"Rommel" in der ARD:General als Zauderer

Die ARD zeigt Erwin Rommel als Soldaten, der sich trotz aller Zweifel nicht zum Bruch des Eids auf Adolf Hitler bewegen ließ. So dramatisch wie der Streit zwischen der Familie Rommel und Regisseur Niki Stein über die Planungen des Films ist das Ergebnis allerdings nicht.

Willi Winkler

Generalfeldmarschall Erwin Rommel im ARD-Film "Rommel"

"Von dem Anschlag Stauffenbergs auf Hitler hat mein Vater vorher nichts gewusst", schrieb Manfred Rommel. Ulrich Tukur betont die Zerrissenheit.

(Foto: SWR/Kerstin Stelter)

Am Ende, es geht gar nicht anders, muss man ihn einfach liebhaben. Dafür sorgt schon Ulrich Tukur, der mit wechselndem Dialekteinschlag den Feldmarschall Erwin Rommel gegen die feigen Mitmacher unter den Offizieren, gegen die Unholde von der SS und gegen den Führer persönlich als waschechten Schwaben vorstellt.

Das ist Schauspielkunst, das ist auch das Drehbuch des Regisseurs Niki Stein und entspricht einer neuerdings wieder wachsenden Neigung, dem Personal des Dritten Reiches menschliche Züge zuzubilligen. Wirklich neu ist das nicht, sondern gehörte in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu einer etwas naiven Geschichtsschreibung, für die die Wehrmacht klinisch sauber war und der Krieg bloß durch diesen Irren aus Wie-hieß-es-doch-gleich verloren ging.

Der elegante Schauspieler James Mason erhöhte Rommel zum Wüstenfuchs, eine Version, die der britische Militärhistoriker Basil Henry Liddell Hart von Der anderen Seite des Hügels (wie eins seiner Bücher hieß) aufs Erfreulichste bestätigte. Seine Ausgabe der Rommel Papers (1953) konnte sich ebenso wie später David Irvings Biografie (1977) der Unterstützung der Familie Rommel berühmen, die beiden die Briefe Rommels zugänglich machte.

Feldmarschall Rommel, der 1943 in Nordafrika nach einem bemerkenswerten Vormarsch von einer von General Bernard Montgomery geführten britischen Truppe besiegt wurde, gilt noch heute als Edelmann unter den Soldaten, der sich an den Grausamkeiten des Hitler-Regimes nicht beteiligt hat. Dass in seinem Heer der Einsatzgruppenleiter Walther Rauff wirkte, der die mobilen Gaswagen entwickelt hatte, dass also die vor der deutschen Verfolgung nach Palästina geflohenen Juden das Vorrücken Rommels auf Kairo mit einigem Grund fürchteten, bleibt in dieser Heldengeschichte vorsichtshalber ausgespart.

Nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht 1956 wurde als neues Leitbild der "Bürger in Uniform" etabliert, aber noch 1967 wurde der "Wüstenfuchs" beschworen, als der Spiegel seine Titelgeschichte über "Israels Blitzkrieg" im schönsten Landser-Stakkato begann: "Sie rollten wie Rommel, siegten wie Patton und sangen noch dazu." Aus Soldaten wurden mit dem Segen Kurt Tucholskys (1931) und des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt 1995) dann aber auch "Mörder".

Seither gab es vielfach Gelegenheit, sich Joseph von Westphalens Empfehlung zu eigen zu machen, dass sich Armeeangehörige am besten gar nicht in der Öffentlichkeit zeigen sollten. "Lieber eine Plastiktüte mit Abfällen am Waldrand als ein Soldat", schrieb der ehemalige Wehrdienstleistende 1987 wenig ökobewusst im Magazin der Zeit, "Wenn sie alle in den Kasernen eingesperrt blieben, könnte wirklich nichts passieren."

Inzwischen sind die Soldaten Berufssoldaten und verteidigen Deutschland in Afghanistan und bald auch in Mali. Til Schweiger ertüchtigt mit Unterstützung des Verteidigungsministeriums die Wehrkraft, und im Fernsehen blinkt wieder regelmäßig das Ritterkreuz.

Auch Ulrich Tukur trägt es, wenn er Hitlers populärsten Soldaten spielt, dessen Ruhm der Propagandaminister Goebbels durch Zigarettenbilder, Autogrammkarten und Wochenschauen noch zu mehren wusste. So berühmt war Rommel, dass ihn Hitler nach dem erzwungenen Selbstmord mit einem Staatsbegräbnis ehren musste.

Die Koproduktion Rommel (Teamworx mit SWR, BR, Degeto, ORF in Zusammenarbeit mit Beta Film) zeigt den Kriegshelden, wie er sich im Lauf des Jahres vom bedingungslosen Soldaten des Führers zum Zweifler, schließlich wenn auch nicht zum Mittäter, so doch zum vorsichtigen Sympathisanten eines Umsturzes wandelt. In einem unbezahlbaren Freud'schen Versprecher im Drehbuch erklärt Rommel seiner soldatischen Umgebung: "Der Führer erwartet von mir nichts weniger als die Verteidigung des Reiches." Im Gegenteil erwartete Hitler von seinem Lieblingsgeneral nichts dringender als die Abwehr der in der Normandie drohenden Invasion.

