Schauspieler Matthias Matschke:Wer erkennt diesen Mann?

Matthias Matschke

Matthias Matschke zitiert gern aus Breaking Bad: "I'm hiding in bright sunshine." Warum wohl?

(Foto: MDR/Stephanie Pfänder)

Es gibt Schauspieler, die spielen immer nur einen Typ - und es gibt Matthias Matschke. Ob als neuer "Polizeiruf"-Ermittler oder bald in der ARD als Uwe Barschel: Das Verschwinden ist sein Element.

Porträt von Claudia Tieschky

Er kommt rein, und schon wieder erkennt man ihn nicht. Dunkelblonder Vollbart, Winterblässe, blauer dicker Pullover, heute ist Herr Matschke der Käpt'n, der von Reisen in die entlegensten Gefilde unter dem Nordstern berichtet, ein mitreißender Erzähler, und seine Reisen sind seine Rollen.

Matthias Matschke, so viel steht fest, besitzt einen bühnen- wie kamerafreundlichen mittelgroßen Körperbau, eine bestimmte Melodie der Stimme und bringt eine himmelhelle Begeisterung von draußen mit, die sehr selbstgenügsam wirkt in der luxuriösen Hotellobby, in der Softmusik hängt wie gedämpftes Gemüse.

Niemals dagegen könnte man allerdings sagen, wie lange man braucht, um ihn in einer Rolle zu erkennen. Es gibt Schauspieler, die spielen immer nur einen Typ, mal im Film, mal in Bild oder der Bunten. Baller-Kommissar, blonde Dauerbombe, Schwiegerdackelblicker. Marken eben, wiedererkennbar, geschäftsfördernd.

Den Matschke aber, den steckt jemand in einen Film, und er verschwindet einfach drin, wechselt im Spielen das Gesicht, so als sei das Verschwinden sein Element.

Trotzdem ist eben doch alles eins, also seins: Die neue prominente Rolle als Ermittler Dirk Köhler im Magdeburger Polizeiruf neben Claudia Michelsen, von der die erste Folge abgedreht ist. Der fahrige Uwe Barschel, den er jetzt großartig in einem ARD-Thriller gibt. In der Sat-1-Comedy Pastewka der verschlurfte Bruder Hagen - neulich wollte so ein 16-Jähriger in der U-Bahn deshalb bitte ein Handyfoto mit ihm.

Von seiner Barschel-Perücke gab es eine zweite Ausführung. Die trägt er jetzt in "Winnetou"

Er ist der Beethoven-Zausel in der ZDF-Sketch-History. Oder bis vor Kurzem der Ermittler Gregor Georgi im Krimi Helen Dorn. Dieser Georgi war ein perfekt funktionierender Anzugmensch mit gegelter Frisur. Zu Hause aber, wo ihn Helen Dorn eines Samstagmorgens aufsuchte, saß ein Mann mit vielen weichen Haaren. Es dauerte seine Zeit, bis sich die aktuell abgespeicherte Matschke-Version mit diesem Familienfrühstücksmenschen in Übereinstimmung bringen ließ. Mit diesem unordentlichen Glück im Gesicht. Kann man natürlich egal finden so was, ist aber eben kein totgekochtes TV-Gemüse.

Es sind bei diesen Verwandlungen auch immer Frisuren im Spiel, ins Gesicht oder straff nach hinten - weshalb man mit Matschke und seinem Januar-Bart jetzt über Haare sprechen muss. Unter uns Mädchen sozusagen, denn schließlich fotografiert der Mann unter dem Pseudonym Bernadette Ypso.

Im Hauptberuf Leute-Ankucker

Fotografie, sagt er, sei etwas wie ein Überdruckventil. Er kann "nicht aufhören, mir Leute anzukucken. Das ist eigentlich das, was mein Hauptberuf ist - mir Leute ankucken".

Bernadette Ypso wurde einst erfunden, weil der Fotograf Matschke den Schauspieler Matschke fotografieren wollte, was auf Skepsis stieß. Die Bilder der unbekannten Dame Ypso allerdings kamen an. Ein kleiner Trick, den man hätte dechiffrieren können. Ipse ist lateinisch für "selbst" und der Name ein Spiel, bei dem man an den Schriftsteller Fernando Pessoa denken muss und an die erfundenen Personen, unter deren Namen er publizierte. Aber nicht mal Pessoa wagte sich an eine Identität als Frau.

