Serien-Ableger:Lieblingsgericht

Nach "The Good Wife" gibt es nun "The Good Fight": Die Serie ist ein Fest für Fans des Originals - und toller Schauspieler wie Christine Baranski, die Figuren mit großer Anziehungskraft erschaffen.

Von David Denk

Alicia ist nicht da. Aber weit weg kann sie nicht sein. Irgendwann fragt mal jemand nach ihr, zu Beginn von The Good Fight, und sie könnte ja wirklich jederzeit hereinspaziert kommen. Schließlich ist das hier ihre Stadt, ihre Welt, in die man von diesem Dienstag an auch als deutscher Pay-TV-Zuschauer zurückkehren kann. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen wird zusätzlich genährt durch all die alten Bekannten, denen man begegnet: dem schlangengleichen Scheidungsanwalt David Lee (Zach Grenier) etwa oder Marissa Gold (Sarah Steele), Tochter des gewieftesten Politikberaters weit und breit, die Direktheit und Kommunikationstalent als neue Assistentin ins Vorzimmer der Grande Dame der liberalen Juristenelite von Chicago, Diane Lockhart (Christine Baranski), führen.

Mit Alicia ist natürlich Alicia Florrick (Julianna Margulies) gemeint, die Heldin der CBS-Dramaserie The Good Wife, die beim Vornamen zu nennen ganz selbstverständlich erscheint. Warum auch nicht? Schließlich kennt man sie nach sieben Staffeln wirklich gut, hat mit ihr gelacht, geweint, gefeiert, getrauert, gekämpft. Es war ein weiter Weg für Alicia von der Rückkehr in den Job als Anwältin nach 13 Jahren - über diverse Skandale, insbesondere um ihren ständig für irgendein politisches Amt kandidierenden Alphatiergatten Peter Florrick (Chris Noth), den Tod ihrer großen Liebe Will Gardner (Josh Charles) bis hin zum unfreiwilligen Neuanfang mit Kanzlei in der eigenen Wohnung. Ob sie sich mit ihrem Lover Jason Crouse (Jeffrey Dean Morgan) zusammengerauft hat, ob sie glücklich ist? Man wünscht es ihr, hat aber nach all den gemeinsamen Jahren seine Zweifel. Glück passt nicht so recht zu Alicia, die deutlich häufiger ein Glas Rotwein in der Hand hatte, als Ärzte empfehlen würden. Man hat ihr jeden Schluck gegönnt.

Die Welt der Anwaltskanzleien ist kühl und kalkulierend - aber die Figuren sind enorm anziehend

Der Ableger The Good Fight setzt ein Jahr nach dem Ende von The Good Wife ein und beginnt mit einem Schock: der Vereidigung von Donald Trump als 45. US-Präsident. Aufblende. Diane Lockhart sieht die Zeremonie im Fernsehen und kriegt den Mund nicht zu. Noch bevor Trump den Amtseid geleistet hat, schaltet sie das Gerät aus, ordnet die edlen Klamotten und verlässt den Raum. Auf in den Kampf!

Doch der Wandel des politischen Klimas ist nur der von den Erfindern beider Serien, dem Ehepaar Michelle und Robert King, klug eingebaute Hintergrund für eine Handlung, in der sich noch viel existenziellere Gewissheiten in Luft auflösen, geradezu explodieren wie all die Statussymbole im apokalyptischen Vorspann. Lockhart und ihre Patentochter Maia Rindell (Rose Leslie) müssen um ihre Reputation kämpfen, nachdem Maias Vater und Dianes ältester Freund Henry Rindell (Paul Guilfoyle) wegen Anlagebetrugs festgenommen wurde. Beide werden daraufhin geächtet und aus der von Diane mitgeführten Großkanzlei gedrängt, in der Maia soeben ihren von der Patentante vermittelten ersten Job angetreten hat. So werden die frischgebackene und die hochdekorierte Anwältin zu Leidensgenossinnen, denen die Kollegen bei Reddick, Boseman & Kolstad Asyl gewähren - nicht aus Empathie, sondern weil Diane wichtige Klienten mitbringt.

