Servus TV zeigt Eishockey-Spiele:Live aus dem Torraum

Servus TV zeigt künftig die Spiele der Deutschen Eishockey-Liga - komplett in HD, mit 14 Kameras und live aus den Kabinen. Ein Aufwand, wie er sonst nur beim Fußball üblich ist. Eine ziemlich gewagte Idee.

Michael Neudecker

Natürlich gab es Widerstand am Anfang, es gab eine Abstimmung, per Handzeichen, alle Trainer und Kapitäne waren da, und fast alle waren dagegen. So war das vor zwei Jahren, als der Sender Servus TV seine Pläne für die Übertragung der österreichischen Eishockey-Liga vorstellte: Kameras in den Kabinen, Mikrofone bei Trainern und Spielern, die Fernsehmacher sprachen von ganz neuen Dimensionen. Wie Fernsehmacher eben sprechen.

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Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz will mit einer im deutschen Fernsehen chronisch unterrepräsentierten Disziplin neue Zuschauer für Servus TV gewinnen.

(Foto: dpa)

Es ist als glücklich zu werten, dass sich die Leute von Servus TV letztendlich durchsetzten, jedenfalls, was die Kabinenkameras und die Mikrofone angeht. Die verkabelten Spieler nannten sie "cable guys", und es sind jetzt ein paar sehr unterhaltsame Aufzeichnungen dieser "cable guys" gesichert, zum Beispiel jene des inzwischen 37-jährigen Wiener Torhüters Reinhard Divis, der einmal den Schiedsrichter zu sich bestellte und aufgebracht in tiefstem Wienerisch sagte: "Du, was soll i tuan außer im Torraum steh'? Die foahrn mi jedes moi zamm und du lasst weitaspün!" Und dann dem Schiedsrichter, der sich wortlos abwendete und davon fuhr, hinterher rief: "Schamst di du ned?"

Problem Suchlauftaste

Gut möglich, dass es so etwas auch bald in Deutschland gibt, wenn auch bedauerlicherweise ohne Reinhard Divis. Anfang vergangener Woche wurde bekannt, dass Servus TV im Zuge der Neuvergabe der Senderechte der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) künftig die Spiele der höchsten deutschen Eishockey-Spielklasse übertragen wird: Immer sonntags wird der österreichische Kanal, der zum Reich des Red-Bull-Erfinders Dietrich Mateschitz gehört, ein Live-Spiel zeigen. Der Münchner Rechtehändler Sportsman Group hat den Bezahlsender Sky als Rechteinhaber abgelöst, der Vertrag läuft bis 2016; Sky bezahlte den 14 Klubs pro Saison rund drei Millionen Euro, der neue Vertrag dürfte etwa die gleiche Summe einbringen, und Servus TV als Partner der Sportsman Group wird das Gesicht dieses Vertrags sein.

Es ist ungewöhnlich, dass ein österreichischer Sender die Rechte an einer deutschen Sportliga kauft. Aus Sicht von Martin Blank aber ist das nur logisch: "Eishockey hat ein riesen Potential". Er ist Geschäftsführer von Servus TV, und mit dem Deal erhofft sich Blank nichts weniger, als seinem Sender in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Es stört ihn kaum, dass das eine ziemlich gewagte Idee ist.

Eishockey? Ein geiler Sport

Seit 2009 ist Servus TV auf Sendung, deutschlandweit können inzwischen rund 80 Prozent der Zuschauer über Satellit, Internetprotokoll oder Kabel theoretisch Servus TV empfangen. Das Problem ist nur, dass Fernseher eine Sendesuchlauftaste haben: Tatsächlich eingestellt haben Servus TV bislang deutlich weniger. Als Argument für die Einprogrammierung liefert der Sender immerhin ein Angebot irgendwo zwischen 3sat und Arte: hohe Qualität für ein ausgewähltes Publikum; in die Talksendung Hangar 7 kommt auch mal der Dalai Lama als Gast.

Deutschland ist der wichtigste Markt für den Sender, denn Österreich ist ein kleines Land. Der Marktanteil allerdings liegt noch im nicht erwähnenswerten Bereich. Damit sich das ändert, gibt es seit Monaten Plakataktionen in deutschen Großstädten, es gibt Zeitungsanzeigen, und es gibt jetzt, nun ja: Eishockey.

Warum Eishockey? "Weil es ein geiler Sport ist", sagt Blank, es rutscht einfach so aus ihm heraus. Mit Eishockey kennt man sich bei Servus TV aus, das auch, und die Rechte waren gerade verfügbar. Blanks Plan ist: Mit Sportübertragungen, die man in dieser Art in Deutschland bislang - wenn überhaupt - nur vom Fußball kennt, sollen die sportbegeisterten Deutschen gewonnen werden, die auch mal etwas anderes sehen wollen. Die Klagen vieler sportinteressierter Zuschauer, alles außer Fußball sei in der deutschen TV-Landschaft chronisch unterrepräsentiert, hat man auch in Wals vernommen, am Firmensitz von Servus TV im Salzburger Land.

Handtuch über die Kamera

Damit der Plan aufgeht, nimmt Red Bull für Servus TV viel Geld in die Hand: Gefilmt und produziert wird komplett in HD, beim Livespiel werden die Stadien mit 14 Kameras ausgestattet, zudem bekommt jeder Klub zwei HD-Kameras gestellt, mit denen er mit einem eigens zu engagierenden Team jedes seiner Spiele filmen muss. Das Rohmaterial wird dann an die Sportsman Group geschickt, die wiederum über die in Österreich beheimatete Internetplattform laola1.tv Spielberichte jeder Partie zur Verfügung stellt.

"Diese Qualität", sagt Karl Wieseneder, Geschäftsführer von laola1.tv, "is' einfach da Wahnsinn." In der Tat verspricht der Sender einen Aufwand, wie er im deutschsprachigen Raum bislang nur im Fußball betrieben wird. Zum Einsatz kommt etwa das Analysetool "Piero", mit dem das Bild in 3D beliebig gedreht und verändert werden kann. Wie genau die Übertragung aussehen wird, ist allerdings noch nicht ganz klar, man prüfe derzeit, was in Deutschland machbar sei, sagen Blank und DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke. Sie meinen: Was die Klubs akzeptieren.

In Österreich jedenfalls ist die Totalüberwachung inzwischen Teil des Alltags. Bei den Fans besonders beliebt sind die Kameras in den Kabinen, die - wenngleich ohne Ton - live zeigen, wie der Trainer seine Spieler anbrüllt, wie verletzte Spieler behandelt werden, solche Sachen. Die Klubs haben offiziell das Recht, ein Handtuch über die Kamera zu hängen, wenn es mal geheim zugehen soll. Aber das, heißt es, sei in der vergangenen Saison nur sehr selten vorgekommen.

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