Serie:Frisch gewischt

Ein undurchschaubares Edel-Callgirl in einer Welt aus Glas: "The Girlfriend Experience" lebt von der Ambivalenz der weiblichen Hauptfigur, gespielt von Elvis-Enkelin Riley Keough.

Von Katharina Riehl

Seine Beziehungskrise zum Hollywood-Kino hat Steven Soderbergh im Jahr 2013 in San Francisco mit der Welt geteilt. In einer langen Rede rechnete er seinen Zuhörern damals vor, welche unglaublichen Budgets nötig seien, um einen Kinofilm zu produzieren; er kritisierte, im Hollywood-System hätten kleinere Produktionen keine Chance. Seinen Film über den Showpianisten Liberace, der im selben Jahr in Cannes Premiere hatte, produzierte Soderbergh deshalb nicht fürs Kino, sondern für den US-Fernsehsender HBO.

Heute, da viele der großen Filmemacher und Schauspieler das moderne Serienfernsehen für sich entdeckt haben, klingt das wie eine lahme Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Vor gerade einmal drei Jahren aber sorgte es für einen veritablen Knall, dass einer wie Soderbergh freiwillig die Leinwand gegen den Bildschirm getauscht hatte.

Die wichtigste Callgirl-Regel: Männer wollen hören, was sie selbst gerade gesagt haben

Seither hat Soderbergh die Krankenhausserie The Knick gedreht, Clive Owen operiert darin Anfang des 20. Jahrhunderts mit beschränkten Mitteln kranke Menschen, was genauso blutig aussieht, wie es sich anhört. Seit dieser Woche gibt es jetzt noch eine weitere Soderbergh-Serie in Deutschland zu sehen, The Girlfriend Experience läuft bei Amazon Prime, in den USA startete sie im April beim Bezahlsender Starz. Die Handlung beruht auf dem gleichnamigen Independent-Film aus dem Jahr 2009, bei dem Soderbergh Regie führte; bei der Serie ist er Produzent.

Girlfriend Experience

Love me, Fremder: Christine Reade (Riley Keough), bei ihrer Kundschaft besser bekannt als Chelsea, ist eine Frau für gewisse Stunden.

(Foto: Kerry Hayes/Starz Entertainment)

The Girlfriend Experience erzählt von Christine Reade, einer sehr schönen Jurastudentin, die zu Beginn neben einem Praktikum in einer unterkühlten Anwaltskanzlei noch einen zweiten Job beginnt, als Edel-Prostituierte. Ihre Freundin Avery nimmt sie mit zu einer ersten Verabredung mit einem Kunden, sie stellt ihr Jaqueline vor, die zahlende Männer und käufliche Frauen zusammenführt, und sie bringt ihr auch die wichtigste Regel bei: Die Männer wollen, dass du ihnen immer genau das sagst, was sie selbst gerade gesagt haben. Illusionen sind hier eine Männerkrankheit.

Als die New York Times die Produktion zum US-Start im April besprach, begann der Text mit dem Satz: "The Girlfriend Experience ist eine Serie darüber, sein Fleisch zu verkaufen, ihr eigentlicher Fetisch aber ist Glas", und das ist eine durchaus hübsche Beschreibung für die Ästhetik dieser Serie, in der alles so aussieht, als sei gerade frisch gewischt worden. In der sich die seltsame Coolness der Hauptfigur in jedem Sinne des Wortes in ihrer Umgebung, in den gläsernen Wänden der Büros und Restaurants, spiegelt.

Es passiert nicht wahnsinnig viel in den 25-minütigen Episoden, man will aber trotzdem alle 13 sehen. Gespielt wird Christine, die sich als bezahlte Begleitung Chelsea nennt, von Riley Keough, der Enkeltochter von Elvis Presley. Sie schafft es, ihre Figur vollkommen ambivalent zu halten. Warum macht sie diesen Job? Verabscheut sie diese Männer, die viel Geld für den Traum bezahlen, eine so schöne, junge Freundin zu haben? Genießt sie die teuren Essen in den noblen Restaurants, den Stolz der Männer, vielleicht sogar den Sex? Ihren Blick kann man fast immer spöttisch finden, belustigt oder unendlich traurig.

Das Serienfernsehen ist oft dafür gelobt worden, sich - gerade im Vergleich zum Hollywood der Blockbuster - an eine neue Art von Frauenfiguren heranzuwagen, an weibliche Hauptrollen mit schwierigen Charakterzügen. Carrie Mathison in Homeland, die manisch-depressive CIA-Agentin, war so ein viel zitiertes Beispiel, zuletzt aber hatte man stark den Eindruck, dass der Großteil der heute produzierten Hochglanzserien doch wieder vor allem interessante Männer zum Thema haben.

Christine Reade jedenfalls, die Frau zwischen Glas, ist vor allem wunderbar undurchschaubar.

The Girlfriend Experience, 13 Folgen abrufbar bei Amazon Prime.

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