"Tatort" Luzern:Braver Bart

Tatort: Schutzlos; Tatort Luzern: "Schutzlos"

Die Schweizer Ermittler: Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser, l.) trägt nun Bart.

(Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)

Im letzten Fall vor der Sommerpause bearbeiten die Schweizer Ermittler mit der Flüchtlingsproblematik ein höchst relevantes Thema. Die Story rettet sich dabei nicht in ein versöhnliches Finale - erzählerisch aber grüßt der Film aus dem Fernsehmuseum.

Von Holger Gertz

Mit einer Episode aus der Schweiz endet die Tatort-Saison 2014/15, und tatsächlich fühlt es sich so an, als wolle Regisseur Manuel Flurin Hendry vor der Sommerpause noch mal an das erinnern, was die Reihe zuletzt so anzubieten hatte. Luzern ist abgefuckt wie Berlin im neuen RBB-Tatort. Einmal stellen Reto Flückiger und seine Kollegin Liz Ritschard fast eine Gewalttat nach, wie das in Dortmund gern gemacht wird. Außerdem fürchtet Flückiger einen Gehirntumor - diese Angst ist der Wiesbadener Ermittler Murot längst los. Und befragt werden Zeugen mittlerweile in jedem Tatort in War Rooms mit schwarz getünchten Wänden.

Minderjährige Asylsuchende, die allein in den Westen kommen und wieder weggeschickt werden, sobald sie volljährig sind: "Wenn sie Glück haben, in Handschellen. Wenn sie Pech haben, im Sarg", sagt eine Sozialarbeiterin. Die Milieustudie "Schutzlos" um einen jungen Nigerianer, der in der Drogenszene strandet und erstochen wird, streift ein relevantes Thema und rettet sich nicht in ein läppisch-versöhnliches Finale. Bemerkenswert für die Schweizer.

Erzählerisch aber grüßt der Film aus dem Fernsehmuseum. Die Drogenabhängigen sind Geisterwesen, lallend und bleich. Welch ein Unterschied zur Folge "Borowski und der Himmel über Kiel": Auch da torkelten Abhängige durchs Panorama, high on meth. Die Figuren packten, weil man sie mehrdimensional sah: zerrüttet, aber auch beseelt. Die Schweizer dagegen kleben Abziehbilder an die Kacheln, es ist alles so eindeutig. Nichts schwebt. Der furchtbare Vorgesetzte Mattmann zieht auch diesen Film wieder runter, er ist die Karikatur eines Machtmenschen, der Kalendersprüche aufsagen darf: "Alle Menschen sind gleich, aber ein paar sind halt gleicher".

Polierte Oberfläche

Problem Figurenzeichnung. Liz Ritschard (Delia Mayer) hatten sie vor einiger Zeit ein Coming Out ins Drehbuch geschrieben: alles verweht. Und Flückigers (Stefan Gubser) Halluzinationen wirken wie der hilflose Versuch, einem braven Charakter etwas Abgrund einzuhauchen.

Das Thema der Story erinnert an Folgen aus Wien, wo die Brüchigkeit der Welt oft die leading idea ist. Aber wer den Vergleich sucht, wird selbst verglichen: Die Schweizer Kommissare bleiben blasser als die anderen, ihre Oberfläche ist poliert wie die Oberfläche ihrer Fälle. Flückiger immerhin trägt jetzt einen Bart, der ihm den Anschein von Verwegenheit gibt. Aber eben nur den Anschein.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr.

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