Schauspieler Devid Striesow:Ein bisschen Irrsinn

Er ist eines der bekanntesten öffentlich-rechtlichen Fernsehgesichter, doch das bedeutet nicht, dass Devid Striesow kein großer Schauspiel-Künstler ist. Eine Begegnung mit dem seltsam unheimlichen Vollblutmimen in Köln.

Katharina Riehl

Es ist ja nicht nur, weil er einen Mann geküsst hat. Sucht man in Devid Striesows Karriere jenen Moment, in dem die Feuilletons aufhörten zu schreiben, dass er zwar genial sei, das aber leider kaum jemand wisse, dann war es sicher der Moment, in dem Tom Tykwer ihn in seiner Dreiecks-Utopie erst mit Sophie Rois und dann mit deren filmischen Lebenspartner Sebastian Schipper ins Bett schickte.

Drei - Photocall:67th Venice Film Festival

Devid Striesow beim Filmfestival in Venedig im vergangenen Jahr. Der Schauspieler würde nie automatisch das Kino vorziehen, nur weil es Kino ist.

(Foto: Getty Images)

Es ist auch, weil Devid Striesow in Drei zeigt, dass er nicht einmal eine Augenbraue bewegen muss, um in seinem Gesicht Gier, Lust, Spaß, Boshaftigkeit und vor allem auch ein bisschen Irrsinn gegeneinander antreten zu lassen.

An einem grauen Nachmittag im September sitzt der Berliner Devid Striesow in einem Kölner Restaurant und sagt, mit Drei habe er noch einmal eine Publikumsschicht angesprochen, die mit anderen Sachen, die er so macht, vielleicht nicht so viel anfangen könne. Genauer: "Zuschauer, die mehr so in meinem eigenen Bekanntenkreis liegen".

Interessant ist der Gedanke deshalb, weil Devid Striesow tatsächlich seit langem auf einem ganz anderen Gebiet sehr etabliert ist. Er ist eines der bekanntesten öffentlich-rechtlichen Fernsehgesichter, im ZDF ist er der Kollege der ewig mosernden Kommissarin Bella Block, er spielte im Tatort, bei Bloch und im Polizeiruf, am Montag ist er im Zweiten in einem Fernsehfilm zu sehen. Striesow spielt in Ein mörderisches Geschäft einen jungen Unternehmensberater, der in einer insolvenzgefährdeten Firma aufräumen soll und dabei auf allerlei dubiose Machenschaften stößt.

Friedrich von Thun ist darin zu sehen und Christiane Paul. Das ist ordentliches, sehr konventionelles Unterhaltungsfernsehen. Es ist einer dieser Filme, die immer auch zeigen, wie viel mehr eigentlich möglich sein müsste, gerade wenn mit Leuten wie Striesow bei der Wahl der Schauspieler so hoch gegriffen wird.

Kunst für die Kunst, egal in welchem Medium

Devid Striesow, 38, ist in Rostock aufgewachsen, wurde am Theater groß, und mit kleineren bis mittelgroßen Rollen in Filmen wie Lichter (2003) oder Die Fälscher (2007) galt er schon lange irgendwie als Leinwand-Hoffnung. Doch von Kunstfilmen allein kann man nicht leben. Er sagt, dass er sich immer für das Projekt entscheidet, das ihn mehr interessiert, dass er nie automatisch Kino vorziehen würde, nur weil es Kino ist: "Ganz ehrlich, es läuft so viel im Kino . . .".

Kunst für die Kunst, egal in welchem Medium. Vielleicht sieht er das wirklich so, vielleicht nicht. Die DDR-Geschichte 12 heißt: Ich liebe dich war eine zu Recht hochgelobte Fernsehproduktion. In den wirklich kommerziell erfolgreichen deutschen Filmen der vergangenen Jahre, in denen etwa hübsche Männer hübsche Frauen mit handgemachten Kuscheltieren verführen, war Devid Striesow dagegen nicht zu sehen.

