Russlands Antwort auf "Mad Men":Pepsi für die jungen Wilden

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Ausgerechnet in einer Zeit der erneuten politischen Konfrontation feiert im Staatsfernsehen die Serie "Die Optimisten" Erfolge, die aus der Tauwetter-Periode zwischen Ost und West erzählt.

Von Julian Hans

Das Spiel scheint wieder einmal fast verloren: Die amerikanische Küstenwache hat ein Dutzend sowjetische Seeleute aus dem Meer gefischt, die vor der Küste Schiffbruch erlitten haben. Schon ist der Korrespondent der N ew York Times in Moskau an der Geschichte dran. Er hat die Mutter eines Schiffbrüchigen gefunden; eine gutgläubige Frau, die in einem ärmlichen Holzhaus auf dem russischen Land wohnt und ihm die Türe und ihr Herz weit öffnet. Das wird eine rührselige Fortsetzungsgeschichte nach dem Skript des Kalten Krieges: von armen Männern, die froh sind, der Sowjetunion entkommen zu sein und nur einen Wunsch haben - im Westen bleiben zu dürfen, im gelobten Land USA!

Doch Grigorij Birjukow schafft es auch diesmal, der Geschichte noch eine Wendung zu geben: Der ehrgeizige Leiter der Abteilung für Information und Analyse im Außenministerium der UdSSR setzt sich im Flieger nach New York neben den Journalisten und jammert ihm beim Whiskey vor, die Schiffbrüchigen würden in der sowjetischen Botschaft in Washington bereits vom KGB gefoltert und könnten sich auf ein Leben im sibirischen Lager einstellen. Als die Gruselstory vom blutrünstigen Sowjetregime anderntags erscheint, präsentiert der sowjetische Botschafter in einer eilig einberufenen Pressekonferenz die Seeleute unversehrt, ausgeschlafen und in eleganten Anzügen. Alle freuen sich darauf, bald nach Hause zu kommen, über Fragen nach Folter können sie nur lachen. Und der eitle Korrespondent steht da wie ein Lügner, gerade noch bewundert von den Kollegen und nun verhöhnt.

Das Konfrontation von Ost und West und das Ringen zwischen Wahrheit und Manipulation - das ist alles hochaktuell. Haben wir das nicht gerade erst erlebt mit dem Versteckspiel um russische Soldaten in der Ukraine? Mit "Fake News" und der Rolle, die Russlands Chefdiplomat in der erfundenen Geschichte um das Berliner Mädchen Lisa spielte? Nun kann man diese Muster einmal mit einigem historischen Abstand betrachten - in einer Produktion der staatlichen Rundfunkholding WGTRK. Sie spielt im Jahr 1960, in einer Zeit also, in der der Wettlauf zwischen den Systemen noch nicht entschieden ist. In der die Sowjetunion mit dem ersten Satelliten und dem ersten Mensch im All sogar für kurze Zeit in Führung geht. Die Serie Die Optimisten erzählt von jungen Diplomaten, die ihrer Zeit voraus sind: sympatische, gut angezogene, motivierte Leute, die sich dafür einsetzen, dass ihr Land das verdiente Ansehen in der Welt bekommt. Die erste Staffel war im April so erfolgreich, dass schon im Winter die zweite folgen soll.

Der russische Außenminister lobte die Serie. Das Diplomatenleben sei allerdings nicht ganz so exotisch

Sieben Jahre nach Stalins Tod ist dort die fortschrittliche Elite der Tauwetter-Zeit versammelt, Absolventen der Moskauer Diplomatenschmiede MGIMO, die alle eine persönliche Verbindung zum Westen haben und deshalb verstehen, wie der Gegner tickt. Da ist der Sohn russischer Emigranten, geboren in Paris, dessen Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg voller Hoffnung heimgekehrt waren und direkt im Lager landeten. Er aber hat sich von ihnen losgesagt und eine Karriere in der Partei gestartet. Oder der Kuba-Experte, der in einem Kinderheim unter Waisen aufgewachsen ist, die nach dem spanischen Bürgerkrieg in die Sowjetunion kamen. Niemand schenkt den Ideen der jungen Wilden Beachtung, bis ihnen der weltläufige Whiskeytrinker Grigorij Birjukow vor die Nase gesetzt wird. Von seiner neuen Abteilung hält er eigentlich nicht viel, aber sein Ehrgeiz treibt ihn an.

