Streit um Lizenzsumme:Ihr wollt es doch auch

Deutscher Kabarett-Preis

Der Kabarettist Michael Ehnert hat Streit mit dem NDR.

(Foto: dpa)

Ein Kabarettisten-Paar fühlt sich vom NDR ausgebeutet. Der Sender bestreitet das und sieht ein "Missverständnis".

Von Silke Burmester

Es gibt Zeitungen und Magazine, die verweisen angesichts fragwürdig niedriger Honorare auf den angeblichen Werbeeffekt, den es für freie Journalisten habe, darin zu publizieren. Nun soll auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) dieses eigenartige Verständnis von Geben und Nehmen seinem Bemühen, das Kabarettprogramm "Zweikampfhasen" des Ehepaars Jennifer und Michael Ehnert ins Fernsehen zu bringen, zugrunde gelegt haben.

Michael Ehnert ist ein vielfach ausgezeichneter Kabarettist und dem NDR auch als Schauspieler und indirekt als Drehbuchschreiber seit rund 25 Jahren geschäftlich verbunden. Er wirft dem Sender vor, für die Aufzeichnung des Bühnenprogramms im Elmshorner Theater statt eines Honorars einen "Werbeeffekt" in die Waagschale geworfen zu haben. Die Gesprächspartner der NDR-Abteilung "Planung, Entwicklung, Innovation" hätten deutlich gesagt, Geld gebe es nicht und argumentiert, die Ehnerts würden das Stück doch sowieso spielen, da könne man es auch mitschneiden. Darüber hinaus hätten sie die Kabarettisten mit dem Angebot zu locken versucht, dass diese Zusammenarbeit eventuell der Einstieg in eine "weitergehende, zukunftsweisende Zusammenarbeit mit dem NDR" sein könne.

Diesen Vorwurf setzte Ehnert am 17. Januar mittels eines offenen Briefes an den Intendanten Lutz Marmor in die Welt - und dank der sozialen Medien bebt seither die Erde im Kleinkunstland.

Der NDR bestreitet, er habe kein Honorar zahlen wollen, nur habe die Höhe den beiden nicht gepasst

Der NDR bestreitet den Vorwurf und spricht von einem Missverständnis. In einer Stellungnahme zum offenen Brief durch den Programmbereichsleiter Jan Schulte-Kellinghaus heißt es, man habe sehr wohl zahlen wollen, nur habe die Höhe der "Lizenzsumme" den Ehnerts nicht gepasst. Eine Lizenzsumme ist die Gebühr für die Nutzungsrechte, oft werden auch die Honorare für die künstlerische Leistung unter ihr subsumiert.

Das Ehepaar Ehnert und deren Managerin halten dagegen: Es habe seit 1999 bereits sieben Aufzeichnungen eines Ehnert-Programms durch den NDR gegeben. Von der dafür üblichen fünfstelligen Summe sei man auch bei "Zweikampfhasen" ausgegangen. So wurde das Textbuch verschickt, Produktionsbesprechungen hätten stattgefunden, und erst im Zuge der technischen Vorbesichtigung in Elmshorn habe man erfahren, dass der NDR nicht vorhabe, ein Honorar zu zahlen. Auch von einem Gespräch mit dem Abteilungsleiter Marco Otto wie mit dem zuständigen Redakteur berichtet Michael Ehnert, die gesagt haben sollen, dass sich andere Künstler durchaus bereitwillig auf einen solchen Deal einließen und auch Namen nannten.

Aktuell steht Aussage gegen Aussage. Der NDR hat keinen Schriftverkehr über das Honorarangebot, kann sich also nicht glaubwürdig von dem Vorwurf befreien. Schulte-Kellinghaus: "Es ist nicht Politik des NDR, grundsätzlich keine Lizenzgebühren zu zahlen." Das Wort "grundsätzlich", das der promovierte Jurist in seinem offiziellen Statement untergebracht hat, mutet eigenartig an, lässt es doch die Möglichkeit offen, diese ab und zu mal nicht zu zahlen. Ob dies beabsichtigt ist, ließ sich nicht verifizieren, Schulte-Kellinghaus ist aktuell in Asien, und Programmdirektor Frank Beckmann war am Dienstagvormittag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Michael Ehnert hat laut NDR das Angebot vom 18. Januar, noch einmal über die Lizenzgebühr zu verhandeln, nicht wahrnehmen wollen. Gleichwohl stellt ihn die Replik des Fernsehmannes nicht zufrieden. "Urheberrechtlich relevante Leistungen müssen angemessen vergütet werden, das verlangt § 32 des Urhebergesetzes. Sie können nicht mit Werbeeffekten oder der Aussicht auf zukünftige bezahlte Arbeiten vergütet werden. Dazu sollte Lutz Marmor sich unmissverständlich bekennen."

Unter den Reaktionen in den sozialen Medien finden sich auch die anderer Künstler und Kreativer. Sie gratulieren den Ehnerts zu diesem "mutigen" Schritt und hoffen auf einen siegreichen Kampf. Sie in ihrem Vorhaben zu stärken und von ähnlichen unmoralischen Angeboten zu berichten - so weit geht die Solidarität aber doch nicht. Nur unter den weniger bekannten lassen sich Statements finden, die darauf hindeuten, dass die Idee, jemand könnte seine Arbeit honorarfrei zur Verfügung stellen, womöglich kein Einzelfall ist.

Das gewünschte Bekenntnis wird Ehnert laut NDR-Sprecher Martin Gartzke vom Intendanten nicht bekommen. Dafür melden sich freie NDR-Mitarbeiter bei dem Kabarettisten, die berichten, dass NDR-Redakteure Kontakt zu ihnen aufgenommen hätten. Um ihr Befremden zu äußern, dass sie den offenen Brief in den sozialen Medien geteilt hätten. Am Sonntag bekam Ehnert außerdem eine E-Mail von Youtube. Der Showreel, ein Film mit Arbeitsproben für Castingagenturen, der den Darsteller Ehnert 43 Sekunden lang in einem NDR-Til-Schweiger-Tatort zeigt, wurde gesperrt. Von der ARD. Aus "urheberrechtlichen Gründen".

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