"Sun" zeigt nackten Harry:Nachgestrippt mit Folgen

Nur einen Tag hielt sich die britische "Sun" an die Warnung des Königshauses, die Nacktfotos von Prinz Harry nicht zu zeigen - jetzt prangt das Original auf der Titelseite. Aber das ist nicht der einzige Skandal, für den sich das Blatt rechtfertigen muss.

Das britische Königshaus hatte die Presse gewarnt: Die Nacktfotos von Prinz Harry sollten nicht veröffentlicht werden. Und die Medien kuschten. Sogar die Sun, die sich sonst für keine noch so skandalträchtige Titelgeschichte zu schade ist, hielt sich daran.

A copy of The Sun newspaper featuring a picture of a naked Prince Harry is seen in a shop in London

Trotz Warnung aus dem Königshaus zierte am Freitag der nackte Prinz Harry das Titelbild der Sun.

(Foto: REUTERS)

Aber so ganz ohne ging es dann doch nicht. Das Boulevardblatt, das zum Imperium des Medienzaren Rupert Murdoch gehört, stellte das Partyprinzen-Bild einfach nach - mit zwei Mitarbeitern. Im Vordergrund ein nackter Mann mit Halskette, die Hände schützend vor den Schritt haltend, hinter ihm ist - wie auf dem Original - nur vage eine Frau zu erkennen. Immerhin, es war nicht der Prinz.

Fast hätte man meinen können, der Abhörskandal um die nun eingestellte Zeitung News of the World und dessen akribische gerichtliche Aufarbeitung um neue Presse-Standards hätten Wirkung gezeigt. Tatsächlich sollen die Redaktionen seit dem Abhörskandal vorsichtiger geworden sein. Mehr noch: Die hohen moralischen Standards, die im Zuge der parlamentarischen Aufarbeitung entwickelt wurden, hätten die Presse "kastriert", zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen früheren Redaktionsleiter von News of the World auf ihrer Internetseite.

Aber nun ist es auch schon wieder vorbei mit der anfänglichen Zurückhaltung und die Sun druckt nur einen Tag nach Bekanntwerden des Skandals Prinz Harrys Nacktfoto doch auf dem Titel ab. Die Zeile dazu: "Heir it is", in Anspielung auf den Thronerben.

Die Sun begründete ihre Entscheidung damit, dass es in dem Fall um die Pressefreiheit und die Information der Öffentlichkeit gehe. Schließlich kursierten die Bilder, die bei einem Urlaub des Prinzen in Las Vegas entstanden waren, seit Tagen auf zahlreichen Seiten im Internet. Die Leser sollten die Möglichkeiten haben, an der "nationalen Diskussion" teilzunehmen, erklärte Sun-Chefredaktionsmitglied David Dinsmore in einem Video.

"Die Fotos haben potenziell Einfluss auf das Image des Prinzen und wie er Großbritannien in der Welt repräsentiert", hieß es in einem Text dazu. Ein moralisches Urteil bilde die Sun sich jedoch nicht. "Für ein Mitglied der Königsfamilie segelt er oft hart am Wind - aber er ist 27, alleinstehend und ein Soldat. Wir mögen ihn."

Aber die Sun steht nicht nur wegen des nun doch veröffentlichten Bildes des Prinzen in der Kritik, sondern auch wegen pikanter Details im Zusammenhang mit dem nachgestellten Foto. So stellten das Bild nicht Models nach, sondern eine 21-jährige Praktikantin aus dem Moderessort und ein Bildredakteur der Zeitung. Und der Vorwurf steht im Raum, die Praktikantin sei dazu gezwungen worden. Das Blatt wehrt sich gegen die Anschuldigungen, den beiden Doubles soll es hingegen "Spaß gemacht haben, zu strippen". Der britische Guardian prangert den Fall jedoch bereits als das typische Vorgehen einer männerdominierten Medienbranche an. Dass nun doch das Original veröffentlicht wurde, mache die Nachstellung des Bildes zu "purer Erniedrigung", die noch dazu völlig unnötig gewesen sei, heißt es hier. Mit der jüngst beschriebenen Vorsicht der Redaktionen nach dem News-of-the-World-Skandal scheint es zumindest bei der Sun nicht weit her zu sein.

Mit der Episode hat das Blatt sich einen Bärendienst erwiesen. Denn statt des feierwütigen Prinzen könnte bald das Murdoch-Blatt selbst im Fokus des öffentlichen Interesses stehen - und sich einmal mehr für mangelhafte moralische Vorgehensweisen verantworten müssen.

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