Streit um BR-Klassik:Jung gegen Alt

Streit um BR-Klassik: Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendungen, das waren nach dem Krieg die wichtigen Informationsquellen; im Bild das Radio-Archiv des Bayerischen Rundfunks.

Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendungen, das waren nach dem Krieg die wichtigen Informationsquellen; im Bild das Radio-Archiv des Bayerischen Rundfunks.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit dem Plan, den UKW-Sendeplatz seines Klassikradios an das Musikformat "Puls" für Jugendliche zu vergeben, beschwört der Bayerischen Rundfunk einen überflüssigen Konflikt zwischen den Generationen herauf. Dabei gäbe es durchaus andere Möglichkeiten für eine Neustrukturierung des Programms.

Ein Kommentar von Claudia Tieschky

Mit dieser Zukunft ist etwas faul. Das haben die Hörer im Gefühl, die sich jetzt über den Bayerischen Rundfunk empören. Ihr Gefühl trügt nicht. Da kann der BR noch so oft behaupten, es sei richtig, dass BR Klassik seinen UKW-Platz an das Jugendprogramm Puls abgeben und ins Digitale weichen soll. Man müsse etwas für die Jugend tun, heißt es, die älteren Klassikhörer könnten von digitaler Tonqualität besonders profitieren. Beides richtig.

Und doch ein falscher Plan. UKW ist der große öffentliche Park des Radios. Vor einer der fünf BR-Bänke in diesem Park, den fünf Radioprogrammen dort, stehen jetzt junge Leute herum und warten, dass die älteren Klassikfreunde aufstehen und Platz machen. Die ärgerliche Wahrheit ist, dass der BR von einem optimalen Angebot für alle redet, aber dabei ohne Not Jung und Alt gegeneinander ausspielt - und das in einer Gesellschaft, die sich über die Rente mit 63 entzweit und über das Wohlstandsgefälle zwischen Großeltern und Enkeln.

Der UKW-Plan Jugend gegen Klassik macht aus der Frequenzpolitik des BR einen Schauplatz des Generationenkonflikts par excellence. In der BR-Argumentation ist die Rede von älteren Klassikhörern, die schon jetzt digital gut ausgestattet sind: fit für die Umstellung, lauter wohlhabende Bildungsbürger. Die Jungen kommen so automatisch in die Lage von Unterprivilegierten, und um eine Stimme zu bekommen, müssen sie erst die Kultur der Alten stürzen. Die Rollen sind wie aus dem Handbuch der Klischees verteilt. Das ist kontraproduktiv. Es stiftet Unfrieden. Es ist gesellschaftlich fahrlässig. Die Empörung, die dem BR entgegenschlägt, hat er auf ungeschickteste Weise selber angezettelt.

Überflüssige Konkurrenzsituation

Was in der Debatte gar nicht vorkommt: Der BR hat natürlich nicht nur eine UKW-Frequenz, um die sich Junge und Ältere streiten müssten. Die Konkurrenz zwischen dem nicht-kommerziellen Programm Puls, das auf sympathische Weise junge bayerische Bands fördert, und den Klassikfreunden, die eine bedrohte Hochkultur pflegen, ist künstlich, und sie ist überflüssig. Wenn der BR wirklich Ernst machte, könnte er Jugend und Bildungsanspruch der Klassik selbstverständlich auf fünf UKW-Plätzen unterbringen.

Er müsste nur bei den Unterhaltungsprogrammen Platz schaffen, bei Bayern 1 oder Bayern 3, den Programmen mit austauschbarer Massenware. Doch dort läuft Werbung, die Einnahmen bringt. Beide Programme ließen sich genau wie die Klassikwelle in das angeblich so zukunftsträchtige Digitalradio verschieben. Aber es würde Geld und Marktanteile kosten. So weh soll das Jüngerwerden dann wohl doch nicht tun.

Es ist schon ziemlich auffällig, dass alle bei ARD und ZDF auf einmal neue Jugendprogramme planen. Ein Grund: Die Rundfunkabgabe für alle ist daran geknüpft, dass es auch Programm für alle gibt. Ein Rundfunk aber, der von der gesamten Gesellschaft zwangsalimentiert wird, darf die Generationen erst recht nicht als Rivalen vorführen. Jung gegen Alt, das ist nicht die Zukunft.

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