Nach dem Vorbild von Mad Men werden die Zuschauer auf eine nostalgische Reise in die Sechzigerjahre mitgenommen. Birjukow ist auch äußerlich eine Art Don Draper der sowjetischen Diplomatie. Und auch wenn das Moskauer Außenministerium keine New Yorker Werbeagentur ist, geht es hier wie dort darum, etwas zu verkaufen. Es geht um PR für das größte Land der Erde, das sich dem westlichen Lager entgegenstellt. Und dabei sehen alle ziemlich lässig aus: Hornbrillen, Steckfrisuren, Scheitel und Pomade, elegante Kleider und Anzüge gab es nämlich auch im Ostblock.

Das liegt im Trend. Vor drei Jahren lief im staatlichen Ersten Kanal die Serie Tauwetter über die Zeit nach dem Ende der Stalin-Diktatur, als Schriftsteller, Künstler und Musiker wieder Mut fassten und eine Blütephase der Kultur anbrach. Sogar Parteichef Nikita Chruschtschow kehrte beeindruckt von seiner USA-Reise zurück und die sowjetische Gesellschaft machte erste Erfahrungen mit der Konsumkultur. Die Optimisten nippen skeptisch an ihrem ersten Glas Pepsi Cola und hören die ersten Takte Beat-Musik.

Überhaupt kann man nach den 13 Folgen der ersten Staffel den Eindruck haben, es habe keinen großen Unterschied gegeben zwischen West und Ost. Alle arbeiten mit den gleichen Tricks und am Ende kommt es darauf an, wer die bessere PR macht. Ob das westliche Modell die Oberhand gewinnt oder das sowjetische ist allein eine Frage des Geschicks, der Verhandlungskunst und der Propaganda. Wären alle Menschen in der Sowjetunion so smarte Optimisten gewesen wie Birjukow und seine Truppe - wer weiß, wie der Kalte Krieg ausgegangen wäre?

Der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte die Produktion nach dem Start im April. Das Leben eines Diplomaten sei zwar nicht ganz so exotisch wie dargestellt, aber wenn die Serie dazu beitrüge, dass noch mehr junge Leute sich für den Beruf interessierten, sei das gut. "Wenn die Hauptdarsteller nur dasitzen und irgendwelche Papiere schreiben oder untereinander in einer Sprache sprechen würden, die kein normaler Mensch versteht, wäre das wohl etwas langweilig."

Der wieder aufgewärmte Ost-West-Konflikt, das immer wiederkehrende Motiv, dass die Amerikaner unfair spielen, die schöngefärbte Wirklichkeit der Sechzigerjahre in Bonbonfarben, das passt natürlich zur Linie des russischen Staatsfernsehens. Aber verglichen mit dem hysterischen Ton, der in Nachrichten und Talkshows vorherrscht, ist die Serie des Produzenten Alexej Popogrebskij angenehm ruhig und subtil. Das mag daran liegen, dass die Idee schon 2010 entstand, also lange bevor mit dem Ukraine-Krieg die Konfrontation zwischen Ost und West wieder aufflammte. Ursprünglich sei es ihnen um eine Würdigung des Stils dieser Zeit gegangen, sagt der Mitautor Michail Idow. Dafür lohnt es sich ein Blick in die Produktion allemal - auch wenn man kein Russisch versteht.

Alle Folgen: optimisty.russia.tv

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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