RTL-Dschungelcamp: Tag drei:Am Lagerfeuer des Leids

RTL-Dschungelcamp, Ich bin ein Star - holt mich hier raus!, Menderes Bagci

Eigentlich wollte er nur Erfolg haben - dann wurde er als Prügelknabe von Dieter Bohlen und DSDS-Witzfigur bekannt: Menderes Bağcı.

(Foto: RTL)

Tag drei im australischen Busch: Menderes Bağcı und Thorsten Legat erzählen ihre Familiengeschichten. Moderatorin Zietlow vergeht die Lust auf Häme.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Das ist passiert: Es wird ernst im Dschungel, ja sogar bitter. Denn die Kandidaten sind nicht nur mit jeweils zwei Luxusartikeln ins Camp gezogen, sondern auch mit seelischem Ballast. Es braucht einen Gunter Gabriel, um Sophia Wollersheim die offensichtliche Frage zu stellen: "Warum haste das gemacht?" Gemeint sind natürlich ihre Brüste. Sophias Antwort ist genauso geradeheraus: "Weil ich ganz schlimme Minderwertigkeitskomplexe habe." Sie sei früher übergewichtig gewesen, sei in der Schule gehänselt worden. Der lebenserfahrene Schlagerbarde ist fassungslos: "Hast du denn keine Leute gehabt, die dir Zuversicht gegeben haben, Selbstvertrauen?"

Auch Menderes Bağcı reflektiert seine inneren Verletzungen. Er fühle sich hier in Australien viel wohler als in der Heimat, sagt der junge Mann, der es als DSDS-Witzfigur zu einem gewissen Kultstatus brachte : "Wenn ich in Deutschland irgendwo unterwegs bin - ich geh' auch ungern weg -, weil dann die Leute so lachen und meistens ist es immer auslachen. Und hier, wenn dich jemand anlächelt, dann weißt du das anders zu bewerten, dann weißt du, die lächeln dich an, weil die dich vielleicht doch nett finden." Jürgen Milski, der als Partysänger bei ähnlichen Veranstaltungen auftritt wie Menderes, erzählt, was es konkret bedeutet, als Prügelknabe von Dieter Bohlen gebucht zu werden: "Die ersten Jahre, wenn er da aufgetreten ist, in Diskotheken und Festzelten, dann ist er mit Gläsern beworfen worden oder mit Eiswürfeln oder mit Bierdeckeln - das war, glaube ich, noch das Harmloseste, was der erlebt hat."

Das nicht: Sophia Wollersheim versteht nichts - was in diesem Fall aber nicht ihre Schuld ist, sondern die von Mitcamper David Ortega. Der entschuldigt sich für ein lautes Gespräch, das Sophia in ihrer Nachtruhe störte, mit der folgenden Erklärung: "Du weißt ja selber, du bist in einem Gedanken, du bist bei mir im Gespräch, oder beim Topf, oder du bist bei einer Banane - du kannst da nicht links oder rechts, äh, Gedanken fassen, zwei. Das geht nicht."

Gesprächsthema am Lagerfeuer: Väter. Der von Menderes Bağcı versäumte es, seinem Sohn Liebe und Selbstvertrauen mitzugeben, "Manche Dinge blieben auf der Strecke, diese Geborgenheit, dass der Vater oder die Mutter sagt: 'Ey mein Sohn, ich liebe dich' oder 'Ich vermisse dich' oder 'Ich bin stolz auf dich'. Wenn du das nicht bekommst, wirste das dein Leben lang vermissen." Bis zum Schluss sei das Verhältnis zu seinem Vater schwierig gewesen, erzählt Menderes: "Als ich ihn im Sarg gesehen habe, da war ich einerseits wütend, aber auch irgendwie traurig." Thorsten Legat, der sonst im Dezibelbereich eines Schlagbohrers kommuniziert, ist plötzlich ganz leise. Sein Vater habe die Familie tyrannisiert, von Schlägen ist die Rede und von Missbrauch. "Ich kam eines Tages hoch, da hat meine Mama weinend in der Ecke gesessen, und dann - irgendwas hat mich gepackt und ich hab' meinen Vater so dermaßen niedergeschlagen, mit 15." Da weiß selbst Zyniker Rolf Zacher nicht mehr zu sagen als: "Ach Mensch, Kinner."

Ja, der Dschungel ist laut, schrill, künstlich, geschmacklos. Aber ganz selten gibt es auch diesen Moment, da ist er - bei aller Vorsicht vor dem Inszenierungsgeschick aller Beteiligten - berührend.

"Wie heißt jetzt die Veranstaltung hier?"

Lästerobjekt der Moderatoren: Brigitte Nielsen. Die spule ihr Programm ab wie ein Orca in Seaworld, findet Sonja Zietlow - routiniert, aber uninspiriert. Daniel Hartwig hat eine andere Assoziation: "An Brigitte Nielsen ist mehr rumgebastelt worden als am Berliner Flughafen. Mit einem Unterschied: Sie ist deutlich fertiger."

Wie sieht die Dschungelprüfung aus? Helena Fürst und David Ortgea werden zu Grabe getragen. Während sie in ihren Särgen liegen und nach Sternen suchen müssen, regnet es von oben jede Menge Getier herab. Ein Kandidat kreischt beim Vollkörperkontakt mit Ratten wie ein Mädchen - es ist nicht das Mädchen. Trotzdem gewinnt der Mann mit den nach eigener Aussage vier Eiern die Prüfung.

Wer ist morgen dran? Jenny Elvers und Helena Fürst. Letztere ist prüfungserfahren, Erstere wird von einer wohlmeinenden Sophia Wollersheim gebrieft: "Jenny, das wird furchtbar werden."

Bester Satz: "Wie heißt jetzt die Veranstaltung hier?" Rolf Zacher meint die Sendung, an der er aktuell teilnimmt. Im Dschungeltelefon sitzt er aber eigentlich, um einen Antrag zu stellen: Man möge doch bitte diese nervige Platte mit dem Grillengezirp abstellen. Bleibt zu befürchten, dass mancher Zuschauer diese Lebensnonchalance mit Senilität verwechselt.

Gunters Gold (in Ermangelung eines Legat'schen Bonmots): "Oh bitte, hör' auf!" Das ist nicht einfach eine Verneinung, das ist purer Nihilismus. Denn die Frage von David Ortega war: "Was sind deine Träume?" Mit solchen Flausen kann ein Desillusionist wie Gabriel natürlich nichts anfangen. Zumal wenn sie von einem Mann kommen, bei dem der Sänger eine andere Form der Leere vermutet, nämlich Hirnlosigkeit: "Der hat auch Defizite, der Spanier - wie heißt der?"

Tier des Tages: Dinosaurier. Warum sind die noch mal ausgestorben? "Dinosaurier müssen ja Scheiße gebaut haben, sonst wären sie nicht vernichtet worden", erklärt Darwin Ortega.

Niveau oder Nivea? An Tag drei ist so viel Tiefe, das Moderatorin Zietlow die Häme in homöopathischer Dosis ausschüttet: "Wenn Thorsten nicht brüllt und Menderes nicht singt, dann hör' ich den beiden wirklich sehr, sehr gerne zu."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: