Sendung nach Kritik am Präsidenten abgesetzt:Sarkozys Rache?

Der französische Journalist Franz-Olivier Giesbert hat in einer brilliant-bösen Biographie Nicolas Sarkozy verspottet. Nun wird seine Fernsehsendung abgesetzt. Er hatte schon von Drohungen berichtet.

Stefan Ulrich

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Diesen April veröffentlichte der französische Journalist Franz-Olivier Giesbert eine brillant-böse Biographie über Nicolas Sarkozy. Das Buch M. Le Président wurde sofort zum Bestseller. Darin beschreibt der Autor Sarkozy als tyrannischen "Kindkönig", als cholerisch, selbstvernarrt und rachedürstend. Ein paar Wochen später gibt nun Rémy Pflimlin, der Chef des französischen Staats-TV, bekannt: Giesberts politisch-kulturelles Fernsehmagazin Semaine critique im größten Staatssender France 2 wird abgesetzt. Pflimlin wurde übrigens von Sarkozy ernannt.

Sendung nach Kritik am Präsidenten abgesetzt: Der Autor Franz-Olivier Gisbert muss seine eigene Sendung absetzen. Hier verteidigt er seine kritische Biographie über Sarkozy in der Show eines TV-Kollegen.

Der Autor Franz-Olivier Gisbert muss seine eigene Sendung absetzen. Hier verteidigt er seine kritische Biographie über Sarkozy in der Show eines TV-Kollegen.

(Foto: Screenshot: France 2)

Eine unglückliche Koinzidenz? Sarkozys Kritiker wollen daran nicht glauben. Sie sagen, die Rache des Präsidenten habe Giesbert nun erreicht. Die Zeitung LeMonde macht ihre Sonntagsausgabe mit dem Fall auf und spricht ironisch vom "Frühjahrsputz bei France Télévisions". Zugleich erinnert das Blatt an eine "schwarze Liste", auf die Sarkozy angeblich missliebige Journalisten gesetzt haben soll.

Ganz oben soll Arlette Chabot gestanden haben, die Nachrichtenchefin von France 2. Sie ist inzwischen abgelöst. Dahinter kamen demnach Giesbert sowie der Moderator Guillaume Durand. Auch dessen Magazinsendung "Face aux Français" wird im September aus dem Programm genommen.

Das alles mag klingen wie eine Geschichte aus Berlusconistan. Pflimlin fordert jedoch: "Hören wir mit dieser Paranoia auf." Es gehe hier nicht um Personen, sondern um Sendungen, sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Die beiden abgesetzten Magazine hätten niedrige Einschaltquoten gehabt und seien vorwiegend von älteren Menschen angesehen worden. Ziel von France 2 sei es aber, die Zuschauerschaft zu verjüngen. Pflimlin kündigte an, man spreche mit Giesbert und Durand, "um zu erfahren, wie sie einen anderen Platz im Programm finden können". Ein Freund Durands spottete, es gehe wohl um "Dokumentarfilme über zeitgenössische Kunst in tiefer Nacht".

Die Sache wird dadurch besonders pikant, dass Giesbert in seiner Sarkozy-Biographie ausführlich von Drohungen berichtet. So soll der Präsident - erfolglos - beim Eigentümer der politischen Wochenzeitschrift Le Point interveniert haben, um Giesbert als Herausgeber zu feuern. Der Publizist erzählt zudem von einem Telefonat mit dem Staatschef, das dessen Rachsucht belegen soll.

Man kennt sich, man duzt sich

Es geschah an einem Sonntag im Januar 2008. Giesbert beschnitt die Olivenbäume seines Anwesens in der Provence. Da klingelte das Telefon. Am Apparat war sein Duzfreund Sarkozy. Er tobte wegen eines satirischen Artikels, der in LePoint erschienen war. Darin breitete der Autor die Amouren von Sarkozys neuer Flamme Carla Bruni aus und gab dem Präsidenten Tipps zum Umgang mit dem Ex-Modell. So solle er Carla bloß nie seinen Söhnen, Barack Obama oder anderen gut aussehenden Männern vorstellen.

Der Artikel sei "Faschismus", und sobald er nicht mehr Präsident sei, werde er dem Autor "die Fresse polieren", kündigte Sarkozy dem verdutzten Chefredakteur Giesbert an. Dann befahl er: "Weißt du, was du jetzt tun wirst, mein kleiner Franz? Einen Entschuldigungsbrief an Carla verfassen." Als sich Giesbert weigerte, soll Sarkozy gedroht haben: "Du wirst nicht so damit davonkommen. (...) Du wirst sehen, was ich machen werde, du wirst sehen!"

Der bizarre Dialog entspringt einem politisch-journalistisch-literarischen Milieu, das typisch ist für Frankreich. Man kennt sich, man duzt sich, man schreibt übereinander, man umschmeichelt sich, und man haut sich bei Gelegenheit in die Pfanne. Der 62 Jahre alte Literaturkenner und Romanautor Giesbert ist seit Jahrzehnten Teil dieses Milieus. Allerdings ist er etwas mutiger und politisch unabhängiger als die Mehrheit. Den konservativ-liberalen Le Point führt er seit dem Jahr 2000. In dieser Zeit hat das Magazin stark an Lesern gewonnen; und es lässt sich nicht behaupten, dass es die Konservativen um Präsident Sarkozy besonders schont.

Giesbert hat immer die Nähe der Staatsmänner gesucht. Er hat mit ihnen häufig gegessen und getrunken, sie auch beraten und alle Gespräche genau in seinen legendären Ringbüchern aufgezeichnet. Daraus sind seine schonungslosen Biographien über François Mitterrand, Jacques Chirac und Sarkozy entstanden. Giesbert ist Vegetarier - doch er verspeist gerne Präsidenten.

Dabei räumt er Sarkozys Stärken durchaus ein: dessen phänomenales Gedächtnis, Fleiß, Reformfreude und ein gutes Reagieren in Krisen. Zugleich zeichnet er ein beklemmendes Charakterbild des Präsidenten. Dieser sei machtbesessen, eitel und boshaft, er erniedrige seine Mitarbeiter und beschimpfe seine Minister vor Journalisten. Weil er immer überall im Zentrum stehen wolle, stehe er als Politiker für gar nichts. Zudem sei Sarkozy erpicht darauf, sein Bild in den Medien zu kontrollieren. Womöglich wird sich der Präsident künftig wenigstens beim Fernsehschauen weniger ärgern müssen.

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