Schweiz:Mit Roger Köppel auf der Toilette

Schweiz: Im SVP-Clip nimmt Roger Köppel die linke Wochenzeitung mit aufs Klo.

Im SVP-Clip nimmt Roger Köppel die linke Wochenzeitung mit aufs Klo.

(Foto: SVP)

Die Schweizerische Volkspartei SVP entdeckt den Gaga-Wahlkampf für sich - mit Christoph Blocher im Bademantel, dem "Weltwoche"-Chef auf dem Klo und anderen, zum Teil wenig stilvollen Motiven.

Von Charlotte Theile

Christoph Blocher schneidet den Rasen. Ganz im Stil eines Pensionärs im weinroten Bademantel - und mit der Papierschere. Dann stellt er das Radio ein, streift den Bademantel ab und macht einen Kopfsprung in den Pool. Drei Sekunden, dann bricht der Clip ab. Dass der 74-Jährige in der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) noch immer die Fäden zieht, ist klar. Das Video, das ihn als gemütlichen Rentner zeigt, ist ein Scherz - und Teil einer großen Ironie-Kampagne, mit der die SVP vor den Parlamentswahlen Mitte Oktober zeigen will, wie lustig sie sein kann. Denn dass sich im Internet vor allem das verbreitet, was ein schnelles Lachen auslöst, ist inzwischen auch Werbeagenturen und Politikern klar. "Welcome to SVP" heißen Homepage und Kampagne, am Schluss soll wohl ein Song stehen, der DJ Antoines "Welcome to St. Tropez" nachempfunden ist.

Was zunächst nach "Gaga-Wahlkampf" (Blick) und außer Kontrolle geratenen älteren Männern klingt, ist ein durchdachter Social-Media-Auftritt. Bis zum 11. September, wenn das Video zum Song veröffentlicht wird, zeigt die SVP jeden Tag einen anderen Spitzenpolitiker in wenigen Sekunden: Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel auf der Toilette, mit heruntergelassenen Jeans und der linken Wochenzeitung in der Hand. Der SVP-Vorsitzende Toni Brunner beim Picknick mit einer seiner Kühe. Und, besonders stilvoll, der Zuger SVP-Mann Thomas Aeschi mit einer Flasche Kirsch und K.-o.-Tropfen - eine Anspielung auf eine Polit-Affäre, die die Schweiz seit Anfang des Jahres beschäftigt. Eine grüne Politikerin aus dem Kanton Zug glaubt, bei einer Feier kurz vor Weihnachten von einem anderen SVP-Politiker mit K.-o.-Tropfen betäubt und missbraucht worden zu sein.

"Welcome to SVP" ist nicht der erste Song, mit dem die rechtskonservative Partei in diesem Sommer auf sich aufmerksam macht. Mit dem sogenannten Freiheitssong, Titel: "Wo e Willy isch, isch ou e Wäg" (Wo ein Willy ist, ist auch ein Weg), hatte die SVP im Juli den Klamauk-Wahlkampf eingeläutet. Und so schrecklich alle Kommentatoren den Schlagersong mit Politikergesang fanden - Zeitungsberichte, Tweets und Facebook-Strohfeuer gab es reichlich über das Video mit dem Parteimaskottchen, dem Plüschhund Willy.

Dass die SVP derweil mit ihren politischen Inhalten - die Partei warnt seit Monaten vor einem Asyl-Chaos, während die Schweiz fast überall in Europa für ihren effizienten und geordneten Umgang mit Flüchtlingen bewundert wird - nicht wirklich punkten kann, erscheint da fast schon nebensächlich. Die Währung des Wahlkampfs heißt Aufmerksamkeit.

Ob die Schweizer Wähler auf dem Wahlzettel das ankreuzen, was sie auf Youtube anklicken? Ob sie ihr Vertrauen einer Partei schenken, die ein Lied für ihr Maskottchen gesungen hat? Eines steht fest: Falls die SVP Erfolg hat, dürften sich bald auch andere Parteien im "Gaga-Wahlkampf" versuchen.

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