RTL 2: Selbstkritik:Das war das Tier in dir ...

Schluss mit lustig: Die jüngsten Spaßformate des Senders RTL 2 platzten weg. Zuschauer und Kritik wandten sich ab. Jetzt geht die Unterhaltungschefin, das Management wäscht seine Hände in Unschuld.

Ralph Pfister

Da kann einem Senderchef schon mal das Lachen vergehen: Da hatte sich RTL 2 im vergangenen Jahr durch die Unternehmensberater von Roland Berger neu aufstellen lassen und die Markierung "it's fun" einfallen lassen - weg vom Trash-Image, hin zum Entertainment. Und nun stellt die Spass-Station selbst fest, dass das Programm dafür nicht taugt.

Jochen Starke, Geschäftsführer RTL 2

RTL-2-Geschäftsführer Jochen Starke zieht ein neues Qualitätsmanagement ein. Das Management übt Selbstkritik - und wäscht doch die Hände in Unschuld.

(Foto: Foto: Bernd Eberle)

Die jüngsten Eigenproduktionen sind exemplarisch: In Abenteuer Afrika wurden übergewichtige Teenager in der Savanne vorgeführt. Davor ließen zweitklassige Promis das Tier in sich raus und versuchten, wie ebensolche zu leben (Das Tier in mir). Die Zuschauer straften so viel Dünnpfiff ab. Ein Quoten-Desaster. Und, überhaupt: Ein Konkurrent wie Kabel 1 entwickelt sich viel besser.

Es passt ja auch gar nicht zur gesellschaftlichen Verantwortung, die Roland Berger verordnet hatte, wenn sich Semiprominente im Kamelkot wälzen.

O Herr, lass es Qualität regnen!

Jetzt zieht das Management unter Jochen Starke die Reißleine: RTL 2 trennt sich von seiner Leiterin der Redaktion Unterhaltung, Julia Nicolas. "Im gegenseitigen Einvernehmen", wie es so schön heißt. Programmdirektor Holger Andersen betreut ihre Aufgaben fürs Erste mit, die Nachfolge ist offen.

Irgendwie seltsam, dass der Programmdirektor vorher mit Fehlentwicklungen im Programm rein gar nichts zu tun gehabt haben soll. Der Sender will nun sicherstellen, "dass die Programme von RTL 2 künftig in größerem Maße als bisher den qualitativen Ansprüchen gerecht werden".

Das ist ein beispielloser Vorgang: Ein Sender übt selbstkritische Zerknirschung, ganz so wie früher die Minderleister der DDR-Oligarchie in den berüchtigten Selbstbezichtigungsrunden im Zentralkomitee der SED. RTL 2 putzt das eigene Programm runter und stoppt haarscharf vor der medialen Bankrotterklärung. Für die Sales-Abteilung, die mit potenziellen Werbekunden Buchungen vereinbaren will, dürfte das auch eher spaßbefreite Gespräche nach sich ziehen.

Gleichzeitig verkündet RTL-2-Chef Starke einen neuen Überprüfungsprozess: Künftig entscheiden gleich mehrere Abteilungen, was produziert werden soll und was nicht. Unter Leitung der Geschäftsführung sollen Redaktion, externe Produktionspartner, Programmdirektion, Marketing und Werbevermarktung gemeinsam neue Formate evaluieren. Es lebe das Kollektiv! Es lebe der "standarisierte Evaluationsprozess"! Wer so redet, sollte nicht im Fernsehen arbeiten.

Was können wir dafür, was wir so senden?

Das wirkt ein wenig so, als würde das RTL-2-Management die Hände in den Himmel heben und sagen: Wir hatten ja nichts damit zu tun, was wir so an Eigenformaten senden, das hat alles Frau Nicolas entschieden. Also auch Baustelle Liebe und Der Kreuzfahrtkönig, die floppten.

Die Fernsehfrau kann nur darauf hoffen, dass potenziellen Arbeitgebern das Gesamtchaos in Grünwald nicht verborgen bleibt, in einem Sender mit vielen Gesellschaftern, die sich gerne belauern, Medienplayern wie Bertelsmann, Bauer, Disney, Herbert Kloiber und Burda. Als Unterhaltungschefin zu wenig Qualität geliefert ... Vermutlich ist die Arme auch Schuld an den vielen unbarmherzigen Kritikern.

Ein Gespür für Mitgefühl

Eine Kurzschlußreaktion war der Rauswurf dem Sender zufolge jedoch nicht: Der Entscheidung sei ein längerer Beobachtungsprozess vorangegangen. Warum man den brauchte, um bei den letzten Formaten zu erkennen, dass qualitativer Anspruch und Wirklichkeit nicht gerade nahe beieinander liegen, sei dahingestellt.

Geschäftsführer Starke legt Wert darauf, dass RTL 2 "als ein Sender wahrgenommen wird, der Unterhaltung und innovative, auch kontroverse Formate mit einem Gespür für Mitgefühl und gesellschaftlicher Verantwortung verbindet".

Das ist schon mal ein starker Anspruch. Immerhin blendet RTL 2 während des Ramadan für die Fastenwilligen die Zeiten des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs ins laufende Programm ein.

Die Suche nach Verantwortung aber geht weiter.

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