Serie "1992" auf Sky:Saubere Hände, schmutziges Geld

1992

Die Mechanismen von Macht, Verführung und Korruption wirkten 1992 ebenso wie heute.

(Foto: Stefano Cristiano Montesi)

Bestechungsgeld verschwindet im Klo. Ein Showgirl schläft sich hoch. Die italienische Politikserie "1992" greift Themen auf, die so ähnlich in der Realität vorkamen - und landete deswegen sogar vor Gericht.

Von Stefan Ulrich

Am 17. Februar 1992 greifen in einem Mailänder Altenheim die "Mani pulite", die sauberen Hände, nach dem schmutzigen Geld. Die sauberen Hände gehören einem Ermittler-Pool um den Staatsanwalt Antonio Di Pietro. Das schmutzige Geld steckt in einem Umschlag, den Mario Chiesa, der Leiter des Altenheims, gerade erhalten hat; und es schwimmt in einer Toilettenschüssel, in der es der sozialistische Lokalpolitiker Chiesa noch schnell entsorgen wollte.

Die düstere und zynische Seite eines schönen Landes

Die beiden Bündel mit Lire-Scheinen sind Bestechungsgeld, das Unternehmer an Chiesa gezahlt haben, um an öffentliche Aufträge zu gelangen. Di Pietro und seine Leute nehmen den Politiker fest.

So beginnt die zehnteilige TV-Serie 1992, die Sky Italia und die Firma Wildside produziert haben. Es ist das erste Mal, dass die legendäre Ermittlung namens "Mani pulite" und der daraus folgende Jahrhundertskandal "Tangentopoli" (Schmiergeld-Stadt) als Fernsehserie aufbereitet wird. Großer Stoff, der die düstere und zynische Seite eines schönen Landes zeigt.

Mit der Festnahme Chiesas begann in Italien damals der Untergang der Ersten und das Heraufziehen der Zweiten Republik. Di Pietros Team wühlte sich durch einen Korruptionssumpf und deckte ein Bestechungssystem auf, durch das sich insbesondere die Regierungsparteien finanzierten. Zahlreiche Politiker und Unternehmer landeten im Gefängnis, einige begingen Selbstmord.

Im Vordergrund stehen fiktive Figuren

Die Parteien der Christdemokraten, die Italien seit dem Zweiten Weltkrieg dominierten, und der Sozialisten unter dem Ex-Regierungschef Bettino Craxi kollabierten. In das Vakuum stießen neue Parteien wie die populistische Lega Nord. Zugleich machte sich ein Mann daran, mit Hilfe von Fernsehen und Werbung die Macht zu erringen: Silvio Berlusconi.

Das ist der Stoff, aus dem 1992 schöpft. Die Serie verzichtet allerdings darauf, die Ereignisse aus Sicht eines realen Helden wie Di Pietro zu erzählen, was nahe gelegen hätte. Im Vordergrund stehen fiktive Figuren, deren Leben durch Mani pulite und Tangentopoli durcheinandergewirbelt wird.

Da ist der junge, an Aids erkrankte Polizist Luca Pastore, der sich zum Mailänder Ermittler-Pool versetzen lässt, um einen Racheplan zu verfolgen; oder der früher im Irak eingesetzte Ex-Soldat Pietro Bosco, ein brutaler Verlierertyp voller Ressentiments, der in der Lega Nord Karriere macht und Abgeordneter in Rom wird.

Das Showgirl Veronica Castello, das sich in eine prominente Fernsehsendung hochschläft, steht prototypisch für manche junge Italienerin damals und heute, für die es nichts Erstrebenswerteres im Leben zu geben scheint, als ein TV-Sternchen zu werden. Veronica Castello tut dafür fast alles.

Politiker als Produkte - durchgesetzt durch Werbung

Die faszinierendste dieser fiktiven Figuren ist Leonardo Notte, einst ein radikaler Linker, nun ein illusionsloser Werbemanager. Notte erspürt als einer der Ersten die neue Zeit, in der Parteien und Politiker nicht mehr für ihre Überzeugungen bei den Wählern werben, sondern sich wie Waschmittel mithilfe der Marktforschung dem Wähler anpreisen. Notte sieht in Politikern ein Produkt, das sich durch gerissene Werbung auf dem Markt durchsetzen lässt. Und er erkennt, wer sich dafür am besten eignet: der damalige Unternehmer und spätere Premier Silvio Berlusconi.

Einen Reiz der Serie macht die Mischung aus Dichtung und historischer Wahrheit aus. Neben fiktiven Figuren à la Notte treten in 1992 reale Gestalten wie Di Pietro und Chiesa auf, die von Schauspielern gemimt werden. Andere, Berlusconi, Craxi oder Lega-Chef Umberto Bossi zum Beispiel, werden aus alten Filmdokumenten leibhaftig hineingeschnitten.

Zahlreiche Sexszenen sollen den schweren Stoff würzen

So verschafften sich die Serienmacher größtmögliche Freiheiten - aber auch Ärger. Der echte Mario Chiesa versuchte, die Ausstrahlung der Serie in Italien gerichtlich zu verhindern, mit dem Argument, die Kloschüssel-Szene habe in Wahrheit nie stattgefunden. Allerdings wird diese Szene in Fachbüchern und Dokumenten beschrieben. Zudem beruft sich Sky bei der gesamten Serie auf die künstlerische Freiheit.

Die vielen, teils nur lose miteinander verbundenen Figuren und Schauplätze in 1992 fügen sich zu einem Puzzle jenes Jahres, das für nichtitalienische Zuschauer ganz schön verwirrend sein kann. Die historischen Fakten werden oft eher vorausgesetzt als erklärt. Die vielen Handlungsstränge machen die Serie allzu komplex. Etwas weniger wäre da mehr gewesen, das gilt auch für die zahlreichen Sexszenen, die den schweren Stoff würzen sollen.

Gut gelingt es den Produzenten allerdings, die Mechanismen von Macht, Verführung und Korruption in Italien aufzudecken, die bis heute fortwirken. Wütende Bürger, zynische Politiker, skrupellose Unternehmer und gerissene Marketing-Strategen gab es 1992, und es gibt sie heute.

Hoffnungen des Jahres 1992 auf ein sauberes Italien wurden enttäuscht

Die Serie - die mit den Jahren 1993 und 1994 fortgesetzt werden soll - enthält sich dabei politischer Beurteilungen, sie nimmt keinen linken oder rechten Standpunkt ein. Berlusconi etwa, der später als Politiker so enttäuschen sollte, wird aus der Stimmung jener Umbruchzeit heraus gezeigt, als neuer Mann, der sich mit Optimismus und Unternehmergeist von den Altpolitikern abhebt und so viele Menschen für sich einnimmt.

Der Schauspieler Stefano Accorsi, der die Idee zu der Serie hatte und darin den Leonardo Notte verkörpert, räumt ein, dass die Hoffnungen des Jahres 1992 auf ein sauberes Italien enttäuscht wurden. Auch heute wird das Land wieder von enormen Korruptionsskandalen erschüttert. Gerade musste deswegen der Infrastrukturminister zurücktreten. Doch Accorsi meint: "Es ist wichtig, weiter an eine bessere Zukunft zu glauben."

1992, von Dienstag an auf Abruf bei Sky.

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