Rotlicht-Gerüchte um Bettina Wulff:Jauch, der Schurke im Stück

Günther Jauch fragte in seiner ARD-Talkshow nach dem angeblichen Vorleben von Bettina Wulff - sie klagte und er akzeptierte nun. Aus ihrer Sicht hat der Moderator das Rotlicht-Gerücht erst salonfähig gemacht. Sie wird ihn nicht einfach davonkommen lassen.

Hans Leyendecker

Wenn die Deutschen gefragt werden, wem sie noch über den Weg trauen, fallen meist die Namen Helmut Schmidt, 93, und Günther Jauch, 56. Als Kandidat einer politischen Partei würden sie den Moderator zum Gott-weiß-wen wählen. Würde der Bundespräsident direkt gewählt, hätte Jauch beste Chancen. Er ist bodenständig, fleißig, beherrscht alle Genres des Fernsehgeschäfts und steht nicht nur bei der TV-Gemeinde im Ruf, glaubwürdig und seriös zu sein. Eben anders als die meisten anderen, die man in Berlin vermutet.

Bettina Wulff wehrt sich gegen Rufmord

Fehler erkannt, Fehler ausgeräumt? Günther Jauch hat Bettina Wulffs Unterlassungsklage anerkannt. Ganz Gentleman. Ganz Jauch.

(Foto: dapd)

Vor gut zehn Jahren hat Jauch beim Bundespräsidenten einen Vortrag darüber gehalten, wie das Fernsehen Politik dramatisiert und inszeniert. Heute stellen sich drei neue Fragen zum alten Thema:

Erstens: Hat sich Jauch in seiner Talkshow vom 18. Dezember zum Thema Wulff an die journalistischen Sorgfaltspflichten gehalten oder hat er inszeniert, dramatisiert und rücksichtslos eine massive Verletzung der Persönlichkeitsrechte der damaligen First Lady in Kauf genommen?

Zweitens: Geht er zumindest jetzt, nachdem Bettina Wulff eine eidesstattliche Erklärung bei Gericht abgegeben hat, dass sie nie irgendetwas mit dem Rotlichtmilieu zu tun hatte und dass alle umlaufenden Gerüchte unwahr sind, anständig mit dem Fakt um, dass er damals in der Sendung etwas gesagt hat, was er nicht hätte sagen sollen und, nach den Regeln des Berufes, wohl nicht hätte sagen dürfen?

Drittens: Geht Jauch, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung scherzhaft den "Gegendarstellungskönig" nennt, mit presserechtlichen Forderungen anderer Leute tadellos um?

Am vergangenen Freitagnachmittag bekam Jauchs langjähriger Anwalt Christian Schertz eine Klage von Bettina Wulff wegen "Unterlassung falscher Tatsachenbehauptungen" zugestellt. Es ging um die ARD-Talkshow am 18. Dezember. Jauch hatte damals aus einem Artikel der Berliner Zeitung zitiert, den er "besonders interessant" fand: Es ging um Bild und angebliche Informationen des Blattes über das angebliche Vorleben von Bettina Wulff. Der stellvertretende Bild-Chef Nikolaus Blome, der Gast in der Sendung war, hatte den zitierten Bericht dementiert: "Kompletter Quatsch": "Völlig aus der Luft gegriffen?" und "Haben Sie denn noch etwas in der Schublade?" hatte Jauch nachgesetzt.

Etwas gewundene Erklärung

Inzwischen ist klar: Bild legt Wert darauf, dass nichts in der Schublade gewesen sei. Und die Gerüchte waren von Verleumdern in die Welt gesetzt worden. Jauch reagierte denn auch vorige Woche auf die Post vom Wulff-Anwalt Gernot Lehr: Er akzeptierte noch am Freitagabend die Klage auf Unterlassung.

Ein Gentleman. Eben Jauch. Fehler erkannt, Fehler ausgeräumt?

Seine Erklärung zu dem Vorgang war dann schon etwas gewunden: Er habe "niemals über Frau Wulff eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern lediglich" aus einem Artikel zitiert und daraus "eine entsprechende Frage" an den Mann von Bild formuliert. Wer daraus eine "Herabsetzung von Frau Wulff konstruiert, liegt daneben. Da ich allerdings kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit Frau Wulff habe, habe ich den Rechtsstreit beenden lassen". Da muss vor allem Frau Wulff völlig danebenliegen. Sie meint, der Liebling der Herzen habe ihre Reputation zerstört.

Nach der Sendung kochte die Gerüchteküche über: "War Bettina Wulff eine Prostituierte?" Einen Monat später, am 19. Januar, schrieb der Stern, der sich in der Sache Bettina Wulff nicht immer mit Ruhm bekleckert hat, von einem "versuchten Rufmord an Bettina Wulff, deren angebliches Vorleben als pures Gerücht sogar in einem Talk von Günther Jauch vor Millionenpublikum thematisiert" worden sei.

