Tatort "Das verkaufte Lächeln":Verlierer und Verlorene

Tatort: Das verkaufte Lächeln; "Tatort: München"

In diesem Tatort findet sich Fremdheit in allen Aggregatzuständen, auch bei Leitmayr (l.) und Batic.

(Foto: BR/Elke Werner)

Im letzten "Tatort" 2014 suchen die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr den Mörder eines Jungen, der sein Lächeln im Internet verkauft hat.

Von Holger Gertz

Da ist gleich am Anfang ein Mädchen, das knöpft sich die Bluse auf, knabbert am Halskettchen rum, flirtet in den Bildschirm rein. Auf diese Art Eyecatcher verlassen sie sich im Tatort ziemlich oft: Wenn irgendwie Sex im Spiel ist, schauen die Leute halt hin. In diesem Fall ist die Eröffnungssequenz nicht Selbstzweck, sondern Brücke zum Thema.

Jugendliche verkaufen Nacktfotos und -videos von sich im Netz, daraus hätte man eine drastische Nummer machen können. Aber im Münchner Tatort hält man sich mit der Betrachtung nackter Körper nicht unnötig auf, sondern versucht, tiefer zu schauen. Wer stellt sich aus? Wer schaut da hin? Wer gewinnt? Und wer verliert sich?

Die Episode "Das verkaufte Lächeln" von Regisseur Andreas Senn und Autor Holger Joos ist eine Philosophie über die Frage, wer die Macht hat. Diese drei jungen Menschen -, die sich für Geld ausziehen und glauben, sie hätten das Ganze im Griff. Als könnte man das: die Haut zu Markte tragen und dabei maximal kontrolliert bleiben (bemerkenswert: Anna Lena Klenke als Hanna). Oder die Erwachsenen, die sich an diesen Kids aufgeilen und sich darauf rausreden, das geschehe doch alles freiwillig - und übrigens auch glauben, sie hätten das Ganze im Griff. Eine Illusion, beiderseits: Ein Internetjunge wird erschossen, bei einem Kunden, der auch Fußballtrainer ist, werden belastende Fotos gefunden. Die Kommissare stehen - nicht nur, wenn sie über den Fußballtrainer reden - stellvertretend für die Positionen der Gesellschaft in solchen Fällen, zwischen Verurteilung, Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit.

Batic: "Ich will gar nicht wissen, was er denkt, wenn er den Jungs beim Duschen zuschaut."

Leitmayr: "Dafür willst ihn jetzt wegsperren oder was? Wegen dem, was er sich vielleicht denkt?"

Batic: "Beim Denken bleibt`s ja nicht."

Fremdheit in allen Aggregatzuständen. Zwischen Ermittlern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Generationen. "Mach' nicht so lang, du hast schon ganz viereckige Augen" sagt eine Mutter zum Sohn, der vorm Computer hängt.

Wie fürsorglich das gemeint ist, wie uralt sich das anhört. Und wie sehr es ins Leere geht. Der letzte Tatort 2014 - eine Geschichte über schwer vernetzte Menschen, die Verlierer und Verlorene sind.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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