RTL: "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!":Dschungelcamp: Sie sagen, sie seien echte Menschen

RTL-Dschungelcamp, Thorsten Legat

Nein, Sie sehen nicht den unglaublichen Hulk, sondern Thorsten Legat. Ein echter Mensch, wie er sagt.

(Foto: RTL)

Ex-Fußballer Thorsten Legat nimmt es mit der eigenen Glaubwürdigkeit so wichtig wie ein Gangsterrapper. Woher kommt der Authentizitäts-Fetisch im Dschungelcamp?

Von Johanna Bruckner

Helena Fürst war im deutschen Privatfernsehen erst gnadenlose Sozialfahnderin, dann "Anwältin der Armen". Sie sagt: "Ich komm' von RTL" - und meint damit: Ich kenne alle schmutzigen Tricks der Selbstinszenierung. Helena Fürst ist vielleicht die ehrlichste Person im diesjährigen Dschungelcamp, in dem Authentizität so eine Art Stammesreligion ist. Oder wie Sophia Wollersheim neulich am Lagerfeuer zu Brigitte Nielsen sagte: "Weißt du, was das Schöne an dir ist? Du bist so natürlich." Beide Frauen dürften mittlerweile mehr Silikon im Körper haben, als bei einem durchschnittlichen Mehrfamilienhaus verfugt wird.

Aber hier geht es ja auch nicht um Äußerlichkeiten, sondern darum, sein Innerstes zu zeigen. Real zu sein, kein Fake. Das ist vor allem Ex-Fußballer Thorsten Legat so wichtig wie dem Gangsterrapper seine Street Credibility. Als ihm Helena Fürst vorwirft, dass er doch auch nur hier sei, um Geld zu verdienen und Aufmerksamkeit zu bekommen, weint er fast. Hätte er es mal gemacht, Tränen lügen nicht. Aber Legat ist - wenn er so ist, wie er sagt, dass er ist - ein echter Kerl.

Doch woher kommt dieser Authentizitäts-Fetisch? Es läuft die zehnte Staffel von Ich bin ein Star - holt mich hier raus!, mittlerweile sollte klar sein: Hier ist alles Show. Angefangen bei der Dschungelkulisse, in der die bissigsten Tiere die Moderatoren auf der Hängebrücke sind. Dann der Tagesablauf der Camper, der dem von Gladiatoren im alten Rom ähnelt: hungern, warten, vorgeführt werden. Und schließlich wären da noch die Interviews, die so spontan wirken wie eine Fifa-Pressekonferenz. Wenn die Zahlen, pardon: Zitate nicht passen, werden sie eben passend gemacht. Und das nicht etwa, weil die Kandidaten nicht wüssten, um was es geht.

Ein Thorsten Legat zitiert sich selbst

Sie mögen, wie Ex-Nachmittagstalker Ricky Harris, furchtbar schlechte Schauspieler sein, aber sie sind Unterhaltungsprofis. Selbst ein Thorsten Legat ist mittlerweile nur noch in zweiter Linie Trainer des Landesligisten FC Remscheid und in erster Linie Kultfigur. Und er weiß das wohl auch, trotz aller Authentizitäts-Beteuerungen - warum sonst würde er sich ständig selbst zitieren? Down Under kommen keine Fußballspieler, sondern der DSDS-Dauerkandidat Menderes Bağcı in den Vorzug der Legat'schen Genitalmotivation: "Menderes, antreten hier! Du bist 'n Kerl, du hast Eier inne Buxe, 'nen Schwanz hast du, und dann musst du auch mal Kasalla geben!"

Ja, die modernen Gladiatoren wissen, was beim Fernsehvolk ankommt. So werden am Lagerfeuer Geschichten erzählt, von persönlichem Kampf und Koitus. Menderes spricht darüber, wie es ist, als Prügelknabe von Dieter Bohlen in der Öffentlichkeit zu stehen, und Brigitte Nielsen erzählt, dass sie beim ersten Date mit ihrem fünften Ehemann Sex hatte. Und natürlich: die Heldenwerdung in der Dschungelprüfung!

RTL-Redakteure wollen Dein Bestes

Die war von Anbeginn an das zentrale Motiv der Dschungelcamp-Macher: Ein Ross Antony wurde 2008 erzählerisch und unter Zuhilfenahme des Zuschauervotings dekonstruiert, bis nicht mehr viel übrig war außer einem heulenden Häuflein Elend - nur um ihn dann mit denselben Mitteln zum Dschungelkönig aufzubauen.

Sei nett zu den Leuten auf dem Weg nach oben, sie begegnen Dir wieder auf dem Weg nach unten, lautet eine Showbiz-Weisheit. Im Dschungelcamp gilt: Sei den RTL-Redakteuren dankbar, wenn sie Dich Tiergenitalien fressen lassen, sie wollen nur Dein Bestes. Auch die wundersame Geschichte der Larissa Marolt passt in diese Logik - wobei die Österreicherin 2014 etwas mitbrachte, das man lange nicht gesehen hatte im Fernsehen: Unberechenbarkeit.

Roger Willemsen schrieb damals in einem Gastbeitrag für die SZ: "Alle fragen sich angesichts ihrer Unmittelbarkeit und Direktheit, was ihr Eigentliches ist, was sie im Inneren zusammenhält." Vielleicht ist Larissa mit schuld daran, dass nun alle Camper plötzlich sie selbst sein wollen. Am glaubwürdigsten gelingt das noch jenen, die zu jung sind, um schon multiple Persönlichkeiten entwickelt zu haben. Wie die 19-jährige Nathalie Volk, Absolventin der Klum'schen Schule für Modeldarstellerinnen, die am Ende aber für ihre jugendliche Authentizität abgestraft wurde: Sie schlief viel und beschäftigte sich die übrige Zeit mit ihrem Aussehen.

Anachronismus im Camp der Möchtegernmenschen

Das Paradoxon dieser Staffel ist Sophia Wollersheim, Ehefrau eines Düsseldorfer Bordellbetreibers und Darstellerin der RTL 2-Milieustudie Die Wollersheims - eine schrecklich schräge Familie. Man muss schon sehr bei sich sein, um vor einem Millionenpublikum Sätze wie diesen zu sagen: "Wir haben geheiratet, weil ich immer das Problem hatte, dass alle gedacht haben: 'Das ist 'ne Prostituierte.'"

Apropos Medienhure: Brigitte Nielsen, die das Dschungelcamp 2012 schon einmal gewinnen konnte, schied in diesem Jahr frühzeitig aus. Wohl auch weil ihre Strategie, sich als Unterhalterin zu präsentieren, im Camp der Möchtegernmenschen anachronistisch wirkte.

Und bei den Männern? Da gab es David Ortega, der zum Thema Evolution zu sagen wusste: "Dinosaurier müssen ja Scheiße gebaut haben, sonst wären sie nicht vernichtet worden." Ausgerechnet Ortega musste dann als Erster das Camp verlassen - dabei ist doch wenig so glaubwürdig wie echte Dummheit.

"Ich bin ein Star - holt mich hier raus!" Das passiert im RTL-Dschungelcamp

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