Schutzrecht:Leistung muss sich wieder lohnen

EU energy commissioner Guenther Oettinger talks to the media after EU-Ukraine-Russia energy negotiations at EU commission representation in Berlin

"Vor 15 Jahren waren wir alle ins Internet verliebt", heißt es aus seinem Umfeld: Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

Günther Oettinger, der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft, will die Verhandlungsbasis europäischer Presseverlage gegenüber mächtigen Internetkonzernen stärken.

Von Thomas Kirchner

Diese Frage ist unbeantwortet: Wenn Journalismus einen gesellschaftlichen Wert hat - brauchen die Zeitungsverlage dann beim Übergang in die digitale Welt politische Unterstützung? Und wenn ja, wie viel? In Deutschland gibt es solch eine Hilfe seit 2013 in Form des sogenannten Leistungsschutzrechts. Es soll unter anderem verhindern, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google und andere Internetplattformen Teile von Presseartikeln kostenlos nutzen können. Ob das sinnvoll ist und funktioniert, ist umstritten; dennoch will Digitalkommissar Günther Oettinger in der EU jetzt sogar noch einen Schritt weiter gehen und damit eine 15 Jahre alte Richtlinie auf den neuesten Stand bringen. Und schon wird darüber wieder so heftig gestritten wie vor Jahren.

An diesem Mittwoch wird der CDU-Politiker vorschlagen, Europas Presseverlagen ein neues, EU-weit geltendes Leistungsschutzrecht zu verleihen. Damit würden die Verleger auf eine Stufe gestellt mit Urhebern wie Filmproduzenten oder Rundfunkanstalten. Die Idee ist, sie auf Augenhöhe mit Onlineplattformen zu bringen. Das beträfe nicht nur Suchmaschinenbetreiber wie Google, sondern auch soziale Medien wie Facebook und Twitter oder Seiten, die Nachrichten aggregieren. Sie alle sollen zahlen für Inhalte, die Verlagshäuser und ihre Autoren produzieren.

In einem umfangreichen Papier, das bereits im Netz kursiert, legen Oettingers Mitarbeiter dar, warum die Verhandlungsmacht der Verleger dringend gestärkt werden müsse. Während die Auflagen sinken und immer mehr Inhalte online konsumiert werden, fließen die digitalen Einnahmen, etwa aus der Werbung, nur spärlich.

Es gelingt den Verlagen nicht, mit den mächtigen Onlineplattformen, die den Großteil der Werbeeinnahmen kassieren, Lizenzverträge für ihre Inhalte abzuschließen, also Geld von ihnen zu verlangen. Die Arbeit der Verlagshäuser, so die Kommission, sei jedoch wichtig für den Pluralismus, die Qualität der Information, die kulturelle Diversität, die Demokratie insgesamt.

Es geht gar nicht mehr nur um die Google-Suche, sondern auch um "Instant Articles" von Facebook

Wenn die Zukunft dieser Häuser auf dem Spiel stehe, müsse die Politik eingreifen. "Vor 15 Jahren waren wir alle ins Internet verliebt", heißt es aus Oettingers Umfeld. "Jetzt ist das Netz der Normalzustand, und es wäre nicht mehr gerechtfertigt, den Onlinefirmen Nischen oder Privilegien zu gewähren."

20 Jahre lang, so steht es in der Richtlinie, würden die Verlagsprodukte geschützt, weit länger als das eine Jahr, das in Deutschland gilt. Damit will Oettinger auch Pressearchiven eine Art Bestandsschutz verschaffen. Und der Schutz gilt nicht nur, wie in Deutschland, für kleine Schnipsel, sogenannte Snippets, sondern für den ganzen Artikel. Ausnahmen sollen für Bildungszwecke gemacht werden, auch für Blinde sowie für die wissenschaftliche Erschließung von Texten.

Für private Konsumenten ändere sich, anders als von Kritikern behauptet, im Grundsatz nichts. Sie dürften weiterhin Links zu Zeitungsartikeln einschließlich kurzer Anreißer auf Twitter oder Facebook veröffentlichen. Kommerzielle Nutzer hingegen sollen zahlen, wenn sie über den bloßen Link hinaus Teile von Artikeln verwenden, die über die schlichte Überschrift hinausgehen. Wo die Grenzen liegen, hat der Europäische Gerichtshof bereits in Urteilen zu ermitteln versucht. Eben erst befanden die Luxemburger Richter über die Verlinkung von Inhalten, die gegen den Willen des Rechteinhabers online gestellt worden waren: Es sei davon auszugehen, dass kommerziellen Anbietern, im Gegensatz zu Privatleuten, dieser Sachverhalt bewusst sei. Dann sei diese Praxis rechtswidrig.

Ob Europas Verleger mit dem neuen Recht wirklich ein scharfes Schwert in der Hand halten, das ihnen Waffengleichheit mit den Digitalen beschert? Das sei ein Schritt vorwärts, heißt es bei ihnen, um Inhalte besser zu vermarkten. Andererseits weiß man auch im Hause Oettinger, dass das deutsche Gesetz bisher ähnlich fruchtlos war wie der spanische Versuch, Onlineplattformen beim Überschreiten einer bestimmten Inhalte-Marge zu Zahlungen an die Content-Hersteller zu zwingen. Beides "hat die Probleme der Verlagshäuser bisher nicht gelöst", so die Kommission. In Deutschland, wo Google mehr als 90 Prozent Marktanteil bei Suchmaschinen hält, bot der Konzern den Verlagen an, bei Google News nicht mehr geführt zu werden und - in Anbetracht der verbreiteten Nutzung dieser Suchmaschine - damit im Netz nicht mehr gefunden zu werden. Weil dies also die Zugriffszahlen auf die Artikel dramatisch sinken ließ, gaben die meisten Verlage Google eine Gratislizenz. In Spanien wiederum schaltete Google seinen News-Dienst gleich völlig ab. Würde das der US-Konzern auch in ganz Europa wagen, in einem Markt mit mehr als 500 Millionen Menschen? "Google wird sich das zweimal überlegen", so die EU-Kommission. Das "Toleranzniveau" gegenüber bestimmten Praktiken des US-Unternehmens sei in Europa gesunken. Im übrigen sei der Streit mit Google News Vergangenheit, künftig gehe es mehr um Instant Articles bei Facebook oder andere neue Dienste, die Konsumenten Nachrichten liefern.

Google selbst gibt sich kooperationswillig. Den Schaden hätten am Ende eher kleinere Plattformen, argumentiert der Konzern. Außerdem sei das Urheberrecht das falsche Mittel, die Probleme der Verleger zu lösen. So sieht das auch die Europaabgeordnete Julia Reda von den Piraten. Für kleine Internetunternehmen und Start-ups seien die EU-Pläne fatal, ein "Todesstoß für jegliche europäische Konkurrenz zu Youtube und Facebook". Offenbar habe Oettinger nur auf große deutsche Verlagshäuser gehört. "In anderen Ländern wird das nicht verstanden, dort konzentrieren sich die Verleger darauf, über soziale Medien möglichst viele User mit ihren Inhalten zu erreichen." Im Europaparlament, das sich mehrmals gegen ein Leistungsschutzrecht ausgesprochen hat, werden die Pläne in der jetzigen Form nach Redas Ansicht scheitern.

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