Tatort Bremen "Hochzeitsnacht":Er will die Wahrheit

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Auf einem Dorfgasthof wird die gesamte Hochzeitsgesellschaft gekidnappt. Der "Tatort" mit der Bremer Kommissarin Lürsen sucht die Mitte zwischen Detlev Buck und Michael Haneke - aber er findet sie nicht.

Holger Gertz

Wer aus dem Norden kommt, fühlt sich im Bremer Tatort schnell zu Hause. Nebel. Äcker. Männer mit Prinz-Heinrich-Mützen. Familienfeiern im Dorfgasthof, die Musik kommt von einem dieser reisenden DJs, die ihre Ausrüstung immer dabeihaben, Hammondorgel, Lichtanlage. In diesem Fall heißt der DJ "Rockin' Rainer". Wer aus dem Norden kommt - nicht aus der Stadt, sondern aus dem flachen Land umzu, wie der Bremer sagt -, der weiß, wie einen das alles bald ankotzt, der Duft der Kühe, das Schweigen der Alten. "Hier ist nichts los, wenn man jung ist", sagt ein großäugiges Mädchen: "Bisschen Gras, 'n paar Pillen. Vier, fünf Clubs in einer Nacht, locker 100 Kilometer gefahren. Und am Ende bist du wieder hier."

Henning Noehren als Nico (vorne), Denis Moschitto als Wolf Koschwitz und Julie Engelbrecht als Rieke im Tatort "Hochzeitsnacht" von Florian Baxmeyer. (Foto: dapd)

Auf einem Dorfgasthof wird die gesamte Hochzeitsgesellschaft gekidnappt. Einer der beiden Geiselnehmer war lange im Knast, er soll vor Jahren ein Mädchen aus dem Dorf umgebracht haben, aber er war es nicht. Er glaubt, dass der echte Mörder unter seinen Geiseln ist. Er will kein Geld, er will die Wahrheit.

Der Tatort beschreibt leise und manchmal lakonisch ein Milieu, aber er möchte auch ein bedrohliches Kammerspiel sein, er sucht die Mitte zwischen Detlev Buck und Michael Haneke, aber er findet sie nicht. Kommissarin Lürsen behält den für Nordlichter so typischen klaren Kopf, während die Gangster nervös werden, die Beziehungen der Geiseln untereinander sich vergiften. Knarren lauern an Schläfen, Eiskübel fliegen, Blut fließt. Allerdings, Spannung bleibt nur ein Wort. Man fühlt sie nicht.

Vor einer Woche, im Tatort aus Kiel, sagte ein Mann, der das eigentlich nicht wissen konnte, dass die Kaffeefilter links oben im Hängeschrank sind. Er sprach aus dem Wohnzimmer, und in der Küche stand eine Frau, sie hörte den Satz, sie wusste jetzt, wer der Mann war: Sie wusste, dass sie sterben muss. Man konnte beiden zusehen, wie sie mit dem Moment der Erkenntnis umgingen, ziemlich lang war es absolut still. Nichts ist bedrohlicher als Stille.

In dieser Episode hier wird dagegen geredet, gelabert, erklärt; im Festsaal des Gasthofs, in der Küche, in den Fluren. Kein Bild spricht für sich. Der Tatort verliert seine Glaubwürdigkeit und sogar seinen nordischen Wollmützen-Charme. In Bremen und umzu gibt es in echt niemanden, der alles totquatscht.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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