RTL: "Dschungelcamp":"Wir schützen die Kandidaten"

Jens Oliver Haas und Micky Beisenherz lieferten die bösen Moderationstexte für die RTL-"Dschungelshow". Ein Gespräch über Quote - und Zuschauer, die keine Ahnung haben, wer Westerwelle ist.

Christopher Keil

Nach drei Wochen hat das Dschungelcamp von RTL wieder geschlossen. Dschungelkönig wurde am vergangenen Samstagabend der ehemalige Seriendarsteller und Gastronom Peer Kusmagk. In der fünften Staffel stellte die RTL-Sendung Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! allumfassend neue Publikumsrekorde auf (einmal betrug der durchschnittliche Marktanteil junger Menschen mehr als 50 Prozent, in der Spitze sahen fast zehn Millionen Menschen das Finale). Die handwerklich gut inszenierte Gruppentherapie in der Wildnis wurde von Dirk Bach und Sonja Zietlow mit teils großem Unterhaltungswert geleitet. Für den Sprachwitz ihrer Moderationen sind die Autoren Micky Beisenherz, 33, und Jens Oliver Haas, 43, Ehemann von Sonja Zietlow, verantwortlich. In Australien fuhren Beisenherz und Haas kreative Nachtschichten.

SZ: Herr Beisenherz, Herr Haas, der 70-jährige Rainer Langhans hat sich schon vor dem Finale über die "gewaltige" Inszenierung des Dschungelcamps entrüstet. Verstehen Sie ihn?

Micky Beisenherz: Der Rainer ist sein Leben lang nicht besonders konsequent gewesen. Er hatte genug Zeit, sich vorzubereiten. Er hätte wissen müssen, dass man nicht 24 Stunden lang den kompletten Tag abbilden kann, sondern die spannendsten Szenen zeigt. Dass er beim Reis-Einkochen eher nicht gezeigt wird, hätte ihm klar sein können.

Jens Oliver Haas: Der liebe Rainer hat vor dem Camp die Zeit genutzt, sich Schönzureden, dass er rein geht. Er hat während des Camps prima mitgemacht. Kaum ist er draußen, versucht er, sich wieder in seine Gesellschaft zu integrieren, in dem er das Camp schlecht redet.

SZ: Schreiben Sie Ihre Texte zielgruppenorientiert?

Beisenherz: Für welche Zielgruppe werden die Simpsons gesendet? Sie begeistern Menschen zwischen 6 und 96. Auch bei uns ist für jeden etwas dabei gewesen: für den, der den Säbel mag, wie für den, der das Florett schätzt. Das Format Dschungelcamp deckt jede Alters- und Bildungsschicht ab.

Haas: Es war und ist ganz gezielt unser Ziel, nicht für eine Zielgruppe zu schreiben. Wir dürfen in Australien einfach Gags schreiben, die man uns in Köln zum Großteil um die Ohren hauen würde. Das was hier im Dschungel entstand, würde es in Deutschland kaum geben.

SZ: Lag und liegt das nicht eher am Erfolg als an der Entfernung zu Köln?

Haas: Es liegt vor allem an der Entfernung, weil sie eine emotionale Distanz ermöglicht. Im Dschungel ist vieles erlaubt, das in Deutschland nicht erlaubt ist - was auch dem Stress, also dem Zeitdruck geschuldet ist, unter dem wir in Australien standen. Aber es besteht vor allem immer die Bereitschaft, etwas Anderes zu machen als zu Hause.

Beisenherz: Ganz ehrlich, wenn die Quote bei 18 Prozent läge, wären die Buchbesprechungen erheblich länger.

Haas: Es gab eine erste Sendung vor sieben Jahren, die legte den Grundstein. Schon damals hatten wir vieles angeboten, das es in Deutschland nicht zu sehen gab, und niemand wusste, ob es funktionieren würde. Nach den ersten drei Sendungen kam massive Kritik von allen Seiten, teilweise auch von RTL. Dass das erfolgreich wird, wusste man erst vier Tage später. Seither haben wir eigentlich freie Hand.

"Die Gangart ist härter geworden"

SZ: Wie hat sich das Dschungelcamp seit 2004 entwickelt?

rtl dschungelcamp

RTL-"Dschungelcamp"-Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach.

(Foto: RTL/Stefan Menne)

Haas: Die Gangart ist härter geworden. Was die Moderatoren sagen, wie sie bewerten, wie sie sich distanzieren von den Kandidaten, das hätten wir vor drei Jahren nicht so durchsetzen können.

SZ: Härtere Gangart, weil sich die Leute gewöhnt haben? Weil Scheitern und Selbstentblößung Multiplikatoren eines jugendlichen Humors geworden sind?

Haas: Die Prominenten wissen genau, was passiert. Sie kennen das Risiko, das sie eingehen, sie sehen aber auch die Chancen. Dadurch ist die Rücksichtnahme stückweise gewichen. Wir gehen mit der ganzen Sache etwas offensiver und viel ehrlicher um. Das, was die Leute zu Hause denken, was man in den Foren liest, das formulieren wir - nur erheblich charmanter.

SZ: Offensive und Ehrlichkeit bräuchten die Comedystrecken im deutschen Fernsehen dringend.

Beisenherz: Das gibt es, aber fast nur in der Bühnencomedy - auch bei RTL. Aber zu Hause werden uns Begriffe wie "Westerwelle" rausgestrichen aus Angst, der Zuschauer könnte den nicht kennen. Wobei die Angst hier wahrscheinlich berechtigt ist.

SZ: Bei vielen Sendern wäre es eher die Angst, einen Minister zu beleidigen.

Haas: Diese Angst gibt es bei RTL auch. Da geht's dann aber eher um Leute wie Dieter Bohlen.

SZ: Was bedeutet?

Haas: In Köln muss ich immer sehr behutsam sein im Umgang mit Namen aus der Kategorie Bohlen. Wenn uns in Australien ein guter Gag auf Deutschland sucht den Superstar einfällt, ist man so reflektiert und selbstkritisch, dass wir ihn schreiben.

SZ: Könnte Bohlen, also jeder, Ihre Dschungel-Moderationen vortragen wie Sonja Zietlow und Dirk Bach?

Haas: Nein. Hier passt alles zusammen, was zusammenkommt. Aber es waren ja auch mal andere im Gespräch für die Moderationen.

Beisenherz: Sind das Namen, die jetzt teilweise unten im Camp waren?

Haas: Ja, einer.

SZ: Wer?

Haas: Auch wenn es nicht immer so rüberkommt: Wir schützen die Kandidaten. Manchmal sogar vor sich selbst.

SZ: Welchen Anteil am großen Publikumsinteresse der Sendung schreiben Sie sich zu?

Beisenherz: Wie sagt Olli Kahn: Das sollen andere beurteilen. Ist der Olli nicht einer der Kandidaten der nächsten Staffel?

Haas: Nee, bloß nicht. Zur Frage: Unsere Arbeit findet im Hintergrund statt, da gehört sie hin. Wie fühlen uns im Vordergrund nicht sehr wohl.

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