZDF. "Der Anspruch meines Teams und mir lautet: weg von Twitter, hin zur einer lustigen werktäglichen Unterhaltungsshow am späten Abend", sagte er der Nachrichtenagentur dpa, die seine Botschaft am Dienstag verbreitete.

ZDF-Neo-Moderator Böhmermann gehört zu jenen erfolgsverwöhnten Männern, welche die Nische nicht mehr als Experimentierfläche wahrnehmen, sondern als Gefängnis. Dabei sagt der Umstand, dass Böhmermann sich ins Hauptprogramm berufen fühlt, noch nichts darüber aus, ob sein Publikum ihm auch folgen würde. Formate wie Zimmer frei, Dittsche oder Inas Nacht sind nicht zuletzt deshalb zu TV-Institutionen geworden, weil sie mit ihren Sendeplätzen in den dritten Programmen im Reinen waren beziehungsweise sind.

Psycho-Duell im gewohnten Kammerspiel-Setting

Oder eben Der Tatortreiniger. Seit fünf Jahren beseitigt Bjarne Mädel als Heiko "Schotty" Schotte Blut und andere Überreste von Tötungsdelikten und Suiziden, nun geht die Grimme-Preis-prämierte Comedyserie, erfunden von Regisseur Arne Feldhusen (Stromberg, Mord mit Aussicht) und Hauptdarsteller Mädel, in die sechste Staffel. In "Sind Sie sicher?", der ersten von drei neuen Episoden, wie immer nach einem Buch von Mizzi Meyer, gerät Schotty an einen sadistischen Unternehmensberater - Spezialgebiet "Evaluation und Effizienzmethodik" -, der ihn genauso an seine Belastungsgrenze zu bringen versucht wie den Mitarbeiter, der sich im Chefbüro ins Jenseits befördert hat.

Im gewohnten Kammerspiel-Setting entwickelt sich ein Psycho-Duell zwischen diesem Maximilian Grimmehein (Sebastian Blomberg) und Schotty, das der sympathische Proll am Ende für sich entscheidet. Sein Gegenüber hat ihn - mal wieder - unterschätzt. Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber wie es Autorin Meyer gelingt, immer wieder aufs Neue wahrhaftig-kuriose Funken aus dem Aufeinanderprallen von Wildfremden in einer Grenzsituation zu schlagen, ist im deutschen Fernsehen unerreicht. "Sie sind niemals ein Jammernder, Sie sind immer ein Handelnder", sagt der Unternehmensberater zu einem überforderten Mitarbeiter, dem er Schwächen im Zeitmanagement vorwirft: "Finden Sie es richtig, den tragischen Selbstmord Ihres Kollegen als Ausrede für Ihr Chaos zu benutzen?" Dieser Grimmehein ist herrlich perfide. "Man darf nicht vergessen: Wir sind alle Menschen", sagt er zu Schotty. "Mit diesem Satz beginne ich jedes Consulting."

Nach Blomberg ist kommende Woche die jüngst mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete Sandra Hüller im Tatortreiniger zu sehen. Sie spielt eine Hochschwangere namens Silke, die eigentümliche Vorstellungen von einem passenden Namen für ihr Kind hat. Nur so viel: Die Episode heißt "Özgür".

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