Neuer Sender Zee.One:Deutscher Bollywood-Sender - Fernsehen für Waldorfschüler

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Gute-Laune-Fernsehen: "I Feel Bolly Good" lautet der Claim des neuen Senders Zee.One, in dem viel getanzt und gesungen, geliebt und gelitten wird. (Foto: Zee.One)

Deutschland bekommt mit Zee.One den ersten TV-Sender, der nur indische Produktionen zeigt. Kann das funktionieren?

Von Rupert Sommer

Wenn Elefantenherden über die Bildschirme stampfen, ist der Fernsehzuschauer von Freitag an nicht mehr zwangsläufig bei einem Naturfilm oder einer der mehr oder weniger putzigen Tierpfleger-Dokus aus dem öffentlich-rechtlichen Nachmittagsprogramm hängen geblieben. Denn Ende der Woche geht in München der neue Fernsehsender Zee.One an den Start - mit einem Programm, das sich ganz den sogenannten Bollywood-Filmen und -Serien verschrieben hat, dem indischen Pendant zur US-Traumfabrik Hollywood.

Bollywood-Schauspieler eifern ihren US-Kollegen nicht selten nach, bewegen sich aber meist vor märchenhaften bis mondänen Kulissen. Die Stars der Filmindustrie werden in Indien noch als Leinwandgötter verehrt, wie in Hollywood schon lange nicht mehr.

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Zee.One setzt dem James Bond- oder Mission: Impossible-Heldentypus markig-maskuline Actionhaudegen entgegen, die oft gern noch Schnauzbärte tragen. Und in epischen Serien wie den 56-teiligen Jodha Akbar-Abenteuern, einer historischen Hofintrigen-Schlachtplatte der Game of Thrones-Klasse, mit denen der neue Sender hierzulande reüssieren möchte, reiten dann auch mal trotzige Krieger auf martialisch herausgeputzten Dickhäutern. Die Statistenheere formieren sich wie von Geisterhand dirigiert - und dass die Arrangements oftmals wie Opernchoreografien wirken, ist kein Zufall. In Bollywood-Filmen schunkeln nicht nur die Palmen im Takt. Auch die Darsteller tanzen, singen, musizieren und hüpfen, auf dass Waldorf-Schüler daran ihre wahre Freude hätten.

Vor dem Sendestart wurden die einschlägigen Synchronstudios bis zum Anschlag ausgelastet

Von der "Magie und Vielgestaltigkeit" der indischen Medienindustrie und ihren für westliche Augen und Ohren zumindest gewöhnungsbedürftigen Erzeugnissen schwärmt Friederike Behrends. Die TV-Managerin ist Geschäftsführerin des ehrgeizigen Sender-Neustarts, mit dem die Zee.One-Muttergesellschaft, der indische Mischkonzern Zee Entertainment Enterprise Limited (ZEEL), auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte. In drei Jahren soll der frei empfangbare, werbefinanzierte Sender profitabel sein. Ausgestrahlt wird Zee.One ab 29. Juli per Satellit über Astra oder in den Kabelnetzen von Unitymedia. Weitere Verbreitungspartner sollen noch hinzukommen.

Rund um die Uhr kommen dabei Bollywood-Werke zum Einsatz, die in der Regel zuvor noch nicht in Deutschland zu sehen waren. Die Filme und Serien werden stets in einer deutschen Sprachfassung ausgestrahlt, um die Einstiegshürden niedrig zu halten: Senderchefin Behrends hat in den turbulenten Wochen vor dem Sendestart die einschlägigen Synchronstudios bis zum Anschlag ausgelastet.

Dabei ist - vorsichtig gesprochen - nicht unbedingt garantiert, dass sich die Großinvestition, die auch von einer breiten Werbekampagne zum Zee.One-Start flankiert wird, tatsächlich rasch lohnen wird. Die deutsche TV-Landschaft ist umkämpft, neben heimischen Anbietern dominieren weiterhin die US-Riesen. Behrends gibt sich demonstrativ unerschrocken. Nur zur kniffligen Frage, mit welchen Zuschauer-Reichweiten sie rechnen kann, gibt sie sich zugeknöpft.

Über die heikle Marktsituation hätte sie sich zur Not sogar familienintern fachlich beraten lassen können; ihre jüngere Schwester Katharina Behrends ist Senderchefin im Hause NBC Universal, von erfolgreichen Pay-Kanälen wie 13th Street und Syfy. Doch die Option, aus Zee.One ein Bezahlangebot zu machen, wurde schnell verworfen. "Wir zielen auf die breite Masse", sagt Friederike Behrends selbstbewusst.

Die Würzmischung, die vor allem den 19- bis 59-jährigen Zuschauerinnen, die der Sender als Kernzielgruppe anvisiert, schmecken soll, ist jedenfalls eine landestypisch kräftige. Neben den vielen, oft ungewohnt klebrig gezuckerten Romanzen setzt Behrends auf Drama, Comedy, Action und im Nachtprogramm sogar auf indische Fantastik bis hin zu Horrorproduktionen. Dafür hat sie sich mit ihrem lediglich zehnköpfigen Team Aufklebe-Etiketten wie "Bolly.Love", "Bolly.Star" und "Bolly.Family" ausgedacht, die dem hoffentlich entdeckungsfreudigen deutschen Publikum Orientierung geben sollen.

"Gewaltszenen können gewöhnungsbedürftig sein - vor allem in Kombination mit einer Liebesgeschichte"

Tatsächlich sind Filme wie Chennai Express, zu sehen am Eröffnungsfreitag zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr, selten nur einem Genre zuzuordnen. Das macht es den Zee.One-Redakteuren rund um die von RTL 2 abgeworbene Programmchefin Andrea Lang, die diese hierzulande mehrheitlich noch nicht gezeigten Filme jugendschutzrechtlich einordnen und gegebenenfalls schneiden müssen, nicht immer ganz einfach.

"Gewaltszenen können eher gewöhnungsbedürftig sein - vor allem in Kombination mit einer Liebesgeschichte innerhalb desselben Films", sagt Friederike Behrends. "Bollywood-Inhalte bieten ein viel breiteres Spektrum, als es im deutschen Fernsehen bekannt ist." Behrends möchte mit Zee.One den um sich selbst kreisenden deutschen TV-Markt bereichern. "Wir wollen Gute-Laune-Fernsehen machen", sagt sie und hat sich den Werbeclaim "I Feel Bolly Good" ausgedacht.

Ganz so neu ist diese aufgekratzte Masala-Mixtur, in der nicht nur eine 55-teilige Historienserie über den Religionsstifter Buddha, sondern auch viele indisch beschwingte Musik-Clip-Formate Platz finden sollen, allerdings nicht: RTL 2 und Arte zeigten bereits Bollywood-Filmreihen - mit oft überschaubarem Publikumsanklang. Laut Behrends, der nur etwas mehr als ein Dreivierteljahr vom ersten Bewerbungsgespräch in Mumbai bis zum Sendestartevent mit Bollywoodstar Shah Rukh Khan in München blieb, war alles, was bislang in Deutschland zu sehen war, angeblich nur die berühmte "Spitze des Eisbergs". Vielleicht sollte sie besser von der "Rüsselspitze des Elefanten" sprechen.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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