Studiogast sorgt für Eklat bei Günter Jauch:Szenen wie beim Castor-Protest

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Damen und Herren in zumeist feinem Zwirn diskutieren über Landes- und Weltpolitik, mal hitzig, aber meist ohne Handgreiflichkeiten. So verläuft der ARD-Talk von Günter Jauch in der Regel. Nicht so jedoch am gestrigen Sonntag: Ein Studiogast stört die Gesprächsrunde - und wird wild strampelnd und unter lautstarkem Protest aus dem Studio getragen.

Johanna Bruckner

Normalerweise hat es Günter Jauch in seiner ARD-Talkshow maximal mit hitzigen Wortgefechten zu tun - am gestrigen Sonntag kam es in seinem Studio jedoch zu Handgreiflichkeiten. (Foto: dpa)

55 Jahre ist Günter Jauch alt. Ein gestandener Moderator, der mittlerweile aber nur noch selten aufstehen muss. Den doch recht bewegungsintensiven Job bei Stern TV hat Jauch einem Jüngeren überlassen und genießt heute im Stuhl des Quiz- bzw. Talkmasters seinen TV-Lebensabend. Am Sonntagabend ist es mit der gemütlichen Gesetztheit jedoch zeitweise vorbei. Ein Mann versucht, die öffentliche Bühne von Jauchs ARD-Sendung für seine politische Agenda zu nutzen - und der Gastgeber ist mit einem Mal nicht nur auf den Beinen, sondern auch als diplomatischer Mediator tatsächlich gefragt. Zum ersten Mal an diesem Abend.

Jauchs Sonntags-Talk zur Wahl in Schleswig-Holstein (Thema: Wahlschlacht, die Erste - Piraten entern, Liberale im Aufwind) neigt sich dem Ende, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat zu einem seiner letzte Wortbeiträge angesetzt, als sich ein Zuschauer ungefragt ins Gespräch einklinkt. Was genau das konkrete Anliegen des Mannes ist, bleibt zunächst unklar: Denn während der Moderator und seine Gäste noch verdutzt in die auf sie gerichteten Kameras blicken, sind Mitarbeiter der Sendung offenbar schon dabei, den Störenfried aus dem Studio zu entfernen.

Zunächst sind nur die Geräusche eines Handgemenges zu hören. Doch die Kommentierung der für den Zuschauer zunächst unsichtbaren Geschehnisse - "Vorsicht, vorsicht, oh weia!" (Grünen-Politikerin Renate Künast) - lässt schon erahnen, dass hier nicht eben zimperlich mit dem unerwünschten Mitdiskutanten verfahren wird. Als sich die Kameras dann dem Geschehen zuwenden, liefern sie Bilder wie von einer Castor-Blockade: Ein wild strampelnder Mann wird unter lautstarkem Protest weggetragen.

Stehend keine Ideal-Figur

Wie wenig diese Eindrücke zum gediegenen Image seiner Sendung passen, ist wohl auch Jauch bewusst. Der Moderator hat zwar durchaus gute Erfahrungen mit dem Aussitzen unvorhergesehener Situationen gemacht: Für seine Moderation des "Torfalls von Madrid" - als 1998 Fans vor Anpfiff des Champions-League-Halbfinales Real Madrid gegen Borussia Dortmund auf den Rasen stürmen und ein Tor zu Fall bringen, moderieren Marcel Reif Günther Jauch weiter - bekam er den Bayerischen Fernsehpreis verliehen. Doch an diesem Abend hält es den 55-Jährigen nicht im Sessel. Er verlässt seinen Posten auf dem Podium und eilt den Ereignissen hinterher in die dunklen Weiten des Studios.

Stehend macht er zunächst keine Ideal-Figur: Seine zaghaften "Entschuldigung"- und "Halt"-Rufe verhallen. Mit Verspätung verschafft sich Jauch schließlich Gehör: "Holen Sie denn Mann bitte zurück, hier wird keiner einfach aus der Sendung wie in der Ukraine rausgehauen."

Zurück im Sessel lässt sich der Moderator von seinen geladenen Gästen erst einmal über das Anliegen des ungebetenen Gastes aufklären. Dieser, so erläutert Wowereit, habe wohl seinen Unmut über die ungewisse Zukunft der Ernst-Busch-Schauspielschule in der Hauptstadt kundtun wollen. Der Neubau der renommierten Institution war vom Berliner Senat zunächst beschlossen, dann aber vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses gestoppt worden.

An einer ausführlichen inhaltlichen Diskussion ist Jauch zu vorgerückter Stunde jedoch nicht mehr interessiert. Er nutzt lieber die verbleibenden Sendungsminuten, um die vorangegangenen Bilder zu entschärfen. "Ich möchte sichergestellt haben, dass der Mann hier nicht mit drei Leuten im Schwitzkasten rausgeführt wird", weist er an. "Können Sie sich bitte kümmern, dass mit dem vernünftig umgegangen wird und er wieder frei rumlaufen kann!" Können sie - und kann er: Kurz darauf kehrt der Störenfried zurück ins Studio.

Dort ist Jauch längst wieder Herr der Dinge. Milde weist er den jungen Mann zurecht und auf die lokal beschränkte Relevanz seines Anliegens hin. Der Abend endet schließlich, wie er begonnen hat: mit routiniertem Aussitzen.

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