Als deutschem Soldaten, der in einem Bestseller mit dem Titel Infanterie greift an seine Heldentaten niedergelegt hatte, ist diesem zunächst jeder Defätismus fremd. Er mag Afrika am Ende doch verloren haben, an eine Kapitulation denkt er in der Normandie nicht, allenfalls an eine Verständigung mit den Westalliierten, um anschließend gemeinsam mit Engländern und Amerikanern gegen die Russen zu marschieren.

Im Stabsquartier geht es recht menschlich zu

Hitler jedoch verlangt die bedingungslose Verteidigung in der Normandie, die Rommel bald als sinnlos erkennt. Als ihm auch noch verschwörerisch Fotos von Judentransporten vorgelegt werden, beginnt der Lieblingssoldat Hitlers an allem und sogar an Hitler zu zweifeln.

So wenig wahrscheinlich eine solche Foto-Präsentation ist, die Teamworx-Dramaturgie verlangt eine derartige Simplifizierung; den kriegsbegeisterten Generälen der Wehrmacht war das Schicksal der Juden herzlich egal. Aber so viel Drama muss eben sein: Die SS foltert den britischen Gefangenen, Rommel lädt ihn zum Tee und begrüßt ihn mit Handschlag.

Auch sonst geht es im Stabsquartier recht menschlich zu: Zwar kommt es manchmal zu hitzigen Diskussionen, doch wenn allzu harte Worte gefallen sind, entschuldigt man sich hinterher wie unter den leitenden Angestellten einer größeren Bank.

Mit Luftwaffenhelferinnenfrisur darf Aglaia Szyszkowitz dauerbesorgt schauen und Lucie Rommel spielen. Wenn ihr Mann ihr zum Geburtstag Schuhe anfertigen lässt, echte französische Schuhe, so ist das zwar gut gemeint, aber typisch Mann, weil der vor lauter beruflicher Beanspruchung die Schuhgröße seiner Frau vergessen hat. Und damit auch noch ein paar Frauen zuschauen, ist eine kleine, ganz süß französisch sprechende Mata Hari dabei (Vicky Krieps). Allerliebst.

Von Mai 1944 an ist jeden Tag mit der Invasion der Alliierten zu rechnen, doch der Führer zeigt einfach kein Verständnis für die Besorgnis und die Nachschubwünsche seiner doch viel fachkundigeren Generäle. Ohnehin führt er lieber den Rötelstift und fühlt sich gestört, wo er doch Bauten für die Zeit nach dem Endsieg entwerfen muss. Die meisten Generäle sind zu feig, um ihm die Wahrheit zu sagen, nur Rommel tritt mutig gegen seinen Oberbefehlshaber an, verlangt Truppenaufstockung und ist doch längst nicht mehr überzeugt vom Sieg.

Ihm zur Seite steht Hans Speidel (Benjamin Sadler), der Rommel ausgiebig prüft und ihn dann für den Widerstand zu gewinnen sucht. In seinen Memoiren hat der echte Speidel, der spätere Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte der Nato, seinen ehemaligen Chef früh in die Attentatspläne gegen Hitler eingeweiht und ihm viel mehr Entschlossenheit angedichtet, als er je zeigte. Der Berufssoldat Rommel - so erscheint er auch in diesem Film - zauderte bis zuletzt und war nie zum Bruch des Treueids auf seinen Führer zu bewegen.

Trotz des beeindruckenden Spiels von Ulrich Tukur, trotz des nicht weniger beeindruckenden Aufgebots an Generalsuniformen, bringt es dieser zaudernde Rommel nicht zu jener tragischen Zerrissenheit, die sich im Schauspielhaus so viel leichter einstellt.

Größer, zumindest besser dramatisiert war der Konflikt, der sich während der Vorbereitungen mit der Familie Rommel entspann, der das Drehbuch vorgelegt wurde, und die den Lieblingssoldaten Hitlers nicht positiv genug, nicht als frühzeitig zum Widerstand gegen den Großverbrecher entschlossen gezeigt sah. Dabei hat Manfred Rommel bereits 1978 erklärt, dass sein Vater kein Widerstandskämpfer des 20. Juli war: "Von dem Anschlag Stauffenbergs auf Hitler hat mein Vater vorher nichts gewusst."

Auch wenn es die Kriegstrommler gern anders hätten: Deutschland ist nach zwei Weltkriegen unheilbar pazifistisch geworden. Darum reicht auch keine der taktischen Heldentaten, die der Soldat Erwin Rommel in diesen zwei Weltkriegen angehäuft hat, an den Mut seines Sohnes heran, der 1977 als Stuttgarter Oberbürgermeister dem Volkszorn trotzte, den RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe das Begräbnis auf dem Dornhaldenfriedhof gewährte und darum niemals baden-württembergischer Ministerpräsident werden konnte.

Rommel, ARD, Donnerstag, 20.15.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: