Serienfinale "Downton Abbey":Abschied vom Adel

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Klare Verhältnisse: Der gesellschaftliche Stand lässt sich bei Lord Grantham (Hugh Bonneville, vorne, 2. v.l.) in Downton Abbey an der Sitzordnung ablesen. (Foto: Sky Atlantic/Carnival)

Nach sechs Staffeln endet die britische Erfolgsserie "Downton Abbey" mit einer Weihnachtsfolge - und einigen spannenden Wendungen.

Von David Pfeifer

Alles endet irgendwann. Die schönen Dinge häufig zu früh. So kommt auch die Serie Downton Abbey zum Jahreswechsel zu ihrem lang angekündigten Finale. Und da darf man ruhig ein wenig traurig sein, wenn die letzte Folge, das traditionelle Weihnachts-Special, am 25. Dezember im britischen Fernsehen laufen wird. Danach ist Schluss, wir werden die Geschicke der englischen Adelsfamilie Crawley und ihrer Dienerschaft nicht mehr weiter verfolgen dürfen. Wie in jeder guten Serie hat man die Schicksale der Hauptfiguren nicht nur verfolgt, sondern mitgefiebert, gelitten, sich identifiziert und vielleicht auch mal tagsüber bei der Arbeit gefragt, wie es nun wohl weiter gehen wird?

Immerhin, so viel darf verraten werden: Die Zuseher dürfen sich bis zum Schluss über eine Reihe erbaulicher Wendungen freuen, Konflikte werden aufgelöst, Gefahren verfliegen. Die Liebe, der Anstand und sogar das sogenannte Gute triumphieren häufig und das passt doch in diese Jahreszeit. Außerdem zeigen die letzten acht Folgen und das Weihnachts-Special noch einmal eindrücklich, warum Downton Abbey im Kultur-Kanon der guten TV-Serien eine Besonderheit war.

Die ebenfalls erstklassigen Erzählungen Breaking Bad, The Walking Dead, True Detective, Fargo, Game of Thrones und House of Cards - um wirklich nur einige zu nennen - konzentrierten sich nämlich allesamt aufs Gegenteil: auf das Böse.

Nicht abgeschlagene Köpfe, sondern Fünf-Uhr-Tee

In The Walking Dead müssen die Überlebenden gegen Zombies kämpfen, um bald festzustellen, dass die anderen Überlebenden die wahren Feinde sind. In House of Cards ist Anstand nur ein Hindernis auf dem Weg zu Macht. Und wer sich in Game of Thrones verliebt, der verliert sehr wörtlich den Kopf oder wird sonstwie hingemetzelt. Die Qualität der Serien schmälert das nicht. Alle deklinieren sie die ewige Frage durch: Wie würde man selbst sich in der gleichen Situation verhalten? Und bereichern damit das eventuell etwas farblosere Leben ihrer Zuseher.

Nur geht es bei Downton Abbey, erdacht von Julian Fellowes, eben nicht um Intrigen, Abgründe und abgeschlagene Köpfe, sondern um Fünf-Uhr-Tee, die Jagd am Wochenende und natürlich um Liebende, die häufig über Umwege zueinanderfinden. Immerhin spielt die Serie in England zwischen 1914 und 1925, das Klassensystem ist noch voll intakt, da bauen sich Hürden auf, die man heute kaum mehr nachvollziehen kann. Das Faszinierendste an der Serie ist, dass man trotzdem mitfiebert, wie es weitergeht.

Geld und Titel alleine machen auch in der Serie nicht glücklich. Das bekommen auch die Hausherrin (Elizabeth McGovern, u. l.) und Tochter Edith (Laura Carmichael) zu spüren. (Foto: Sky Atlantic/Carnival)

Die Handlung der insgesamt sechs Staffeln bis zum jetzigen Finale in ihren Feinheiten nachzuerzählen, wäre ebenso mühevoll wie sinnlos. Alleine die Adelsnamen führen zu einiger Verwirrung, etwa so wie in dem Loriot-Sketch Die Inhaltsangabe, in dem Evelyn Hamann versucht, die Handlungsstränge einer englischen Serie zusammen zu fassen ( auf Youtube mit den Suchbegriffen "Loriot" und "Inhaltsangabe" zu finden). Hamann scheitert an den ungewöhnlich betonten englischen Vokalen, den Ortsnamen, den Titeln und dem th-Laut, bis sich ihre Zunge verknotet.

