"Tatort"-Kommissar Stefan Gubser:"Deutschland und Schweiz - im Grunde sind wir uns doch ähnlich"

Schweizer haben im Moment in Deutschland ein Imageproblem. Einer findet jedoch den Weg in Millionen deutsche Haushalte: Stefan Gubser alias Reto Flückiger im Luzerner "Tatort". Im Interview mit Süddeutsche.de spricht er über seine Rolle als Kommissar, den deutsch-schweizerischen Bruderzwist und die Krux mit den Steuerhinterziehern.

Christopher Pramstaller

Stefan Gubser zählt dank mehr als 150 Kino- und Fernsehrollen sowie vieler Theaterauftritte zu den beliebtesten Schauspielern der Schweiz. In Deutschland kennt man ihn vor allem als Kommissar Reto Flückiger im Luzerner Tatort. Mit der Rolle erfüllte sich für den 55-jährigen Schauspieler ein "Bubentraum". Am Sonntag eröffnet er mit seinem dritten Fall die neue "Tatort"-Saison. Im Interview mit Süddeutsche.de spricht er außerdem über deutsch-schweizerischen Bruderzwist, gierige Banker und die Krux mit den Steuerhinterziehern.

Stefan Gubser alias Reto Flückiger im Tatort "Hanglage mit Aussicht"

Mit der Rolle als "Tatort"-Kommissar erfüllte sich für Stefan Gubser ein Kindheitstraum.

(Foto: SWR/SRF/Daniel Winkler)

Süddeutsche.de: Herr Gubser, wie fühlt es sich an, wenn vielen Deutschen derzeit als erstes Steuerhinterziehung in den Sinn kommt, wenn sie an die Schweiz denken?

Stefan Gubser: Für die Schweiz ist das ein großes Problem. Die Schweizer leiden darunter. Wenn man früher mit dem roten Pass ankam, war man überall willkommen. Das hat sich leider etwas verändert: Der rote Pass hat einen Fleck bekommen.

Süddeutsche.de: Fühlen sie sich durch die Schmähungen auch persönlich angegriffen?

Gubser: Für mich ist es relativ schwierig, die ganze Sache zu beurteilen. Ich arbeite ja schon sehr lange in Deutschland und hab eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht. Aber ich kann die Schweizer gut verstehen, die sich verletzt fühlen. Als Durchschnittsbürger kann man nichts dafür, was irgendwelche Banker treiben.

Süddeutsche.de: Mit politischen Themen haben sie sich im Schweizer Tatort bisher auffallend zurückgehalten. Die NZZ am Sonntag meinte, in einer Folge sogar "politische Zensur" zu erkennen. Drängen sich solche ernsten Themen angesichts der aktuellen Lage nicht geradezu auf?

Gubser: Die gesamte Bankenwelt und was da läuft, Geld verstecken, Steuern hinterziehen und Ähnliches, bietet sich natürlich an. Aber ich persönlich mag eher Fälle, die im kleinen Kosmos stattfinden. Fälle, die einen emotional aufwühlen, bei denen viele Menschen persönlich betroffen sind. Aber politische Themen schließt das natürlich nicht aus. Und im kommenden Tatort geht es schließlich auch sehr politisch zu.

Süddeutsche.de: In "Hanglage mit Aussicht" hält ein Regierungsrat, hoch über dem Vierwaldstättersee, eine Rede zum Schweizer Nationalfeiertag. Er schließt mit den Worten: "Die Schweiz gehört uns allen"! Die politische Diskussion befeuert diese Frage in der Schweiz seit 50 Jahren - auch aufgrund der vielen Deutschen im Land. Wieso ist das so?

Gubser: Die Schweizer fühlen sich oft überrollt. Das liegt bei den Deutschen vielleicht an der sehr direkten Art, die man als Schweizer nicht so gewohnt ist. Hier hält man sich eher zurück und kocht auf kleiner Flamme. Dabei gibt es in der Schweiz eine Multikulti-Kultur mit vielen Einwanderern, die auch in weiten Teilen funktioniert. Dennoch spielen Angst vor Zersiedlung und Überfremdung eine zentrale Rolle.

