Sabine Christiansen im Gespräch:"Im deutschen TV fehlen Wirtschaftslenker"

Christiansens Comeback: Ein Gespräch mit der Moderatorin über ihre Sendung, Wirtschaftsbosse und einen Sturm im Wasserglas.

Johannes Aumüller

Sabine Christiansen kehrt ins deutsche Fernsehen zurück. Von diesem Montag an stellt die Moderatorin in einem halbstündigen wöchentlichen Format bei n-tv im Wechsel mit Christoph Keese (Konzerngeschäftsführer "Public Affairs" bei Axel Springer, früher Chefredakteur der Financial Times Deutschland und der Tageszeitung Die Welt) Unternehmen und deren Chefs vor. Chefsache - Manager, Marken, Märkte, heißt die Reihe. Sie beginnt mit Puma-Chef Jochen Zeitz (Montag, 18:30 Uhr).

Leute-News: Sabine Christiansen

Comeback im deutschen Fernsehen: Sabine Christiansen ist als Moderatorin zurück.

(Foto: ddp)

sueddeutsche.de: Frau Christiansen, nach einigen Jahren Pause kehren Sie wieder mit einem wöchentlichen Wirtschaftsformat ins deutsche Fernsehen zurück. Sie wollen in halbstündigen Beiträgen Unternehmen und Unternehmer porträtieren. Bislang haben Sie hierzulande vor allem als Talkshow-Gastgeberin reüssiert. Warum schwenken Sie um?

Christiansen: Wo sehen Sie einen Schwenk? Politik und Wirtschaft haben wir nie näher beieinander gesehen als in den letzten Jahren seit der Finanzkrise. Ich habe 25 Jahre im Fernsehen in den Bereichen Politik und Wirtschaft hinter mir, inklusive vier Jahre mit dem weltweiten Wirtschaftssender CNBC. Danach haben Christoph Keese und ich uns gefragt: Wie kommt man den Personen näher? Wie kommt man den Unternehmen näher? Wer weiß eigentlich etwas über Unternehmen? Daraus ist unsere neue Sendung entstanden.

sueddeutsche.de: Aber Formate, mit denen man den Unternehmenschefs etwas näher kommen will, gibt es in den deutschen Medien schon zuhauf.

Christiansen: Im Print vielleicht, da gibt es immer wieder Porträts oder "Eine Fahrt mit ..." oder solche Dinge. Aber das deutsche Fernsehen findet meist unter Ausschluss der wichtigsten Wirtschaftslenker statt. Zu sehen sind sie in Kurzinterviews nach Bilanzpressekonferenzen oder Nachrichten. Selbst Sonderreihen über Dynastien berichten oft über, aber nicht mit Interviews der heute Verantwortlichen.

sueddeutsche.de: Aber es gab doch in den vergangenen Monaten zum Beispiel die große Maschmeyer-Berichterstattung des NDR, das Ackermann-Porträt Die Welt des Josef Ackermann im Ersten oder aus der Reihe Duelle die Aufarbeitung der Fehde Porsche gegen Piëch, wo es nicht nur um die Dynastie ging, sondern auch um die heutigen Konflikte.

Christiansen: Wunderbar - auch da die Frage: mit allen Beteiligten oder ohne? Wir denken eher an Reihen wie The Boss bei CNN oder The Leaders bei CNBC. Natürlich sind das Porträts, aber mehr Reportagen als Dokumentationen über große Clans. Es ist nicht unser Anliegen, uns Unternehmen danach auszusuchen, ob da vielleicht gerade Unfrieden herrscht oder irgendetwas Negatives zu berichten wäre. Sollte das der Fall sein, dann ist es so. Aber wir suchen nicht gezielt danach.

sueddeutsche.de: Es sollen also heimelige Porträts von Unternehmenschefs werden?

Christiansen: Das hat mit heimelig nichts zu tun.

sueddeutsche.de: Sagen wir, ein Porträt, das dem Unternehmenschef menschlich sehr nahe kommt.

Christiansen: (lacht) Manche lassen sich näher kommen, manche nicht. Das ist bei Serien wie Höchstpersönlich ja genauso. Man kann das nicht so genau vorhersagen. Es ist aber nicht so, dass wir etwas über den Hund oder die Familie wissen möchten, sondern es geht um das Unternehmen und darum, wie derjenige dort agiert, was er zu Begriffen wie "Management von morgen" oder Nachhaltigkeit und zu aktuellen Themen wie Frauen im Vorstand denkt.

"Zuerst ist Martin Winterkorn dran"

sueddeutsche.de: Was steht jetzt im Mittelpunkt, das Unternehmen oder der Manager?

Christiansen: Das kommt ein bisschen auf die aktuelle Situation an. In unserer ersten Sendung geht es um den scheidenden Puma-Chef Jochen Zeitz. Da ist es spannend, die neue Aufgabe, die er beim Technologiekonzern PPR innehaben wird, zu beleuchten. Gleichzeitig ist er noch in seinem alten Job, also werfen wir auch einen Blick auf Puma.

sueddeutsche.de: Wenn es schon nicht um den Hund geht, geht es wenigstens um so etwas wie Sprachkenntnisse? Zeitz gilt zum Beispiel als polyglott, beherrscht sogar Kisuaheli.

