Der Sturm ist ein laues Lüftchen, zumindest im Vorspann. Da sitzt Julia, Protagonistin der zehnten Staffel Sturm der Liebe, auf einer Blumenschaukel, ihr Kleid flattert, Laub wirbelt dekorativ umher. Die Blätter - oder sind es die Federn eines Taubenpärchens? - haben die gleiche Farbe wie das Kleid: zartrosa. Als wäre das nicht symbolisch genug, ist die Szenerie eingeschlossen von einem goldenen Käfig. Eine Anspielung auf den Plot: Denn Julia liebt Niklas. Doch der hält sie für seine eigene Schwester.
Damit wäre das Konzept der erfolgreichsten europäischen Telenovela eigentlich schon erzählt: überbordende Romantik und jede Menge Intrigen. Am 26. September 2005 strahlte die ARD die erste, knapp 50-minütige Folge Sturm der Liebe aus. Seitdem wurde 34 Mal geheiratet, 20 Mal geschieden, 33 Mal gestorben. Protagonisten und Plot haben sich dabei immer wieder geändert. Gleich geblieben ist der Schauplatz: das fiktive Fünf-Sterne-Hotel "Fürstenhof".
Während die amerikanische Telenovela Jane the Virgin das Genre weiterentwickelt, indem ein Erzähler die amourösen Verwicklungen spöttisch kommentiert, ist die deutsche Variante auch nach zehn Jahren völlig ironiefrei. Die Zuschauer mögen das offensichtlich: Mit dem Fortsetzungsliebesroman am frühen Nachmittag kommt die ARD auf einen Marktanteil konstant über 20 Prozent. Jede Folge wird 120 000 bis 150 000 Mal in der Mediathek abgerufen. Zudem ist Sturm der Liebe einer der wenigen deutschen TV-Exportschlager: In mehr als 20 Länder wurde die deutsche Telenovela verkauft. In Italien läuft sie sogar täglich zur besten Sendezeit um 20.30 Uhr auf dem Privatsender Rete 4.
Gibt's doch gar nicht? Hier schon
Die erfolgreichste Folge war bislang Nummer 304 der ersten Staffel. Darin wird die Heldin am Tag ihrer Hochzeit von ihrer Rivalin entführt. Es geht natürlich um einen Mann, und um das ungeborene Kind der Heldin. Gibt's doch gar nicht? Hier schon: Abstrusitäten gehören zur Telenovela-Logik. So kommt Sturm der Liebe bislang auf 16 Entführungen und 14 Morde.
Bei allem Drama ist das Versprechen einer Telenovela aber die Verlässlichkeit. Im Gegensatz zu Game of Thrones-Anhängern müssen Sturm der Liebe-Fans nie befürchten, ihre Lieblingsfiguren könnten plötzlich sterben. Wer ins Jenseits befördert wird, hat sich in der Regel vorher unbeliebt gemacht beim Zuschauer. Und am Ende ist immer alles gut.
Ja, ein echter, märchenmäßiger Buckel
Was nicht heißt, dass es bis zur Traumhochzeit vor Seekulisse nicht Hindernisse zu überwinden gäbe. "Ein schweres Schicksal lastet auf den Schultern der herzlichen, sympathischen Luisa", verspricht der Pressetext zur nun beginnenden elften Staffel. Das ist wörtlich gemeint: Die neue Protagonistin Luisa hat einen Buckel. Ja, einen echten, märchenmäßigen Buckel. Aber der Telenovela-Gott ist ein gerechter, denn da ist auch noch ein Millionenerbe, von dem die gebeugte Luisa nichts ahnt.
Die Macher wissen, wie man die Zuschauer von Staffel zu Staffel hält. Zwar verlässt das Liebespaar mit dem Happy End traditionell die Telenovela, aber da sind die neuen Protagonisten oft schon eingeführt. So durfte der neue Held Sebastian Julia und Niklas zur Hochzeit gratulieren: "Gut, dass ihr nie aufgehört habt, auf eure gemeinsame Zukunft zu bauen."
Offizieller Start der elften Staffel Sturm der Liebe ist am Donnerstag, 15.10 Uhr, ARD.