Süddeutsche.de: Ermittelt wird in Luzern. Die Stadt am Vierwaldstättersee wirkt wie eine Miniatur-Schweiz - fast schon ein wenig klischeehaft.

Stefan Gubser alias Reto Flückiger im Tatort "Hanglage mit Aussicht"

"Wenn wir zeigen können, dass es hier nicht nur gierige Banker gibt, ist das eine tolle Sache": Stefan Gubser alias Reto Flückiger im neuen Fall "Hanglage mit Aussicht".

(Foto: SWR/SRF/Daniel Winkler)

Gubser: Die Entscheidung in Luzern zu drehen, war absolut richtig. Man hätte sicherlich auch in Zürich drehen können, aber Luzern bietet auf engstem Raum sehr viele Schauplätze. Man hat die Stadt, den See - und auch gleich die Berge. Für einen Dreh ist das super, wenn man in einer halben Stunde an einem völlig anderen Ort sein kann. Und dass unser Tatort in der Schweiz spielt, darf man ja ruhig sehen.

Süddeutsche.de: Als Kommissar mussten sie klein anfangen. Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre waren sie noch in der TV-Serie "Eurocops" als Ermittler zu sehen, eine Serie mit 50 Minuten langen Folgen, mit der sie dem breiten Publikum in Deutschland bekannt wurden. Wie steil ist da der Aufstieg zum "Tatort"?

Gubser: Natürlich hab ich mit einem neidischen Auge auf den "Tatort" geschaut. Die "Eurocops" waren toll, aber eben eine Serie. Der Tatort, das sind richtige Filme mit einer 40-jährigen Geschichte. Der "Tatort" macht unglaublich viel Spaß - und dass ich mich mit der Rolle des Reto Flückiger sehr gut identifizieren kann, macht es noch besser.

Süddeutsche.de: Seit Ende der 80er-Jahre haben sie sich in allen möglichen Rollen kontinuierlich ins Gedächtnis des Publikums gespielt. Sie waren als Arzt, Älpler, Pfarrer oder auch schon als Bad Guy im Schweizer Tatort "Time-Out" vor elf Jahren zu sehen. Verstehen sie Kritiker, die bei dieser breiten Palette den Kopf schütteln?

Gubser: Kritiker gibt es überall. Aber ich lass' mich nicht gerne in ein Schema pressen. Ich hab einen ausgeprägten Freiheitsdrang. Auch jetzt ist es mir wichtig, mehr zu machen, als nur die zwei Filme als Reto Flückiger.

Süddeutsche.de: Mit dem "Tatort" sind Sie in der Champions-League der deutschen Fernsehunterhaltung angekommen. Wie fühlt es sich nach einigen Drehs als "Tatort"-Kommissar denn an?

Gubser: Der "Tatort" ist ein Bubentraum von mir. Als Jugendlicher durfte ich nie anschauen und musste das dann heimlich tun. Meine Eltern haben früher Schauspieler der Bregenzer Festspiele beherbergt. Von dieser Welt war ich damals schon fasziniert.

Süddeutsche.de: Nun werden sie am kommenden Sonntag wieder in Millionen Haushalten als Ermittler zu sehen sein. Kann der "Tatort" dazu beitragen, dass Deutsche und Schweizer sich wieder näherkommen?

Gubser: Ja, das kann ich mir vorstellen und hoffe es auch. Wenn wir irgendetwas dazu beitragen können, um zu zeigen, dass es hier nicht nur gierige Banker gibt, dann ist das eine tolle Sache. Aber sind wir mal ehrlich: So große Unterschiede gibt es zwischen Deutschland und der Schweiz auch wieder nicht. Im Grunde sind wir uns doch sehr ähnlich.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Interviews wurde der Münsteraner Tatort-Darsteller Jan Josef Liefers mit den Worten zitiert: "Super Stefan, jetzt bist du in der Champions League!". Die NZZ am Sonntag vom 14.8.2011 hatte es erstmals abgedruckt. Wie Jan Josef Liefers uns mitteilte, gratuliert er seinem Kollegen Stefan Gubser zwar herzlich zu seiner Rolle, hat das aber nie mit diesen Worten getan. Wir bitten um Entschuldigung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: