Rezepthefte:Heiße Ware

Zeitschriftenoptik

"Entspannt vorbereiten, gechillt essen", verspricht das Foodboom-Magazin auf der Titelseite. Den Stress, sich vorm Zeitschriftenregal unter vielen für das richtige Rezeptheft zu entscheiden, hat der Koch da zum Glück schon hinter sich.

(Foto: Verlage)

Kochen liegt im Trend - vor allem im Zeitschriftenregal. Es gibt Hefte für Landlust-Liebhaber, Instagram-Gourmets und Thermomix-Benutzer. Die Verlage kommen mit dem Drucken kaum hinterher.

Von Kathrin Hollmer

Kochhefte können im Zeitschriftenregal größerer Supermärkte gut und gern zwei Meter Breite einnehmen. Zweireihig, versteht sich. Da stehen Hefte für kochende Männer (Beef) und Kinder (Geolino Leckerbissen), Erstsemester, die gerade von zu Hause ausgezogen sind und ihr Leibgericht nun notgedrungen selber zubereiten müssen (Mutti kocht am besten). Für Fans des Achtsamkeits-Trends (Taste of Love), des Foodtruck-Trends (Street Food) und des Landlust-Trends (Landküche, Meine gute Landküche, Landgenuss, Food & Farm). Koch-Ableger von Brigitte, Tina, Vogue und Servus. Von Bloggern (Sweet Paul) und Fernsehköchen (Jamie). Für Diabetiker (Diabetes Living) und Thermomix-Nutzer (dazu später mehr). Fast im Wochentakt kommen neue Titel dazu, und das, obwohl die meisten Menschen auf der Suche nach einem Rezept eher danach googeln, als ein Magazin oder Kochbuch aufzuschlagen. Trotzdem werden - so widersinnig das klingt - sogar erfolgreiche Online-Rezeptportale in Print-Magazine übersetzt, wie schon Chefkoch und Das Kochrezept.

Deftige, fettige Rezepte kommen im Netz besonders gut an - daran orientiert sich auch ein neues Heft

Ein weiterer Print-Ableger eines Online-Erfolgsmodells ist kürzlich mit Foodboom erschienen. Das gleichnamige Hamburger Start-up ging Ende 2015 aus dem Kochkurs-Portal Kochschule.de hervor. Das Geschäft von Foodboom waren bisher Zeitraffer-Rezeptvideos, veröffentlicht auf Facebook, Youtube und in einer eigenen App. Damit ist das Unternehmen überaus erfolgreich. Allein auf Facebook erreichen sie zwei Millionen Views pro Woche. Nun also Print, und die Vorzeichen stehen gut. Quasi jeder Verlag sei an einer Zusammenarbeit interessiert gewesen, sagt Foodboom-Mitgründer und Geschäftsführer Sebastian Heinz. Den Zuschlag bekam Burda Home um Chefredakteurin Anke Krohmer (Lust auf Genuss, Slowly Veggie und Das schmeckt!). Die Startauflage wurde erst von 90 000 auf 140 000 und dann noch einmal um 5000 Stück erhöht. Für das kommende Jahr sind sechs Ausgaben geplant. Die 25 Foodboom-Mitarbeiter in Hamburg produzieren Fotos und Rezepte, Burda kümmert sich vor allem um Layout und Vertrieb.

Das Foodboom-Heft richtet sich an 20- bis 39-Jährige, die Ansprache klingt allerdings eher nach Bravo: Der Einleger kündigt "25 fette Sticker" an. Darauf: "Ich nehm noch ne Kelle weil lecker". "Schmackofatz". "Bäm". Das Cover verspricht Bratenrezepte zum "entspannt vorbereiten, gechillt essen" und "lässige Ideen für Silvester". Ins Heft wandern größtenteils online bereits erfolgreiche Rezepte. "Frittierte Snickers, mit Käse Überbackenes, Hackfleisch und alles mit Nutella generiert viele Klicks", sagt Heinz. Entsprechend deftig sind auch die vorgeschlagenen Gerichte im Heft: Kartoffelsalat mit Mayonnaise und Mini-Würstchen, viel Schokolade, Fleisch und Nudeln. Und Krusten: Spanferkel mit Speck-Kruste, Schokoladenkuchen mit Popcorn-Kruste, Quark-Creme mit Schokokuss-Kruste. Rezepte, die spektakulär aussehen, aber nicht spektakulär aufwendig sind. Oder wie Sebastian Heinz sagt: "Foodboom ist lässig, aber nicht nachlässig."

"Auf Facebook geben wir Inspiration und jeden Tag eine neue Idee. Auf Youtube sprechen wir die User an, die Probleme oder Fragen googeln, etwa, wie man eine Gans zerlegt", sagt Heinz. "Snackable Content" nennt er die kurzen Videos. Das Printheft sei nun ein weiterer Kanal, mit saisonalen Themen und mit Textformen, die tiefer gehen, zum Beispiel Reportagen. Tief geht zumindest im ersten Heft nichts. In einer Ich-Reportage, die einen Jäger im Bayerischen Wald begleitet, reiht ein Autor, dem das Heft keinen Nachnamen zugesteht, Hashtag-Floskeln wie "Forelle vom Grill - geilon!" und "Gönn dir!" aneinander. Das hat das Heft mit den kurzen Videos gemeinsam: Man guckt kurz rein, staunt über die Fotos, nur wischt man nicht weiter, sondern blättert eben um. Die hochwertigen, großzügigen Fotos sind am auffälligsten in dem neuen Heft. Statt Inhalte aus Kochbüchern oder von Bloggern zu übernehmen, wie in vielen anderen Heften üblich, komme bei Foodboom alles "aus einer Hand", betont Geschäftsführer Heinz. Zur lockeren Ansprache passt das Spiel mit Handschrift und die Comic-Optik wie in der "Food-Lovestory". Ein Button verweist auf diejenigen Rezepte, zu denen es online Videos gibt. Die Möglichkeit, digital zu "liken" und zu "sharen" imitiert das Heft, indem alle Seiten perforiert sind - zum Heraustrennen und Sammeln oder Verschenken.

Foodboom ist nach Mutti kocht am besten, deli (Gruner + Jahr) und Der Feinschmecker-Ableger Foodie (Jahreszeiten Verlag) ein weiteres Magazin für die Generation Instagram-Gourmets. Der zweite große Kochmagazin-Trend könnte nicht gegensätzlicher sein: In den vergangenen Wochen sind mehrere Rezepthefte für die Volksküchenmaschine Thermomix erschienen, jedes mit sechsstelliger Startauflage, bei Essen & Trinken mit Thermomix (Gruner + Jahr) wurden 60 000 Hefte nachgedruckt. In Deutschland soll in einer Million Haushalte so ein Gerät stehen. Mittlerweile gibt es für jeden davon ein eigenes Heft, erreichen die sechs Thermomix-Hefte am Markt doch eine Gesamtauflage von 1 165 000 Heften.

Neuerdings gibt es sogar Kochmagazine für Kinder ab sieben Jahren

Auch hier gilt das Prinzip "Online first". Es gibt zig Youtube-Kanäle, die ausschließlich Rezepte mit der Küchenmaschine zubereiten, einer der bekanntesten ist Thermifee mit 40 000 Abonnenten. Mit Rezepte mit Herz (Herausgeberin: Ex-Burda-Managerin Manuela Herzfeld) ist kürzlich die erste Print-Adaption eines Thermomix-Blogs erschienen, zwei Tage später folgte Trixx (IT Media Publishing Verlag). Die drei gesellen sich zum Kundenmagazin Thermomix Magazin, das bereits 20 Jahre lang unter dem Titel Finessen erschien und im Mai umbenannt wurde, Mein Thermo (Falkemedia), das ab Januar Mein Zaubertopf heißen muss, weil der Thermomix-Hersteller Vorwerk die Verwendung des Namens im Titel verbietet und nur für die eigene Publikation reklamiert, und Mixx (Heel Verlag), das bereits seit November 2015 erscheint. Die Magazine sind wie das Gerät, dem sie sich widmen: vor allem praktisch. Die unförmige Maschine ist teilweise auf dem Cover abgebildet, die Rezepte sind mehr Bedienungsanleitungen, in denen genau erklärt wird, mit welcher Rührstufe und welchem Einsatz zu arbeiten ist.

Was kommt danach? Das Kindermagazin Geolino brachte gerade den Ableger Geolino Leckerbissen (Gruner + Jahr) auf den Markt, ein Kochmagazin für Kinder ab acht Jahren. Edekas neues kostenloses Kundenmagazin Yummy ist eine Kochzeitschrift für Sieben- bis Zwölfjährige. Und dann? Wie wäre es mit einem Rezeptheft für Hunde- oder Katzenbesitzer? Kochbücher mit Gerichten für Haustiere gibt es bereits. Auch hat längst noch nicht jede Lebensmittelunverträglichkeit ein eigenes Heft. Es wird Zeit. Fruktosefreie Landküche? Histaminfrei Living? Ohne Gluten mit dem Thermomix? Oder vielleicht ein Kochmagazin für Menschen, die gar nicht kochen wollen? Essen muss schließlich jeder.

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