Tatort Hamburg: "Kopfgeld":Leichen pflastern seinen Weg

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Tschiller (Til Schweiger) und seine Ex-Frau Isabella (Stefanie Stappenbeck). (Foto: NDR/Marion von der Mehden)

Wenn Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller auftritt, gerät der "Tatort" zur idealen Untermalung sogenannter Herrenabende. Bedeutet der Einsatz von Komissar Tschiller doch leider vor allem: mehr Sex, mehr Blut, mehr Action.

Von Holger Gertz

In diesem Tatort wird gleich mal ein Herr im Unterhemd gezeigt, man riecht den Nachtschweiß, damit ist das Aroma des Films vorgegeben. "Kopfgeld", die zweite Episode mit Til Schweiger als LKA-Mann Nick Tschiller, ist ein Film für Männer, nicht zuletzt für solche, die in der Pubertät hängengeblieben sind. Alles kommt vor, was schon in den Filmen vorkam, die man sich früher in der Videothek ausgeliehen hat, wenn man mit den sogenannten Kumpels einen sogenannten Herrenabend vor der sogenannten Glotze verbringen wollte. Tschiller vögelt die Staatsanwältin, Tschiller wird fast in die Luft gesprengt in seinem Auto, in dem auch die quakende Exfrau sitzt. Tschillers wunderbarer Kollege Yalcin Gümer gibt Anweisungen, sprachlich konsequent im Themenfeld von se x and crime: "Solange der Schniedel steckt, kann da nix losgehen."

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Nick Tschillers zweiter Fall ist vieles: ein bisschen "Breaking Bad", ein bisschen "Homeland", viel "Terminator". Nur von einem "Tatort" ist dieser "Tatort" weit entfernt. Eine Auswahl der besten Tweets.

Tschiller hat sich mit dem Astan-Clan angelegt, ein Kopfgeld ist ausgesetzt, fünfzigtausend Euro für sein rausgeschnittenes Herz. Oder, wie die Straße sagt: 50 Mille für die Pumpe. Die Geschichte vom Kampf Gut vs. Böse wird von Regisseur Christian Alvart noch mal erzählt. Tschiller ist der Gute, Tschiller räumt auf; die Kollegen erklären ihn für tot, um ihn zu schützen. "Okay. Ich bin tot. Gute Idee", sagt er. Seine Stimme ist mit Metall beschlagen, seine Augen sehen, was sie immer sehen: Dauernd wird jemand erschossen, dauernd hat jemand Blut im Gesicht. Über allem liegt das ewig hämmernde Bang Bang Bang.

Folgen mit Tschiller als Kontrastprogramm

Die Folgen mit Tschiller sind als Kontrastprogramm angelegt, die Betulichkeit der Tatorte soll gebrochen werden. Mehr Sex, mehr Blut. Wer's mag: für den ist es das Größte. Wer behauptete, dass Leichen Tschillers Weg pflasterten, der würde die Wahrheit sanft ummänteln, die Episode gibt den Tatort-Leichenzählern genug Anlass, mit ihrer albernen Leichenzählerei fortzufahren.

Hamburg liegt im Würgegriff der Clans, man kommuniziert wispernd, mit Feuerwaffen, mit der Faust. Fast alles teilt sich körperlich mit. Die Kamera nimmt Tschillers Nacken in den Blick, wenn er durch lange Flure läuft, und sein Maschinenmensch-Gesicht, wenn er zurückkommt. Tschiller zeigt Tschillers Hintern, der fraglos auch Schweigers Hintern ist - Bild hatte ihn vorab gerade im Blatt. Aber was verrät schon ein Hintern über den Mann, der dranhängt? Das ist der Unterschied zu einigen der großen NDR-Folgen mit Cenk Batu, der ein Cop war, aber ein berührbares Inneres hatte.

Nick Tschiller - das T scheint in seinen Namen eingepflegt, um ihn sinnbildlich von Kunst, Kultur und Gedankenschwere abzugrenzen - ist ein Wesen ohne Psychologie, nur im Gespräch mit seiner Tochter wird ein Mensch aus dem Apparat. Am Ende einer wilden Fahrt bleibt nicht viel hängen von dieser Episode, die auf Subtilitäten verzichtet und sich dadurch kleiner macht, als sie sich machen müsste. Das ist natürlich Programm. Aber es ist auch: tschade.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 08.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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