60 Jahre Tagesschau:"Ich habe ein Problem mit meinem Gerät"

60 Jahre ist sie jetzt alt - und neben seriösem Journalismus bietet die "Tagesschau" auch jede Menge Situationskomik. Ob sich ein Putzmann in die Livesendung einklinkt, der Bundespräsident falsch tituliert oder im Hintergrund der Fernseher angeschaltet wird: Den Sprechern bleibt wenig erspart.

Die besten Videos zum Jubiläum.

Sie ist nicht nur eine Nachrichtensendung, sie ist eine Institution: Seit 60 Jahren informiert die Tagesschau über das Weltgeschehen - damit ist sie die älteste Nachrichtensendung in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 26. Dezember 1952 war das Format zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen. Dass in sechs Jahrzehnten nicht immer alles glatt gehen kann, ist nicht überraschend. Aber amüsant.

Der Begriff "Tagesschau" steht wie kaum anderer als Synonym für seriösen Journalismus ohne boulevardeske Inhalte. Daran hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas verändert - genauso wenig wie an der Form der Moderation: Die Inhalte werden von oft etwas steif wirkenden Moderatoren in Sakko oder Blazer von Blättern mehr oder weniger frei vorgetragen. Umso mehr Schadenfreude kommt da auf, wenn die Sprecher durch Pannen aus dem Konzept geraten und ihre Professionalität abseits der Zettel und Teleprompter unter Beweis stellen müssen.

Dass das nicht immer eine einfache Übung ist, davon kann zum Beispiel Jens Riewa ein Lied singen. Am 8. November 2012 ist um 11 Uhr ein deutlich angespannter Tagesschau-Moderator zu beobachten, der noch während der Startfanfare unter seinen Tisch fasst, anschließend den rechten Arm entnervt in die Luft wirft, um dann - deutlich angefressen - dem Publikum zu verkünden, er habe Probleme mit seinem "Gerät" (was er aber nicht weiter ausführt). Nach einigen Schrecksekunden huscht fast ein Grinsen über sein Gesicht, doch er reißt sich wieder zusammen. Nach 35 Sekunden ist die Panne offenbar wieder behoben und Riewa kann starten.

"Ein kleiner Schritt für die Menschheit"

Trotz derlei kleiner Zwischenfälle ist die Seriösität nach wie vor das wichtigste Gut der Tagesschau. So erntete die Sendung prompt heftige Kritik, als Riewa am 24. Februar 2004 auf Betreiben der Chefredaktion hin die Meldung über einen Verkehrsunfall des damaligen C-Promis Daniel Küblböck verlas, der in seinem Auto mit einem Gurkenlaster kollidiert war.

Eine andere Moderation sorgte im Jubiläumsjahr des allabendlichen Nachrichtenblocks ebenfalls für Verwirrung: Am 26. August wurde nach dem Tod des ersten Mannes auf dem Mond, Neil Armstrong, das weltberühmte Zitat völlig ad absurdum geführt. Statt "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit" zitierte ihn eine Stimme aus dem Off gänzlich falsch: "Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für mich."

Kampf gegen Qualität

Oft genug müssen die Sprecher mit widrigen Umständen kämpfen - sei es eine technische Panne oder ein menschlicher Fehler innerhalb der Redaktion. So prangt hinter Sprecher Marc Bator am 21. Januar 2012 die Schlagzeile "Kampf gegen Hunger und Qualität von Lebensmitteln", was den Moderator zwar nicht aus dem Konzept brachte, für die verantwortlichen Redakteure aber dennoch peinlich gewesen sein dürfte.

Ebenso wie der Zwischenfall wenige Monate später - am 17. April dieses Jahres - als offenbar im Studio während der Sendung plötzlich jemandem die Idee kam, einfach mal den Fernseher im Hintergrund einzustellen. Tapfer liest Susanne Daubner weiter die Meldungen ab, weist auch noch auf den technischen Fehler hin - und muss dann doch loslachen.

Der putzende Pannen-König

Vor gut zwölf Jahren hatte sich Daubner bei dem wohl bekanntesten Fauxpas der Tagesschau-Geschichte noch besser unter Kontrolle. Wie immer beginnt sie ihre Moderation an diesem Tag und begrüßt ihre Zuschauer. Der Putzmann entgegnet ihr ein freundliches "Morgen". Der Putzmann? Ja, der Putzmann. Während Daubner eine Meldung über die Neubesetzung von CDU-Spitzenämtern verliest, geht der gute Mann unbeirrt seiner Arbeit nach - und schrieb unfreiwillig Tagesschau-Geschichte.

