Tatort aus Weimar:Pudding im Nischel, Stahl in der Hose

Tatort: Der wüste Gobi; Tatort Weimar Der wüste Gobi MDR

Strick-Fetisch und ausgeprägte Untergrund-Kenntnisse: Jürgen Vogel als Gotthilf "Gobi" Bigamiluschvatokovtschvili.

(Foto: MDR/Wiedemann&Berg/Anke Neugebau)

Im Weimarer "Tatort" gibt Jürgen Vogel einen geistig verwirrten Strick-Fetischisten - und auch ansonsten ist alles Nonsens. Aber sehr unterhaltsam.

Von Carolin Gasteiger

Die Erkenntnis:

Weimar weiß, wie Klamauk geht. Anders als Münster. Während Thiel und Boerne nur herumkalauern, kabbeln sich Dorn und Lessing auf eloquentestem Wortwitz-Niveau. Wenn dann auch noch Jürgen Vogel als liebenswert verwirrter Psychopath im Tatort mitspielt, ist das beste Jahresausklangs-Unterhaltung.

Darum geht's:

Der wegen dreifachen Mordes verurteilte Gotthilf "Gobi" Bigamiluschvatokovtschivili (!) bricht aus der Psychiatrie aus. In seiner Zelle bleibt eine erwürgte Angestellte zurück. Alles deutet auf Gobi als Täter hin. Aber die beiden Kommissare Dorn und Lessing, die ihre kinderfreie Zeit eigentlich gern anders nutzen würden, zweifeln bald an der Schuld des Flüchtigen. Immerhin sind dessen eifersüchtige Verlobte Mimi Kalkbrenner (Jeannette Hain) und der undurchsichtige Psycho-Professor Eisler (Ernst Stötzner) mindestens so verdächtig wie Gobi selbst.

Bezeichnender Dialog:

Dorn und Lessing befragen Gobis Verlobte nach desen Flucht - und überraschen die Harfinistin mit ernüchternden Neuigkeiten.

Dorn: Wussten Sie, dass er nicht nur für Sie strickt?

Lessing: Also, seine Winterkollektion ist auch in der Damenwelt in der Klinik sehr beliebt. Zum Beispiel bei der Krankenschwester, die er vor ein paar Stunden ermordet hat.

Dorn: Er hatte vielleicht Pudding im Nischel, aber Stahl in der Hose.

Lessing: Frau Dorn.

Top:

"Der wüste Gobi" ist voll feinstem Wortwitz. Vom herrlich platten Wortspiel-Titel über den verquasten Nachnamen Gobis, den einzig Lessing fehlerfrei über die Lippen bringt, bis hin zum gewohnt lakonisch-spitzen Gekabbel zwischen Dorn und Lessing. Und dann lassen die Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger Gobi und dessen Verlobte konsequent "Nischel" statt "Kopf" sagen! Aber die treffenden Dialoge sind nicht alles. Hinzu kommt die sehr gelungene Situationskomik: Wie selbstverständlich der schrullige Professor Eisler sein totes Eichhörnchen durch die Wohnung trägt, als halte er einen Spazierstock. Oder wie treffend der Hamster im Rad genau in dem Moment stehenbleibt, als Kommissarin Dorn versteht, was ihr ein Zeuge gerade erzählt. Und nicht zuletzt die hässlichen Strick-Dessous, die Gobi für seine zahlreichen Affären anfertigt ("Ich muss nur noch ein paar Maschen abnehmen"). All das wirkt nicht platt aneinandergeklebt, sondern kunstvoll ineinander verwoben.

Flop:

Nach so etwas wie Sinn oder Logik sucht man in "Der wüste Gobi" allerdings vergeblich. Ein Flüchtiger, der wie selbstverständlich durch die Kanalisation türmen kann und sich mit einer Damen-Perücke lächerlich schlecht tarnt, Polizeibeamte, die auch in die offensichtlichste Falle tappen und ein Professor, der zugunsten einer Galapagos-Schildkröte Gerichtsakten fälscht. Das alles wirkt schon sehr konstruiert und weit hergeholt. Aber in seiner Fülle funktioniert all der Nonsens großartig. Lediglich den Teil der Handlung, in dem Kommissariatsleiter Stich offene Rechnungen mit seinem Vorgänger begleichen will, wirkt überflüssig.

Bester Auftritt:

Jürgen Vogel ist als durchgeknallter Psychopath Gobi ebenso verrückt wie anrührig. Allein, wie er in einer der ersten Szenen brutal das Gesicht verzieht (in seiner Vorstellung erwürgt er gerade jemanden). Um dann später nicht minder intensiv über einer Tasse Bohnenkaffee leuchtende Augen zu bekommen. Schließlich liebkost er eine Orange mit den Worten: "Diese Farben!" Vogel spielt Gobi mal unberechenbar, mal unbeholfen wie ein kleines Kind - und wirkt in den grob gemusterten Strickpullovern wie eine Karikatur seiner selbst.

Irrwitzigste Szenenabfolge:

Professor Eisler findet seine Frau erwürgt im Bett. Als er telefonisch die Polizei verständigt, fängt im Hintergrund die Heizdecke im Bett der Toten Feuer. Die Flammen löscht er mit Buchstabensuppe, was alles nur schlimmer macht und ein bisschen wirkt wie aus "Die nackte Kanone", in der Leslie Nielsen von einem Fauxpas in den nächsten schlittert. "Ich hatte nur die Suppe zum Löschen. War wohl zu fettig. Brandbeschleuniger", lamentiert Eisler vor den Kommissaren, die dazu bedröppelt die Gesichter verziehen. Alles in dieser Szenenabfolge wirkt makaber und surreal. Großartiger schwarzer Humor.

Die Pointe:

In einem Klamauk-Tatort stellt die Pointe traditionsgemäß den letzten Gag. Dorn und Lessing knutschen in einer Gefängniszelle, als sich Lessing über die Unterwäsche seiner Frau wundert: "Ist das meine lange Unterhose?" "Ne, hab ich von Gobi."

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