Satire-Sendung "Extra 3":Teere, wem Ehre gebührt

extra3 Stumpfi im Deutschen Bundestag

Die Handpuppe täuscht: "Wir machen das ja nicht zum Quatsch" sagt der Redaktionsleiter über den oft auch politischen Anspruch von "Extra 3".

(Foto: Michele Tantussi/NDR)

In der ARD will man künftig weniger talken und mehr lachen: Deswegen kommt die NDR-Satire-Sendung "Extra 3" nun ins Erste. Sie hat Neuzugänge eingekauft wie ein Fußballclub.

Von Cornelius Pollmer

Reinhold Beckmann hat vor ein paar Tagen das letzte Mal Beckmann moderiert, aber wenn er und der Weltgeist es zulassen, dann wird er noch einmal zurückkommen. Bei dieser Wiederkehr würde Beckmann, irgendwann in den nächsten Monaten, Beckmann parodieren, und zwar auf dem Sendeplatz von: Beckmann. Am Rahmen für dieses mögliche Großereignis zimmert gerade noch eine Redaktion in Hamburg, jene des NDR-Satiremagazins Extra 3.

Seit ziemlich genau 38 Jahren läuft das Format im Nord-Dritten, vom 9. Oktober an wird es einmal im Monat zusätzlich fürs Erste produziert, weil man dort donnerstagabends statt einer fünften Talkshow nun Heiterkeit zum Einsatz bringt. Extra 3 dauert dann 45 Minuten statt 30, und wird im selben, aber aufpolierten Studio vor einem künstlichen Berliner Abendhimmel aufgezeichnet. Das sind die überschaubaren Äußerlichkeiten unter den Änderungen, die wesentlichen aber betreffen den Kader. Extra 3 hat eingekauft, wie ein Fußballklub, der sich nach überraschend ordentlicher Vorsaison nun für die vielen englischen Wochen und Top-Spiele vor großer Kulisse bewaffnet. Es folgt die Mannschaftsaufstellung samt Neuzugängen.

"Mein Traum wäre Florian Silbereisen"

In der Rubrik "Walulis sieht fern" parodiert Philipp Walulis schon eine ganze Weile aus Funk und Fernsehen bekannte Formate auch bei Extra 3. Zu den Klick-Klassikern gehört der im gut sortierten Internet noch erhältliche Clip "Der typische Tatort in 123 Sekunden". In der ersten Ausgabe von Extra 3 im Ersten widmet sich Walulis noch einmal dem Tatort, nun aber mit einem echten Fernsehkommissar als Hauptdarsteller: Udo Wachtveitl.

Nach diesem Prinzip soll es auch in den Ausgaben zu anderen Fernsehklassikern weitergehen. Reinhold Beckmann wäre also der ideale Gast, von ihm liegt allerdings ebenso wenig eine Zusage vor wie von anderen Wunschgästen. "Mein Traum wäre Florian Silbereisen", sagt Redaktionsleiter Andreas Lange. Moderator Christian Ehring wiederum formuliert großes Interesse an Veronica Ferres, "aber ich glaube jetzt einfach mal nicht, dass sie mitmachen würde".

Wie schwer es ist, auch nur Halbprominenz für Satire zu gewinnen, das hat Andreas Lange schon bei einem anderen Novümchen gemerkt, das Extra 3 im Ersten zeigen möchte, dem "Roast". Im amerikanischen und britischen Fernsehen funktioniert dieses Prinzip super, Prominente werden sachte beschimpft und anderweitig gegrillt, obwohl man sie eigentlich gut findet, und weil sie das mitmachen, findet man sie hinterher noch besser. Motto: Teere, wem Ehre gebührt. In Deutschland ist es offenbar so, dass Menschen erst zu- und dann wieder absagen. Kommen aber wollen offenbar Die Fantastischen Vier, Nena, Fettes Brot und Revolverheld, immerhin. Letztere haben ja gerade mit der Vertonung einer Doppelseite des Magazins Landlust Stefan Raabs Bundesvision Songcontest gewonnen und damit schon mal großzügig zusätzliche Angriffsfläche aufgerissen.

Armin Rohde als Personenschützer

Schon vertraglich fixiert ist ein weiterer Neuzugang, Armin Rohde. Dennis Kaupp und Jesko Friedrich haben für ihn die Rolle eines Personenschützers entwickelt, unter Verwendung der Mechanik des US-Kater-Blockbusters Hangover. Rohde wird also immer wieder neu seine eigenen Einsatznächte rekonstruieren, deren erste wird er an der Seite Horst Seehofers verbracht haben, notabene ohne dessen tatsächliche Mitwirkung.

Die Einspieler mit Rohde laufen als Vorproduktionen, der Allparodist Max Giermann hingegen wird bei der Aufzeichnung im Studio für die Spiegelung von Aktuellem zur Verfügung stehen. Giermann bringt von Switch Reloaded bei Pro Sieben die zwei Maskenbildner seines Vertrauens mit, nicht aber seine Figuren, für Extra 3 wird er neue Persiflagen entwickeln.

Das Hinterzimmer werden Andreas Lange und Christian Ehring ebenfalls mit ein paar zusätzlichen Stühlen aufrüsten müssen. Zwar arbeite Extra 3 personell gesehen immer noch mit relativ kleinem Besteck, sagt Ehring. Aber wo es an Leuten fehle, gleiche man das eben mit Elan wieder aus. Und an Leuten fehlt es nun ja auch ein gutes bisschen weniger, schon wegen der Verpflichtung von Micky Beisenherz. Dieser schreibt unter anderem fürs Dschungelcamp wie für die Heute-Show . Zu einer Kooperation beider Formate über diesen Umweg wird es aber nicht kommen, für Beisenherz gibt es eine scheidungskindähnliche Regelung, er wird nicht in derselben Woche für beide Sendungen zuliefern.

Bastelschere im Kopf

Wie man mit so einer Bastelschere im Kopf am besten umgeht, das könnte ihm Christian Ehring erklären, der nun doppelt erscheinen wird. Donnerstags als Moderator von Extra 3 nach den Tagesthemen, freitags als Schauspieler bei der Heute-Show nach dem Heute-Journal. Ehring findet diese Sendeplätze und deren politisch schon angewärmtes Publikum hervorragend, "da kann man gleich in die Vollen gehen und muss sich nicht fragen, wo kommen die Leute her, wofür interessieren sie sich".

Redaktionsleiter Andreas Lange erhofft sich von der ARD vor allem eine stärkere Wahrnehmung seines Formats, "und das will man als Satireformat ja irgendwann auch, wir machen das ja nicht zum Quatsch". Um der Wahrnehmung ein wenig nachzuhelfen, wird noch vor der Premiere am 9. Oktober eine von Tobias Schlegl angeleitete Straßenguerilla aktiviert. Sie wird Hochbauten von Politik und Wirtschaft mit Botschaften bestrahlen und Filme davon hernach ins Netz laden. Eine etwas physischere Aktion plant Lange vor einer Parteizentrale in Berlin, "so 'ne Art analoge Augmented Reality". Was auch immer das ist - auf die Dienste des Bodyguards Armin Rohde wird man in diesem Fall wohl verzichten können.

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