Christiansen: Wir haben ihn in Afrika erlebt, wir haben ihn in Paris erlebt, er ist gewandt in allen Sprachen, aber für einen internationalen Manager ist das nicht so herausragend, um das in den Mittelpunkt zu stellen. Interessanter ist doch, wie es bei PPR und Puma weitergeht. Aber natürlich ist Teil unseres Beitrages das Buch, das er zusammen mit dem Benediktinerpater Anselm Grün verfasst hat, das macht ja nun nicht jeder Manager.

sueddeutsche.de: In den späteren Sendungen kommen unter anderem Jeff Immelt von General Electric, Michael Frenzel von Tui und Dieter Großmann von RWE zu Wort. Ist irgendwann auch eine Sendung mit Daimler-Chef Dieter Zetsche geplant?

Christiansen: Keine Ahnung. Zuerst ist Martin Winterkorn (Vorstand des Daimler-Rivalen VW, Anm. d. Red.) dran.

sueddeutsche.de: Aber würden Sie einen Beitrag über Zetsche machen? Immerhin gab es im Jahr 2008 Aufregung, weil Sie als Markenbotschafterin für Daimler unter Vertrag standen und gleichzeitig zu der von Ihnen moderierten ARD-Sendung Mein 2008 unter anderen Zetsche und mehrere Sportler, die als sogenannte Markenbotschafter PR für den Konzern machten, eingeladen waren.

Christiansen: Die Aufregung war auch so ein Sturm im Wasserglas, wissen Sie. Ich habe damals für die Laureus-Sports-for-Good-Stiftung gearbeitet, das mache ich heute noch mit großem Engagement für alle Projekte in Deutschland, Afrika oder Haiti. Diese Stiftung wird übrigens von allen großen Sportlern aktiv begleitet und von diversen Partnern wie Daimler, Richmont und Vodafone unterstützt.

sueddeutsche.de: Das heißt, Zetsche ja oder nein?

Christiansen: Nein, ich werde das nicht machen. Sollten wir Daimler machen, hatte Herr Keese bereits Interesse signalisiert.

"Bei n-tv sitzt unsere Zielgruppe"

sueddeutsche.de: Ihr Format läuft bei n-tv. Befürchten Sie nicht, dass wegen des Senders und dessen Positionierung im Markt der Eindruck entsteht, es sei sehr wirtschaftsnah und nicht besonders kritisch? Wäre das Format bei anderen Sendern vielleicht besser aufgehoben?

Christiansen: Im Gegenteil: Deutschland ist eines der wenigen, wirtschaftlich relevanten Länder, das sich keinen Wirtschaftssender leistet. Eigentlich hätten dereinst die öffentlich-rechtlichen Sender und die deutsche Politik einen Wirtschafts- und Nachrichtensender aus der Taufe heben sollen, der es mit CNBC, BBC World oder France 24 hätte aufnehmen können.

Nun hat sich n-tv zu einem Sender mit starker Wirtschaftsberichterstattung entwickelt - dort sitzt unsere Zielgruppe. Was nutzt die Sendung irgendwo im öffentlichen-rechtlichen Nachmittagsprogramm, wo der sogenannte Audienceflow nicht funktionieren würde. Dort sind Verbrauchersendungen und Ratgeber gut aufgehoben. Am späteren Abend dominieren Talksendungen in Zukunft jeden Tag - da scheint kein Platz mehr für Reportagen.

sueddeutsche.de: Warum haben Sie das Format erst einmal auf zehn Folgen konzipiert?

Christiansen: Vier Teams arbeiten gerade gleichzeitig, weil solche Sendungen sehr aufwändig sind und zeitnah gesendet werden müssen. Deswegen haben wir uns erst einmal die zehn Folgen gesetzt, angelegt ist es eigentlich auf mehr. Wir wollen schauen, ob das so und in diesem Rhythmus funktioniert.

sueddeutsche.de: Es ist also noch unklar, ob das nur ein kurzer Ausflug ins deutsche Fernsehen ist oder eine dauerhafte Rückkehr?

Christiansen: (lacht) Also ich wollte jetzt nicht bis 70 weitermachen.

sueddeutsche.de: Zwischen zehn Folgen und Arbeiten bis 70 gibt's ja noch einen gewissen Graubereich.

Christiansen: Das stimmt. Ich muss sagen, das haben wir einfach völlig offengelassen.

sueddeutsche.de: Ein gewichtiges Argument wird sicherlich die Quote sein. Was sind da die Erwartungen?

Christiansen: Keine.

"Interesse an den Gästen"

sueddeutsche.de: Das glauben wir Ihnen natürlich nicht. Was erwartet der Sender?

Christiansen: Ob Sie es mir glauben oder nicht, wir haben darüber noch nicht gesprochen.

sueddeutsche.de: Beeindruckend, in welch luxuriöser Ausnahmesituation Sie da leben.

Christiansen: Es gibt Sendungen und Sendereihen, bei denen die Quote nicht so im Vordergrund steht wie bei einer neuen Spielsendung. Hier gab es ein Interesse an dem Format und den Gästen.

sueddeutsche.de: Planen Sie für sich persönlich die nächste Zeit noch andere Formate?

Christiansen: Zwei, drei Dokumentationen schaffe ich außerhalb der sehr zeitaufwendigen Sendereihe noch, aber sonst nichts im TV-Bereich.

sueddeutsche.de: Das heißt, Sie machen nichts mehr im politischen Bereich wie zum Beispiel 2009 die Wahlarena?

Christiansen: Ich habe 25 Jahre lang sehr gerne schwerpunktmäßig Nachrichten und Politik gemacht, aber die Wirtschaft hat - nicht erst seit der Finanzkrise - starken Anteil an unserer täglichen Nachrichtenwelt genommen. Wenn wir uns anschauen, wie viel Wirtschaft in jeder Tagesschau steckt, dann steckt übers Jahr gesehen mindestens so viel Spannendes drin wie in diesem Wahljahr.

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