Die Dekadenz der englischen Oberschicht ist nicht mehr zu übersehen

Der Sketch bezog sich auf die Serie Das Haus am Eaton Place, dem Vorläufer von Downton Abbey. Beide Serien bedienen sich des gleichen Kniffs: Die Angehörigen der Adelsfamilie oben leben und handeln zwar anders als ihre Bediensteten in den unteren Stockwerken. Aber sie fühlen ähnlich. Manchmal ersticken die Privilegierten an den Regeln, die ihr gesellschaftlicher Stand mit sich bringt. Manchmal scheint es, als können die Ärmeren freier leben und entscheiden, weil sie weniger zu verlieren haben. Wie absurd zufällig dieses Fortpflanzungs-Bingo ist, wird dabei immer wieder mal angesprochen. So spiegelt sich die oberste in der untersten Klasse und über allem schwebt die simple Formel: Geld und Titel genügen nicht - glücklich macht einen letztlich nur Glück.

In der letzten Staffel von Downton Abbey ist die Dekadenz der englischen Oberschicht im Jahr 1925 nicht mehr zu übersehen. Lord Crawley (Hugh Bonneville) wird einige seiner Angestellten entlassen müssen. Thomas (Rob James-Collier), ein homosexueller Diener, der schon aufgrund seiner Neigung keinen einfachen Stand während der gesamten Serienlaufzeit hatte, muss sich einen neuen Job suchen. Bei einem Vorstellungsgespräch gerät er an einen verarmten Lord, der ihn durch leere Gesellschaftsräume führt, von der Vergangenheit schwärmt und sich mit Hilfe eines neuen Butlers darauf vorbereiten will, dass die alten Zeiten wiederkehren. Thomas und der Zuseher wissen natürlich, dass die Zeiten vergangen bleiben.

Daraus bezieht Downton Abbey seine Spannung, die eben unspektakulär daherkommt, ohne Monster und Totschlag: Abschied ist das große, die gesamte Serie überwölbende Thema. Da Glück kein Zustand ist, sondern viel eher nur eine kurze Verschnaufpause im Leben, versuchen vor allem Lord Crawley und sein Chef-Butler Carson (Jim Carter) das Jetzt zu bewahren. Da stellt schon ein uneheliches Kind oder das langsam versiegende Familienvermögen eine Bedrohung dar, von einem Autounfall ganz zu schweigen.

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Gelegentlich schrammt Downton Abbey dabei am Kitsch. Aber manchmal ist Kitsch nur ein Schmähwort für Sentimentalität. Denn natürlich kann nichts so bleiben, wie es ist. In der Serie genauso wenig wie im echten Leben.

Maggie Smith ist der heimliche Star der Serie, beherrscht ganze Szenen mit einem Kopfschütteln

Manchmal zeigt sich der Zeitenwandel in Downton Abbey auch sehr unterhaltsam, wenn beispielsweise über die Anschaffung eines Radios debattiert wird und der aufmerksame Zuseher nicht überhören kann, dass die Argumente sich wiederholen: was 1920 das Radiogerät an Diskussionen auslöste, war später der Fernseher und wäre heute vermutlich das Smartphone. Der Hausherr sorgt sich, dass die Familie nicht mehr miteinander sprechen wird und alle verdummen.

Dass die Serie es mit diesen vergleichsweise alltäglichen Problemen schafft, die Zuseher zu fesseln, liegt auch an der detailverliebten Ausstattung, an den starken Dialogen und an den erstklassigen Schauspielern. Besonders Maggie Smith als Grande Dame des Hauses ist der heimliche Star von Downton Abbey. Obwohl sie eine Nebenrolle spielt, beherrscht sie ganze Szenen mit nur einem indignierten Kopfschütteln oder einer schnippischen Bemerkung. Damit schafft die 81-Jährige, was zuletzt vielleicht der jungen Pamela Anderson in den 1990er-Jahren im Badeanzug in Baywatch gelungen ist: Man freut sich jedes Mal, wenn Smith als Tante Violet mit Stock und Hut und spitzenverziertem Kleid ins Bild kommt. Smith erschafft Szenen, die in der Erinnerung haften bleiben, auch wegen ihr ist es ein bisschen traurig, dass die Serie nun endet. Immerhin schenkt sie ihren Zusehern zum Abschied noch ein paar sehr schöne Momente.

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In der letzten Folge vor dem Weihnachtsfinale muss es zu einer Aussprache zwischen den ewig zankenden Schwestern Lady Mary (Michelle Dockery) und Lady Edith (Laura Carmichael) kommen. Edith, die Jüngere, erweist sich dabei als die Klügere, als sie der Älteren erklärt, warum sie trotz Marys Bosheiten immer wieder auf sie zugeht: "weil wir eines Tages die Einzigen sein werden, die sich noch an Mama und Papa erinnern können. An Tante Violet und Carson oder an all die anderen Menschen, die wir einmal geliebt haben. Bis unsere gemeinsamen Erinnerungen eines Tages mehr wert sein werden als unsere gegenseitige Abneigung".

Es geht also auch in der letzten Staffel von Downton Abbey darum, möglichst viele glückliche Momente zu schaffen, um die Erinnerung zu bereichern. Und das ist ja auch ein gutes Motto für diese Jahreszeit.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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