"Tatort"-Darsteller:Tukur gegen das Wo-waren-Sie-gestern-Abend-Einerlei

Tatort "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur

Preisgekrönt: Ulrich Tukur in der Tatort-Episode "Im Schmerz geboren".

(Foto: dpa)

Ulrich Tukur hat oft Nazis gespielt. Wann immer er im "Tatort" auftaucht, geht es nicht ganz so ernst zu.

Von Katharina Riehl

In diesem schön verrückten Tatort, in dem Ulrich Tukur am Sonntag sich selbst spielte, gibt es eine besonders schöne und verrückte Szene: Tukur, der Tatort-Schauspieler, der während der Dreharbeiten selbst unter Mordverdacht gerät, kann das Telefonat seiner Krimi-Kollegin Barbara Philipp belauschen. Die zetert auf dem Balkon ziemlich engagiert in ihr Handy hinein, sie will endlich eine ordentliche Rolle, endlich einen Preis gewinnen. Ob es nicht mal einen schönen Nazi-Film für sie gebe? Und dann: "Du, der Tukur darf einen Nazi nach dem anderen spielen, und dem werden die Preise hinterhergeschmissen."

Das ist deshalb so hübsch, weil es ja wahr ist. Der Schauspieler Ulrich Tukur hat der künstlerischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus auf deutschen Bühnen und im deutschen Film ein Gutteil seiner Karriere zu verdanken.

Schon 1984, nach dem Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte und nach der Schauspielschule in Stuttgart, gab er den SS-Sturmbannführer Kittel in Peter Zadeks "Ghetto". Es folgte die Rolle des SS-Offiziers Kurt Gerstein in der Verfilmung von Rolf Hochhuths Drama "Der Stellvertreter". Er spielte auch Nazi-Gegner, etwa in "Die Weiße Rose" von 1982 und in "John Rabe". Als er 2012 die Dreharbeiten als Generalfeldmarschall Erwin Rommel für die ARD beendet hatte, erklärte Tukur, im nächsten Jahr gebe es für ihn "keine Uniformen, keine Panzer, keine Stahlhelme".

54 Leichen und viele entsetzte Krimi-Fans

Man sollte das wissen, will man ermessen, was die Rolle des Tatort-Ermittlers Felix Murot für den 1957 in Viernheim geborenen Ulrich Tukur bedeuten könnte: Der Ermittler, der sich in den ersten Folgen mit seinem Gehirntumor unterhielt, ist eine feine Abwechslung im Wo-waren-Sie-gestern-Abend-Einerlei des erfolgreichsten deutschen Krimiformats. Bei Tukur wird nicht alles so schrecklich ernst genommen, und das nicht erst seit der preisgekrönten Episode "Im Schmerz geboren", in der es einen Erzähler gab, 54 Leichen und hinterher viele entsetzte Krimi-Fans.

Tukur seinerseits verdankt Felix Murot, dass er im Fernsehen zeigen darf, was er draufhat, wenn er keine Uniform trägt. Wenn die Story es verlangt, singt Murot auch mal oder begleitet die tanzenden Kessler-Zwillinge auf dem Klavier. Tukur hat viele Talente, hatte nicht nur große Bühnen- und Filmerfolge, er schreibt auch Bücher und ist Sänger der Band Die Rhythmus Boys.

Was Tukur, der eigentlich Scheurlen mit Familiennamen heißt, sich aber einen Künstlernamen erwählte, offensichtlich auch kann: Selbstironie. Im aktuellen Tatort wird nicht nur seine Nazi-Vergangenheit bewitzelt, sondern auch ein echtes Klischee des deutschen Medienbetriebs. Tukurs hessische Tatort-Konkurrenten Wolfram Koch und Margarita Broich sitzen im Film in einer TV-Show, sollen über den "Tatort" sprechen und sprechen aber vor allem darüber, dass sie eigentlich große Theaterstars sind.

Hier die Kunst, da das Fernsehen. Manchmal aber kommt sogar beides zusammen.

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