Gestatten: Köhler. Klaus Köhler.

Das Video ist dank Youtube konserviert und zehntausendfach geklickt - ebenso wie Hunderte weitere mehr oder weniger große Pannen des deutschen Nachrichten-Flaggschiffs. Für allgemeine Erheiterung sorgte beispielsweise auch ein Lapsus von 2009: Da machte die Tagesschau den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler kurzerhand zum Klaus.

In dem Einspieler wird das deutsche Staatsoberhaupt bei der Eröffnung der Leichathletik-WM als "Klaus Köhler - Bundespräsident" bezeichnet. Die ARD entschuldigte sich hinterher - der Schadenfreude der Zuschauer tat das keinen Abbruch.

Peinlich, oder?

Überhaupt scheinen die peinlich-berührten Reaktionen der Verantwortlichen nach jedem - sind wir ehrlich, sehr menschlichen - Fehler schon fast etwas deplatziert; goutiert das Publikum es doch fast schon, wenn sich zu den teils tragischen und dramatischen, teils trockenen Meldungen des Tages hin und wieder auch Situationskomik mischt.

Außer am 3. März 2008. Da mussten alle Freunde der italienischen Oper ganz stark sein. Die Nachricht vom Tod Guiseppe di Stefanos, "einem der größten Tenöre des 20. Jahrhunderts", wurde in der Tagesschau "behandelt". Es war jedoch weniger diese betrübliche Meldung, als vielmehr die elegante Überleitung zum nächsten Thema, die unter den Zuschauern eine kuriose Gefühlsmelange aus Entsetzen und Erheiterung auslöste.

Unter falscher Flagge

Auch in den Tagesthemen bleiben Pannen nicht aus: Daumen drücken für rot-weiß? Oder für rot-schwarz-gold? Achten Sie auf die eingeblendete Flagge. Der ARD war dieser Fehler übrigens ebenfalls ausgesprochen peinlich.

Unangenehm dürfte Tagesthemen-Moderatorin Caren Mioasga auch ein zehnminütiger Ausschnitt gewesen sein, der im Januar dieses Jahres versehentlich in der ARD-Mediathek veröffentlich wurde. Dabei ist sie bei der obligatorischen Schminkprozedur vor der Sendung zu sehen. "Ist schon jemand da? Nein", sagt Miosga, zupft an einer störrischen Locke und übt schon Teile des Textes. Es war aber eben doch schon jemand da - die Zuschauer.

Sie könnten der Nächste sein

Fehlerhafte Einblendungen, Versprecher oder sonstige verzeihliche Pannen sind nicht nur auf die Nachrichtensendungen der ARD beschränkt. Das ZDF warnt mit diesem Beitrag im heute-Journal vor einer wachsenden Gefahr: Immer mehr Bürger würden Opfer von Fisting-Attacken ...

Nachrichtensprecher müssen nicht nur in Deutschland stets mit allem rechnen. Ob nun der Teleprompter ausfällt, die Kollegin einen Lachanfall hat, oder der Chef meint, seinen besten Freund, den Hund, ins Studio mitbringen zu müssen, wie in dieser Szene.

Ähnlich überraschend war das, ...

Der Funke springt über

... was der Moderatorin des Senders RTV passierte. Zum Verständnis nicht unbedingt nötig, dennoch als kleine Stütze diese auszugsweise Übersetzung für alle Leser, die des Englischen nicht mächtig sind: "Wir müssen eine Pause einlegen. Im Studio ist ein Feuer ausgebrochen."

Ein Gläschen in Ehren ...

Wie unterhaltsam eine Nachrichtensendung sein kann, merkt man nicht nur an ihren Patzern - sondern auch an den Dingen, die man als Zuschauer normalerweise gar nicht mitbekommt. Als Mr. Tagesthemen schrieb Ulrich Wickert 15 Jahre lang Geschichte, der populäre Nachrichtensprecher führte ab 1991 als "Erster Moderator" durch die Sendung. 2006 verabschiedete die ARD Wickert mit dem Portrait "Adieu Mr. Tagesthemen". Die Sendung zeigte eine bis dahin nicht ausgestrahlte Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Wickert und dem CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, die sich in Vorbereitung auf ein Schaltgespräch 1997 über Belanglosigkeiten austauschten - so schön kann Smalltalk sein.

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