"Rettet die Wahrheit":Kurz gerettet

Der ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber verfasst eine Streitschrift ohne Rufezeichen. Darin schildert er vor allem, dass das "Heute Journal" ohne Einfluss von außen arbeitet. Außerdem übt er Kritik an ARD und ZDF.

Von Claudia Tieschky

Die kleine gesellschaftliche Kampfschrift wird stark unterschätzt. Das sah man zum Beispiel an der Durchschlagskraft, mit der sich Stéphane Hessels "Empört euch!" vor sieben Jahren zum Welterfolg entwickelte. Ein Heftchen von knapp 30 Seiten, für knapp vier Euro auf Deutsch bei Ullstein erhältlich. So was ist schnell zu lesen, nicht teuer und verkauft sich in der Buchhandlung auch im Stapel an der Kasse.

Jetzt erscheint bei Ullstein wieder ein Büchlein, auf dem das Wort "Streitschrift" steht. Der Autor ist prominent, Claus Kleber vom Heute Journal des ZDF, einer der glaubwürdigsten Fernsehleute des Landes, fast jeder kennt ihn. Sein Buch ist allerdings dicker als das von Hessel (96 Seiten) und teurer (acht Euro), und was die Blitzgier an der Kasse betrifft, so hat man beim Cover auf einen wichtigen Reiz verzichtet. Dem Appell "Rettet die Wahrheit" fehlt das Rufezeichen. So lässt sich das in Versalien gesetzte Ganze, wie ein Kollege bereits scharfsinnig feststellte, auch mit dem Autorennamen kombiniert lesen als: "Claus Kleber rettet die Wahrheit". Nur ein Zufall?

Den Sendern möchte Kleber gerne möglichst alles erlauben

Keineswegs. Das Rufezeichen fehlt hier völlig korrekterweise, es wäre so fehl am Platz, wie es das Wort "Streitschrift" erst recht ist. Er sei, schreibt Kleber mit Blick auf den Vorwurf, die ganze Presse sei doch gesteuert, "überzeugt, dass unsere Demokratie nicht überleben kann ohne Medien, ohne Journalisten, denen man - bei allen berechtigten Zweifeln - im Grunde traut. Darauf wird es in Zukunft noch mehr ankommen als heute. Deshalb diese Streitschrift." Und dann? Kein Streit. Nichts Hitzköpfiges, Polemisches. Nein, Kleber verhält sich wie der Nachrichtenmensch, der er eben ist. Er argumentiert, erklärt, legt dar, und wenn es zum Äußersten kommt, dann äußert Kleber Überzeugungen.

Der ZDF-Anchor macht nichts anderes als das, worauf sich gerade immer mehr Medien besinnen, um ihre Glaubwürdigkeit zu untermauern: Sie geben Werkstattberichte aus der täglichen Arbeit, erklären, wie sie Themen gewichten, wie sie Informationen prüfen, wer mitwirkt - all das vermeintlich Selbstverständliche, das Handwerk der Branche, aber eben außerhalb nicht selbstverständlich. Kleber schildert übrigens bemerkenswert ungeschönt den Einfluss, den die Politik vor ein paar Jahren im Fall Brender tatsächlich auf das ZDF nahm, und die Folgen. Dass sein Heute Journal ganz ohne Lenkung von außen arbeitet, untermauert die detailgenaue Schilderung eines ganzen Tags bei dem Nachrichtenformat.

Dagegen ist nichts einzuwenden, höchstens vielleicht, dass gelegentlich ein Hauch von Pathos durch den Text weht, so als arbeite die ja tatsächlich grundseriöse Kleber-Truppe ganz allein an der Rettung der Wahrheit. So ist es vermutlich auch zu erklären, dass Kleber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk entweder blanko und abgabenfinanziert alles erlauben möchte, was die neueste digitale Technik so hergibt. Oder, falls nicht, ihn gleich auf dem "Dinosaurier-Friedhof" sieht.

Deutlich ist dagegen die Kritik an der Veränderungsbereitschaft von ARD und ZDF - in Zeiten, in denen Journalismus bei knapper Kasse und mit der Macht von Social Media konfrontiert ist. Oder wie es beim ehemaligen Amerika-Korrespondenten Kleber heißt: "im Zentrum des Sturms". Gemessen daran, schreibt er, "sehen die großen Anstalten 2017 denen von 2007 trotz aller Neuerungen immer noch sehr ähnlich". Das wäre mal eine echte Streitschrift.

Was bleibt? Sätze wie dieser: "Ich weigere mich jedoch zu glauben, dass jeder, der angesichts so massiver Veränderungen zunächst einmal einfachen Botschaften glaubt, unerreichbar ist für eine vernünftige Debatte."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: