SPD-Kanzlerkandidat bei "Günther Jauch":Kantig bei Kritik, locker beim Lieblingsthema

Peer Steinbrück spricht bei "Günther Jauch" über seine Nebeneinkünfte, entschuldigt sich bei Andrea Nahles und vergisst bei alldem nicht, seine Kantigkeit zu betonen. Eine Eigenschaft, die Sympathien bringt - die ihn aber am Ende den Wahlsieg kosten könnte.

Felicitas Kock

Vor kurzem hat Peer Steinbrück gesagt: "Wahlkampf kann sehr spannend und teilweise auch spaßig sein." Im Kandidatencheck bei Günther Jauch zeigte der designierte SPD-Kanzlerkandidat über weite Strecken des Gesprächs, was er damit meint - wobei er mehr die Spannung als den Spaß betont.

Ein gut vorbereiteter Jauch lieferte sich ein ausgezeichnetes Frage-und-Antwort-Spiel mit Steinbrück. Sein häufiges Nachhaken half, die wohl wichtigste Frage des Abends ein Stück weit zu erhellen: Wie groß ist Kandidat Steinbrück wirklich? Hat ihm die - noch offiziell zu bestätigende - Kür zur Kanzlerhoffnung der SPD zusätzliche Größe verliehen? Oder macht ihm die Aufregung um seine Person, machen ihm die Vorwürfe der vergangenen Tage, bereits zu schaffen?

Beides ist der Fall. Steinbrück scheint seit der Bekanntgabe seiner Kandidatur ein beträchtliches Stück gewachsen. Der oft als arrogant bezeichnete Politiker blickt sichtlich stolz auf die vor ihm liegende Aufgabe. Gleichzeitig rücken mit der zusätzlichen Aufmerksamkeit auch seine negativen Eigenschaften in den Blick.

Günther Jauch spricht mit Peer Steinbrück

Großer Kandidat - doch auch einer, der siegen kann? SPD-Politiker Peer Steinbrück bei Günther Jauch.

(Foto: dpa)

Bestes Beispiel ist Steinbrücks Umgang mit der Kritik an seinen Nebeneinkünften. Zwar bekräftigte er im Gespräch mit Jauch alle Daten und Honorare offenlegen zu wollen (mit der Einschränkung, dass er aus Rücksicht auf privatrechtliche Verträge nur Durchschnittswerte angeben könne). Jedoch bezeichnete er die Vorstellung vom gläsernen Abgeordneten als "Horrorvision". Berichte über die Höhe seiner Honorare nannte er - ohne selbst eine Größenordnung angeben zu wollen - "wahnsinnige Spekulationen". Und den Vorwurf einer Nähe zur Bankenlobby wies er als "absurd und dämlich" zurück.

Lästige Fragen

Diese Wortwahl mag "kantig" sein, wie Steinbrück es selbst gerne nennt, mehr wie eine raue Bergspitze als wie ein geschliffener Kiesel. Doch es klingt vor allem, als wären ihm die Fragen nach seinem zusätzlichen Verdienst lästig, als sei er darüber erhaben. Mit Kritik umzugehen, ohne sich zu harten Worten hinreißen zu lassen, hat er noch nicht gelernt.

Selbst wenn der Kandidat späte Einsicht zeigt, rettet ihn das nicht. In Jauchs Sendung ruderte der Sozialdemokrat bezüglich der Äußerung zurück, sein Leben wäre ohne SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles "genauso reich wie heute". "Der Satz tut mir leid und ich entschuldige mich dafür", sagte Steinbrück. Der Wahlkampf werde selbstverständlich zusammen mit dem Willy-Brandt-Haus und der Generalsekretärin geführt - auch wenn er plane, in vier bis acht Wochen eine Riege eigener Leute für sein Wahlkampfteam vorzustellen.

Peer Steinbrück hat sich zu einer Entschuldigung durchgerungen, das ist bemerkenswert. Aber wer will schon einen Bundeskanzler, der unüberlegt Dinge sagt, für die er sich später entschuldigen muss?

Steinbrücks Alleinstellungsmerkmal

Souverän und ohne zu frotzeln spricht Steinbrück nur bei seinen Lieblingsthemen, den Finanzen: Er will Einkommen, Kapitaleinkünfte und hohe Vermögen höher besteuern. Er ist für die Rente mit 67, aber auch dafür, "dass eine Brücke gebaut wird zu den Menschen, die nicht bis dahin arbeiten können".

Und er will die Erwerbsarmut bekämpfen - durch einen Mindestlohn, durch gleiche Bezahlung für Männer wie für Frauen, für Festangestellte wie für Leiharbeiter. Immer wieder betont er den Zusammenhalt in der Gesellschaft, der gestärkt werden müsse und der durch die aktuelle Regierung vernachlässigt werde.

Am Ende geht es auch um die Schuldenkrise in Europa. Steinbrück hat sich hervorgetan als Finanzminister in der großen Koalition, als er an der Seite Angela Merkels gegen die ersten Ausläufer der Krise kämpfte. Jetzt gehe es ihm vor allem darum, den Griechen eine Perspektive zu geben "wie sie wieder Wind unter die Flügel bekommen". Die Regierung Merkel habe diesen Aspekt zu lange ignoriert.

Der Kandidat präsentiert sich als Mann mit Ecken und Kanten - seiner Meinung nach sein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit Merkel. "Niemand wird behaupten ich sei rundgeschliffen", sagt er "das ist vielleicht ein kleiner Vorteil ihr gegenüber." Über die Kanzlerin sagt Steinbrück: "Merkel ist eine sehr gute Pilotin in einem Flugzeug (...) man ist ganz beruhigt. Aber man weiß nicht, wo man mit ihr landen wird".

Am Ende des "Kandidatenchecks" bei Jauch lässt sich festhalten: Peer Steinbrück ist in vielen Aspekten ein großer Kandidat. Er kann Finanzen, er kann sozial und er hat rhetorisch einiges zu bieten. Doch während er sich als Finanzminister möglicherweise den einen oder anderen Spruch erlauben durfte, ist es fraglich, inwiefern er sich das als Kanzlerkandidat noch leisten kann - und ob sich die Wähler in Krisenzeiten vielleicht vor allem eine sehr gute Pilotin wünschen.

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