Aus Sicht von Bettina Wulff hat Jauch die im Netz schwirrenden Verleumdungen und die Andeutungen einer Zeitung bundesweit erst salonfähig gemacht. Gerade Jauchs Glaubwürdigkeit, so die Argumentation, habe den Eindruck erweckt, da müsse was dran sein. Wer danach Bettina Wulffs Namen bei Google eingab und den Buchstaben "J" hinzufügte, bekam "Bettina Wulff Jauch Prostitution" angeboten.

Und lange bevor die Öffentlichkeit von dem Rechtsstreit zwischen Wulff und Jauch überhaupt erfuhr, hatte ein Anwalt von Google im Juli argumentiert, es habe eine "öffentlich geführte Diskussion über unstreitig existente Gerüchte über die Vergangenheit" von Frau Wulff gegeben. Diese "Gerüchte" - damit meint er die noch nicht gesperrten Prostitutionssudeleien im Internet - "bilden also nur eine tatsächlich - sogar im Deutschen Fernsehen (u. a. bei Günther Jauch) - geführte Debatte ab".

Hat der Google-Anwalt Jauch so falsch verstanden? "Wir haben das Verfahren überobligat beendet", erklärte am Sonntag Jauchs Anwalt Schertz. Das meint übersetzt, das Einlenken sei eigentlich immer noch nicht unbedingt notwendig gewesen. Bereits am 3. Mai war Jauch von Wulff-Anwalt Lehr erstmals zur Unterlassung aufgefordert worden: Jauch habe "maßgeblich zur Verbreitung des frei erfundenen Gerüchts beigetragen".

Der nächste Schritt: ein sogenanntes Anerkenntnisurteil

Schertz antworte vier Tage später: Seinem Mandanten sei, schrieb er, "überhaupt nicht an einer öffentlichen Auseinandersetzung in dieser Angelegenheit gelegen". Der Moderator wolle auch die Aussagen nicht wiederholen. Aber eine "formaljuristische Unterlassungsverpflichtungserklärung" von Günther Jauch sei aus seiner Sicht nicht drin. Jauch habe sich journalistisch und auch sonst korrekt verhalten. Es gab dann noch einiges juristisches Geplänkel, das am 31. Mai fürs Erste endete. Jauch unterzeichnete nicht.

Nun gibt es kaum einen anderen Prominenten, der sein Privatleben juristisch so schützt wie Jauch. Vor allem, was seine Familie angeht - was sein gutes Recht ist. So musste ein Blatt vor zwei Jahren auf dem Titel ("Gegendarstellung") einräumen, dass Jauch keinen Besucher der Zeitschrift daheim in Potsdam hatte und seine Kinder nicht mit den Reportern gesprochen hätten. Nachdem ein anderes Blatt Jauch als Jüngling angeblich in seinem Zimmer gezeigt hatte, schrieb Jauch zurück: "Hierzu stelle ich fest: Das Foto zeigt mich im Zimmer eines Freundes". Wenn irgendjemand im Netz irgendetwas über Jauchs Ehefrau verbreiten würde, wie das Denunzianten im Fall Bettina Wulff taten, wäre eine beispiellose juristische Vendetta fällig, und das wäre Jauchs sehr gutes Recht.

Ob der Moderator, wie er und sein Anwalt behaupten, sich in der Sendung am 18. Dezember an die journalistische Sorgfaltspflichten gehalten hat, ist zumindest umstritten. Jauch hätte im Vorfeld eine Gegenrecherche machen müssen, argumentieren die Wulff-Anwälte. Das Dementi des Bild-Mannes habe die Sache nicht aus der Welt schaffen können. Die Reputation des Fragestellers ist in der Öffentlichkeit zweifellos höher als die Reputation des Gastes. Die Klage liegt seit Donnerstag bei der 24. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts. Der nächste Schritt wird ein sogenanntes Anerkenntnisurteil sein.

Ob der Fall damit ausgestanden ist, wird sich zeigen. Für Bettina Wulff ist der nette Jauch einer der größten Schurken im Stück und sie wird ihn nicht einfach davonkommen lassen wollen. Jauchs Anwalt Schertz erklärte am Sonntag, sein Mandant habe alles Notwendige gesagt. Er werde sich deshalb auch nicht an den "Bewertungen" einiger Medien beteiligen, derzufolge der Wirbel um die Klage "zum jetzigen Zeitpunkt" im "Ergebnis eine geschickte PR-Aktion aus Anlass des Erscheinens" des Buches von Bettina Wulff im September sei.

Vornehme Zurückhaltung. Keine Gerüchte. Nie.

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