Tatort-Kolumne: Folge 4:Trocken

Amüsante Dialoge, schwieriges Thema: Der neue "Tatort" aus Saarbrücken handelt von Kriegstraumata. Der Krimi ist eine Art Lehrstück - und dennoch lustig und bewegend.

Alexander Gorkow

Die Demoskopen in Allensbach ermittelten, dass 40 Prozent der Tatort-Seher die lang gedienten Kölner Kommissare am liebsten haben, nur sieben Prozent hingegen die beiden Jungen aus Saarbrücken.

tatort heimatfront

Die Saarbrücker Kommissare Franz Kappl (gespielt von Maximilian Brückner, rechts) und Stefan Deininger (Gregor Weber, links) haben Hendrik Milbrandt (Martin Kiefer) im Verdacht - und im Visier.

(Foto: SR/Manuela Meyer)

Zu ihrem Glück muss die ARD Wettbewerb nicht fürchten, die Gebührenmilliarden kriegt sie sowieso, also auch dann, wenn Ballauf und Schenk noch mit 90 am Büdchen ins Kölsch husten.

Gerecht ist das nicht für die jungen Kommissare Kappl und Deininger aus Saarbrücken - die eigentlich die Rettung einer im Anachronismus feststeckenden TV-Serie sind.

Maximilian Brückner und Gregor Weber sind grandiose Schauspieler, die in dieser Folge die Ermittlungen gerne (danke) nicht kommentieren, sondern lieber staubtrockene Klopper rausnuscheln. Es bereitet große Freude, sich die anzusehen.

Dieser Tatort des Kurzfilm-Oscar-Preisträgers Jochen Freydank startet wie eine Persiflage. Die junge Künstlerin Viktoria Schneider wird bei einer Antikriegs-Performance aus 400 Metern erschossen. Nun baumelt sie als totes Engelchen in den Seilen.

Vier Soldaten - Afghanistanheimkehrer - geraten bei den Ermittlungen im irgendwie somnambulen Saarbrücken ins Visier der Ermittler. Die machen sich wegen der Langstreckenqualität des Projektils erstmal kundig.

Also fragt Deininger, der aussieht wie der Polizist von den Village People, den Beamten-Kollegen aus der Spezialwaffenabteilung: "Was würden Sie denn nehmen für den Hausgebrauch?" - "Es gibt keine Waffe für den Hausgebrauch." - "Anscheinend schon, sonst wär' die Frau Schneider ja nicht tot."

So trocken geht das hier zu bis zum wahrhaft spannenden Ende in einer ausgelassenen Kohlegrube. Auch wegen des dialogsicheren Buchs von Christiane Hütter und Christian Heider, auch wegen einer tollen Ensembleleistung ist dabei ein Kunststück gelungen: Der Film ist oft komisch, und doch bewegt er.

So ist dieser Off-Tatort über Kriegstraumata ein Lehrstück geworden: Bei einem so wichtigen Thema darf im Unterhaltungsfernsehen nicht viel erklärt, stattdessen muss mit Sorgfalt genuschelt werden.

Sonntag, ARD, 20.15 Uhr.

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