Lust an Härte und Befreiung durch den weiblichen Blick

Matschke wiederum - geboren 1968 in Marburg, Studium Deutsch und Religion fürs Lehramt - kann den klar konturierten Mann gut, der mit seinem Tun im Reinen ist und eine gewisse Lust an Härte hat. (Warum das ZDF sich schon vor Matschkes Polizeiruf-Verpflichtung entschloss, die wunderbare Georgi-Figur aus Helen Dorn rauszuschreiben, das ist wahrscheinlich etwas, womit sich das ZDF viel eher befassen müsste als Matschke.)

Als schleswig-holsteinischer CDU-Politiker Uwe Barschel, der 1987 tot in einem Genfer Hotel gefunden wurde, spielt er zweifelsfrei im anderen Fach, dem des krisenhaften Mannes. "Ich muss zugeben, dass ich selbst zwischen diesen Männerbildern oszilliere, so wie wahrscheinlich alle."

Vielleicht sei das der Grund für Bernadette, zieht Matschke als Möglichkeit in Betracht: nämlich "mich zu befreien: Was wäre denn, wenn ich einen - was immer das ist - weiblichen Blick gewinnen oder zulassen könnte?"

Der Fall Barschel

Eine einzige Verblüffung: In "Der Fall Barschel" kommt Matschke dem CDU-Politiker so nahe, dass sogar Bekannte staunen. Das Foto stammt aus dem Film.

(Foto: ARD Degeto)

Also los jetzt: Haare. Seine Freundin hat vorhin, als er ging, gesagt, er solle sie wenigstens ein bisschen nach hinten machen, "weil ich sonst aussehen würde wie ein Penner". Prüfung im Spiegel ergab: Die Haare mussten nach hinten.

Im Film, sagt Matschke, der bei dem Theatermenschen Ivan Nagel an der Hochschule der Künste in Berlin lernte, im Film spielten Haare eine Rolle, weil man sich ja sehr hingebe, "so wie wir gerade Fernsehen machen - mit der ganzen Persönlichkeit". Und die "schmale Maske, die man hat, ist manchmal nur die Frisur".

Ein kleiner Schutz, und man kann losschießen

Aber natürlich geht es hier nicht im Ernst um Föhn und Fasson, es geht für den Schauspieler Matthias Matschke um viel mehr. "Diese Aussehensmodifikation ist ein kleiner Schutz, und dann kann man losschießen." Ein Schutz? Ja, "fast wie eine Tarnkappe. Nur als transparent müsste man das beschreiben oder sagen wir semipermeabel. Man soll durch die Maske bis auf mich durchschauen können, aber ich kann dahinter in gewisser Weise steuern, was nach außen dringt."

Von Matschkes Barschel-Perücke gab es eine zweite Ausführung. Die trägt er demnächst als Professor Traven in der neuen RTL-Winnetou-Verfilmung. Man wird ihn wieder nicht erkennen.

Er hat an diesem Nachmittag einen Satz aus der Serie Breaking Bad zitiert, ein gleißend helles Paradox. Der Satz lautet "I'm hiding in bright sunshine."

Die eigene Erinnerung an Barschel half weiter

Aus der Rolle als Barschel, die eigentlich nur die Folie liefert für einen Journalisten-Thriller, macht Matschke eine einzige Verblüffung. Die Art, wie er den immer irrlichternderen Politiker spielt, erarbeitet aus Unmengen Videomaterial, das nicht weiterhalf, bis er die eigene Erinnerung an den Mann wiederfand.

Danach bekamen die Videos auch einen Sinn. Es gibt Leute, die Barschel kannten und staunen, wie nah Matschke ihm kommt. Nicht nur mit der Geste nach der berühmten Ehrenwort-Pressekonferenz, diesem Streichen mit beiden flachen Händen von den Schläfen abwärts. Dabei hat er erst gedacht: Wer will schon Uwe Barschel sein? "Ich dachte, ich will doch nicht diese zwielichtige Gestalt sein, ich möchte lieber der unbestechliche investigative Journalist sein."

Pause. Dann ein Bericht aus entlegenen Gefilden: "De facto wollte ich das nicht. Es ist wunderbar, eine zwielichtige Person zu spielen."

"Der Fall Barschel", ARD, 06.02.2016, 20.15 Uhr

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