Not So Grand Jury

Beruflich ein Team: Maia Rindell (Rose Leslie, l.) und Diane Lockhart (Christine Baranski) in The Good Fight.

(Foto: Patrick Harbron/CBS)

Die Welt von The Good Fight ist wie schon die von The Good Wife eine kühl kalkulierende - umso empfänglicher, ja dankbarer ist man als Zuschauer für Regungen der Menschlichkeit, wie Lucca Quinn (noch eine alte Bekannte, gespielt von Cush Jumbo), die der eingeschüchterten Maia auf dem Damenklo Mut zuspricht: "Es ist hart, aber es geht vorbei." Woher sie das weiß? Von einer Freundin, die Ähnliches durchlebt hat. Sie nennt keinen Namen, aber wer The Good Wife gesehen hat, weiß sofort Bescheid: Gemeint ist Alicia.

Man muss The Good Wife ausdrücklich nicht gesehen haben, um The Good Fight zu verstehen und an der Serie seinen Spaß zu haben, aber ein bisschen größer ist er für Kenner dann schon. So ist etwa der Auftritt von Denis O'Hare als Richter Charles Abernathy in der zweiten der zehn Episoden auch ohne Vorkenntnisse komisch - er trägt Sonnenbrille zur Robe, weil er seine Brille verlegt hat -, mit Wissen um die Eigenwilligkeit der eingeführten Figur aber umso mehr. Der schon wieder!

Vor allem aber sind die von den Eheleuten King geschaffenen Serien ein Fest für Freunde der Sprache und von Schauspielern, die damit umzugehen wissen. Gerichtssaal und Kanzlei als Hauptspielorte geben einen hohen Anteil von Dialogen vor, gespickt mit juristischen Fachbegriffen und trotzdem pointiert, denen ein exzellent kuratiertes Ensemble Leben einhaucht, darunter Stars wie Michael J. Fox, aber auch bis dato eher unbekannte Schauspieler wie Carrie Preston, die für ihre Rolle als so spleenige wie gerissene Anwältin Elsbeth Tascioni 2013 einen Emmy gewann; das war nur eine von zahlreichen Auszeichnungen für The Good Wife. Auch mit ihr hält The Good Fight ein Wiedersehen bereit.

Serien-Ableger: Privat ein Paar: Alicia Florrick (Julianna Margullies) und Jason Crouse (Jeffrey Dean Morgan) im Original The Good Wife.

Privat ein Paar: Alicia Florrick (Julianna Margullies) und Jason Crouse (Jeffrey Dean Morgan) im Original The Good Wife.

(Foto: CBS)

Der Castingverantwortliche Mark Saks besetzt in den King-Serien nach eigener Aussage bevorzugt Schauspieler mit Bühnenerfahrung - was wohl die Präsenz erklärt, die Anziehungskraft, die in The Good Fight erneut von den Figuren ausgeht, auch von den abstoßenden. Um jene Vertrautheit zu erzeugen, die sich auf den Zuschauer überträgt, umgibt er die Hauptdarsteller gezielt mit Kollegen, mit denen die schon mal gearbeitet haben oder zu denen es anderweitige Verbindungen gibt.

Dass man Alicia Florrick bald gar nicht mehr so arg vermisst, liegt an der rehkitzhaften Unschuld von Rose Leslie, vor allem aber an Christine Baranski, die in ihrer Rolle Eleganz, Härte und Leidenschaft aufs Grandioseste verbindet. Sie ist tough, gestählt von einem unbarmherzigen Business, aber keine Karikatur einer Karrieristin. Sie ist eine komplexe, auch komplizierte Figur, fast hätte man geschrieben: ein Mensch. Gut, Alicia muss nicht unbedingt zurückkommen, aber wenn es sich einrichten ließe, vielleicht ja in der zweiten Staffel mal kurz, wäre das schon schön.

The Good Fight, Fox, dienstags, 21 Uhr.

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