Was er sagt, ist, dass sich für ihn beim Ansehen amerikanischer Serien wie Breaking Bad (gerade immer abends beim Kochen die zweite Staffel geguckt) die Frage nach Kino oder Fernsehen nicht mehr stelle. Und dass er sich fragt, warum Programme wie Stromberg oder KDD keinen Zuspruch von der breiten Masse des Publikums bekommen.

Knapp 40 Einträge

Für ihn ist es eine Frage der nationalen Identität, sagt er, "ich kann mir vorstellen, es gibt beim deutschen Publikum keine Bereitschaft zur Selbstanalyse." Wenn Devid Striesow so etwas sagt, sehr lange überlegt, wie er das sagt und dabei in seine Teetasse sieht, bekommt man eine Ahnung davon, wie genau Tom Tykwer mit seinem nett-verkopften Paar den Ton der Berliner Kreativen getroffen hat.

Devid Striesow ist ein manischer Arbeiter, auch das war schon oft über ihn zu lesen. 2007, als er bei der Berlinale gleich in zwei Wettbewerbsfilmen (Die Fälscher und Yella) zu sehen war, berichtete er davon, seine Grenzen erreicht zu haben und von jetzt an langsamer zu machen. Seit 2008 findet man in den einschlägigen Filmdatenbanken knapp 40 Einträge unter seinem Namen.

2011, erzählt er, hat er zum großen Teil in Köln verbracht, seine Frau und sein kleiner Sohn waren dabei. Er hat einen Kinofilm unter der Regie einer Filmhochschulabsolventin gedreht, eine schwarze TV-Kommödie von Stefan Krohmer, jetzt gerade eine Serie. Danach geht er zurück nach Berlin, spielt Theater auf verschiedenen Bühnen, unter anderem mit Joachim Król. Nach Frührente klingt das nicht.

Seltsam unheimlich

Doch Devid Striesow sagt, dass ihm der Stress, den er damals hatte, heute eigentlich genommen sei. Früher habe er mehr Projekte mit kleinerem Umfang zur selben Zeit gemacht, auch mal drei Projekte gleichzeitig. "Heute", sagt er, "sind meine Rollen breiter angelegt, ich mache öfter längere Sachen am Stück. Ich finde, es ist jetzt eine Zeit, nicht mehr so viel parallel zu arbeiten. In den zwölf Jahren seit dem Ende der Hochschule hat sich ja was aufgebaut."

Es ist wohl seine sehr sympathische und auch etwas verdruckste Art zu sagen, dass er heute einfach noch ein bisschen größer im Geschäft ist als früher.

Klar, Devid Striesow ist ein hervorragender Schauspieler, weshalb man diese Dinge so endgültig ja nie sagen kann, aber ein besonders breitbeiniger Typ scheint er nicht zu sein. Er ist auf eine etwas seltsame Art sehr konzentriert, jemand, der in einer Antwort so weit ausholen kann, dass man längst die eigene Frage vergessen hat und dann trotzdem immer am Ende genau da landet, wo man ursprünglich einmal hingezielt hatte. Wobei weit ausholen in seinem Fall auch Gespräche über das richtige Alter zum Sterben und den passenden Schlafrhythmus für Kinder bedeuten kann.

Devid Striesow lacht sehr viel und sehr freundlich, was an sich kaum mitteilenswert wäre, wäre da nicht dieses seltsam Unheimliche, das er ausstrahlt, egal ob er einen Borderliner, einen Bisexuellen oder einen Unternehmensberater spielt. Ein bisschen wie Anthony Hopkins, bei dem man seit dem Schweigen der Lämmer auch immer befürchtet, er könnte seinem Gegenüber gleich das Gesicht abbeißen, was er im echten Leben wahrscheinlich auch selten tut.

Wie also schmeckt Sebastian Schipper? Devid Striesow überlegt kurz, dann sagt er: "Wie ein Igel". Und lacht.

Ein mörderisches Geschäft. ZDF, Montag, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: