"Tatort" aus München:Mord im Festzelt

Tatort "Die letzte Wiesn"; Daniel Christensen, Gisela Schneeberger und Leo Reisinger (von links)

Der Münchner Tatort "Die letzte Wiesn" ist nicht nur ein Krimi, sondern auch eine Charakterstudie bayrischer Lebenskunst.

(Foto: BR/Bernd Schuller)

Liquid Ecstasy im Bier und dann braves Täterraten: Wer das für einen guten Münchner "Tatort" hält, hat noch keinen guten Münchner "Tatort" gesehen.

Von Holger Gertz

Ein Volksfest ist immer eine prächtige Filmkulisse, die Wiesn erst recht. Geboten werden Rausch und Raserei, und die kontrastierenden Momente kann man schön dagegenschneiden. Ein Ballon steigt auf zur Decke eines Bierzelts. Eine Träne tastet sich über die Wange einer Frau.

Geschichten vom Volksfest sind immer auch Erzählungen vom Amüsierbetrieb in seiner Traurigkeit, der WDR-Tatort "Das Mädchen von Gegenüber" von 1977 gilt als Klassiker. Da stocherte der traurige Kommissar Haferkamp in den Kulissen eines Vorstadtjahrmarkts rum. Eine Tragödie, darübergelegt der blecherne Conférencier vom Auto-Scooter.

Auch die BR-Episode "Die letzte Wiesn" von Marvin Kren (Buch: Stefan Holtz und Florian Iwersen) fängt laute und leise Bilder schön ein, außerdem die Geräusche: den Klang gegeneinanderschlagender Masskrüge. Das Wummern des Ambientes, wahrgenommen noch im Ruheraum hinten im Festzelt. Gedreht wurde auf der Wiesn 2014, die Episode wirkt bisweilen halbdokumentarisch, sie ist auch eine Charakterstudie bayerischer Lebenskunst.

Ein ungewohnt einfacher Fall, bei dem Täterraten Spaß macht

Viel Dialekt, viel Wärme von Batic, der seine kroatischen Tanten bei sich einquartiert hat, das Spanferkel reicht für alle. Denn, weiß Batic: "Der beste Vogel ist das Schwein." Dazu der dosierte Grant von Leitmayr, der seine Wohnung während der Wiesn an zwei Schwedinnen untervermietet hat, aber dann doch zurückkommen muss, weil auf der Wiesn nicht nur gerauft wird. Die Schwedinnen wohnen ihm natürlich binnen Tagen die Hütte komplett runter.

Der Humor der Münchner ist gewohnt gefällig, der Fall ist ungewohnt einfach gestrickt - dem Plot fehlt eine zweite Ebene. Im Amperbräu-Zelt wird den Besuchern Liquid Ecstasy ins Bier geschüttet, die Kundschaft bricht reihenweise zusammen; ein Verdächtiger nach dem anderen wird überprüft. "It's a Klassiker", würde Beckenbauer sagen, ein klassischer Whodunit.

Immer dann, wenn er einen Sog zu entwickeln verspricht, mischt einer einen bajuwarischen Witz unter, heraus kommt konventionelles Täterraten, an dem alle ihre Freude haben, denen das Format insgesamt zu kompliziert geworden ist. Man kann dem Geschehen gut folgen. Wer das deshalb für einen guten Münchner Tatort hält, hat noch keinen guten Münchner Tatort gesehen.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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