RTL und sein Nachrichtensender n-tv:Eine Art Anspruch

Nachrichten sind ein teures Geschäft. RTL leistet sich trotzdem den Kanal n-tv. 2011 hat er sogar Gewinn gemacht. Doch spätestens mit dem Blick ins Ausland wird deutlich, wie wenig ein kommerzieller deutscher Nachrichtensender eigentlich leisten kann.

Katharina Riehl

Es war im November 2009, als Thomas Ebeling, Chef des Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1, in einem Interview laut über die Zukunft des zur Gruppe gehörenden Nachrichtensenders N 24 nachdachte. Nachrichten, erklärte Ebeling, seien "in jedem Fall ein Zuschussgeschäft", außerdem seien sie "vielleicht für das Image bei Politikern wichtig, aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern". Die Aufregung war nicht nur in der Belegschaft, sondern auch in den Staatskanzleien ziemlich groß, und die Aussage zeigte am Ende ja vor allem, wie viel man bei Pro Sieben Sat 1 von seinem Publikum hält. Ein halbes Jahr später wurde N 24 an die neugegründete N 24 Media GmbH verkauft.

Seit Anfang 2006 gehört n-tv ganz zur RTL Gruppe.

Seit Anfang 2006 gehört n-tv ganz zur RTL Gruppe.

(Foto: dpa/dpaweb)

Pro Siebens Kölner Konkurrent, die Mediengruppe RTL Deutschland, hat ihren Nachrichtenkanal im selben Jahr etwas näher zu sich geholt. Von Köln-Ossendorf, wo sich die n-tv-Belegschaft im Industriegebiet das Gebäude mit Vox und Super RTL teilte, zog die Redaktion nach Köln-Deutz, ins neue Haus der Senderfamilie. Wäre nicht eine Säule im Bild, könnte n-tv-Geschäftsführer Hans Demmel von seinem Schreibtisch aus den Dom sehen.

Seit Anfang 2006 gehört n-tv ganz zur RTL Gruppe; CNN, früher Gesellschafter des Senders, hatte seine Anteile verkauft. 2011 nun, fünf Jahre nach der Übernahme, ist n-tv etwas Bemerkenswertes gelungen - gerade im Hinblick auf das, was Ebeling einst über N 24 erzählte. Das Nachrichtenfernsehen von RTL hat 2011 zum ersten Mal seit elf Jahren und das zweite Mal überhaupt schwarze Zahlen in die Bilanz geschrieben, n-tv ist für RTL offenbar kein Zuschussgeschäft mehr. Ist es also doch möglich, mit deutschem News-TV Geld zu verdienen?

Hans Demmel, 56, möchte auf diese Frage hin gerne weiter ausholen. Nachrichtenfernsehen, sagt er, habe in Deutschland immer als sehr schwer refinanzierbar gegolten - "weil Nachrichten teuer sind in der Produktion, weil sie schwer vorhersehbar sind, weil es durch den Gesetzgeber Werberestriktionen gibt, und weil wir im Nicht-Krisen-Fall auch einfach über ein begrenztes Publikum verfügen." Dass sein Sender nun trotzdem Profit abwerfe, liege daran, dass "wir an den richtigen Stellen gespart und zudem fleißig an unseren Baustellen gearbeitet haben" - und weil man "zum Glück" keine Probleme habe, Werbekunden zu bekommen. Laut Demmel gehört der n-tv-Zuschauer einer höheren Einkommensgruppe an: "Das macht uns für Werbekunden durchaus interessant."

Rekordzahl im extremen Nachrichtenjahr 2011

N-tv hat Erfolg bei einem ganz bestimmten Werbepublikum, zumindest kann man im täglichen Programm zwischen den Nachrichten- und Wirtschaftssendungen einige Werbung sehen. Für Finanzdienstleister, Banken oder Autohersteller, die wissen, dass sie bei n-tv laut Demmel zu zwei Dritteln Männer erreichen und - ganz unplausibel ist das ja nicht - vor allem solche, die auch Bedarf nach Finanzdienstleistern haben.

Trotzdem orientiert sich der Werbepreis natürlich auch an der Zahl der Zuschauer, die man bei einem Sender erreichen kann. N-tvs Marktanteil beim Gesamtpublikum lag 2011 - gleichauf mit N 24 - bei einem Prozent, ein Rekord für den Sender. Die Rekordzahl in diesem mit dem arabischen Frühling und Fukushima so extremen Nachrichtenjahr zeigt aber auch, wie begrenzt das Marktpotential für einen deutschen News-Kanal ist.

Ausführlich informiert - "wo auch immer"

Zur Geschichte des überraschenden Erfolges von n-tv gehören aber nicht nur ordentlich verkaufte Werbeplätze zwischen Nachrichtenblöcken, zum Erfolg von n-tv gehören auch Ratgeber - Test, Bauen extra, PS - Das Automagazin, Zerlegt! Ein Flugzeug in Einzelteilen oder Das Superbike. Nach 16 Uhr beginnt bei n-tv das Abendprogramm, was bedeutet, dass nicht mehr abwechselnd Nachrichten und das Wirtschaftsmagazin Telebörse gezeigt werden, sondern vor allem Doku-Formate aller Art. "Verbraucherorientiertes Programm" nennt Hans Demmel das, "Nutzwertfernsehen".

Es sind Sendungen, für die es weniger Werberestriktionen gibt. Es gibt noch immer Nachrichten im n-tv-Abendprogramm, anders als bei N 24, wo nach den 20-Uhr-Nachrichten kaum noch aktuelle Berichterstattung stattfindet. Doch auch n-tv hat dort, wo die Zuschauerzahlen insgesamt und damit die Werbebudgets am größten sind, in den vergangenen Jahren nach und nach seinen Nachrichtenanteil heruntergefahren.

"Natürlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen, und da muss man sehen, welche Bedürfnisse es bei unserer Seherschaft gibt", sagt Demmel, und man sei der Überzeugung, dass der nachrichteninteressierte Deutsche sich nach 20 Uhr ausführlich informiert habe - "wo auch immer".

Man ärgert sich zum Teil sehr

Da ist was dran. Zwei große öffentlich-rechtliche Sendeanstalten betreiben nicht nur im Hauptprogramm, sondern auch auf dem Ereigniskanal Phoenix und seit einiger Zeit auf ihren digitalen Angeboten wie Eins Extra (inzwischen Tagesschau24) oder ZDF info gebührenfinanzierten Nachrichtenjournalismus. Den ganzen Tag lang und mit den Ressourcen ihrer riesigen Sendeanstalten. Kürzlich haben ARD und ZDF auch noch angekündigt, bei ihren Nachrichten vormittags nicht mehr zusammenzuarbeiten, sondern sich Konkurrenz zu machen. Die Anstalten investieren in Informationen, nicht nur digital. Hans Demmel sagt, und das kann kaum überraschen, man ärgere sich "zum Teil sehr über die Aktivitäten von ARD und ZDF".

Das duale deutsche System ist mit dem anderer Länder bekanntlich schwer zu vergleichen, und trotzdem wird mit Blick ins Ausland deutlich, wie wenig ein kommerzieller deutscher Nachrichtensender im Grunde leisten kann. Wenn bei n-tv am Abend Häuser gebaut werden, fängt beim großen Nachrichtenkanal CNN die Hintergrundberichterstattung an. African Voices oder International Desk heißen die Sendungen, danach talkt Piers Morgan.

"Eine sehr saubere und präzise Abdeckung dessen, was passiert"

Bei n-tv gibt es 140 Festangestellte, dazu Freie, Korrespondenten sitzen in London, Paris, im arabischen Raum, in Moskau, New York und Washington - CNN hat etwa 4000 Mitarbeiter und 45 Korrespondentenbüros, seine Bilder verkauft der Sender in die ganze Welt, was den Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung betrifft, liegt CNN Studien zufolge weit vor internationalen Printmedien, das Programm geht mit Exklusiv-Geschichten und Interviews oft über die klassische Berichterstattung hinaus.

Die Recherche eigener, vielleicht sogar investigativer Geschichten sieht Demmel nicht als "vorrangige Aufgabe" von n-tv. Man freue sich über "eine sehr saubere und präzise Abdeckung dessen, was passiert." Und auch wenn er das so nicht sagt, ist das mit den vorhandenen Ressourcen wahrscheinlich schon viel. Wie bescheiden der Sender arbeitet, zeigen schon die Räume in Köln. Die Studios liegen in unmittelbarer Nähe zu denen der RTL-Nachrichtenformate. In deren Regieraum gibt es einen Bildschirm etwa so groß wie zwei Fußballtore. Die Bildschirme, mit denen das Programm von n-tv koordiniert wird, sind verglichen damit für den Hausgebrauch geeignet. Das Programm, das dabei herauskommt, wirkt in guten Momenten sehr professionell, in weniger guten wie sehr professionelles Studentenfernsehen.

Bertelsmanns RTL Group hat n-tv 2011 kein Geld mehr gekostet, entscheidend zum Konzernergebnis trägt der Kanal aber sicher nicht bei. Dass RTL sich den kleinen Kanal trotzdem leistet, dürfte diverse Gründe haben: Für das Unternehmen RTL Deutschland, das mit quotenstarken und wenig anspruchsvollen Unterhaltungsformaten seit Jahren den Markt beherrscht, ist n-tv ein seriöser Gegenakzent, und von der Medienpolitik wird das durchaus zur Kenntnis genommen.

Zum Beispiel auch seriositätsstiftend

Marc Jan Eumann, Vorsitzender der SPD-Medienkommission und Medien-Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen, etwa sagt, gerade weil die Öffentlich-Rechtlichen bei der Finanzierung von Nachrichten einen klaren Vorteil haben, sei es gut, dass private Veranstalter sich hier engagieren. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagt, sie sei "zunächst froh, dass wir überhaupt zwei Privatsender haben, wo es fast zu jeder vollen Stunde Nachrichten gibt". N-tv ist gut fürs Image, auch dass dort nun einmal im Monat der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender talkt, wirkt zum Beispiel auch seriositätsstiftend.

Auch über die Nachrichtenformate des Hauptsenders RTL wird im Konzern ja gerne gesprochen, wenn man nicht über Trash-TV reden möchte. Noch enger hängen RTL Aktuell und n-tv zusammen, seit 2008 das Unternehmen Infonetwork gegründet wurde, die Tochterfirma mit 560 Mitarbeitern beliefert die gesamte Sendergruppe mit Nachrichten. Outsourcing nennt man das wohl. Auch die Gründung von Infonetwork und die engere Zusammenarbeit zwischen den Sendern haben zur finanziellen Entspannung von n-tv beigetragen. Früher, sagt Demmel, sei bei einer Pressekonferenz das Team von Vox neben dem von RTL und dem von n-tv gestanden. Das mache man heute nicht mehr.

Auch N 24, der deutsche Nachrichtensender, den Pro Sieben Sat 1 nicht mehr haben wollte, hat seinem Geschäftsführer Torsten Rossmann zufolge 2011 übrigens operativ schwarze Zahlen geschrieben. Sicher auch, weil Rossmann heftig gespart hat. Und nur mit Nachrichten ist auch ihm das nicht gelungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: