Reform des ZDF:Zwei zu eins

Die Ministerpräsidenten beraten über eine ZDF-Reform, mit der politischer Einfluss auf den Sender zurückgedrängt werden soll. Doch die beauftragten Gutachter sind sich uneins.

C. Tieschky

Am 31. März endet die Amtszeit von Nikolaus Brender als Chefredakteur des ZDF, aber sein Fall wird langsam zum Faktor für die Zukunft des Senders. Weil die von Roland Koch, CDU, angeführte schwarze Mehrheit im Verwaltungsrat eine weitere Brender-Amtszeit blockierte, liegt der ZDF-Staatsvertrag unter Beschuss.

In den Mainzer Gremien (Fernsehrat, Verwaltungsrat) wirken Parteien und Landesregierungen als Großmächte. Seit der Brender-Entscheidung wird öffentlich gestritten, ob das ZDF-Gesetz mit einem staatsfernen Rundfunk zu vereinbaren sei. Es ist eine Debatte, bei der politische Wortführer in Wahrheit den Einfluss ihrer eigenen Parteien verhandeln.

Was will die SPD wirklich?

An diesem Donnerstag werden die Ministerpräsidenten über eine ZDF-Reform beraten, die Kurt Beck, SPD, vorgeschlagen hat. Der rheinland-pfälzische Regierungschef will politischen Einfluss im ZDF per Gesetzänderung zurückdrängen. Derzeit besteht der Verwaltungsrat aus 14 Mitgliedern; fünf sind von den Ländern entsandt, ein Mitglied kommt vom Bund, acht wählt der Fernsehrat. Dort sehen Kritiker ebenfalls verdeckten Proporz: Mindestens 50 der 77 Fernsehräte seien der "staatlichen Sphäre zuzuordnen", glaubt der Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr.

Für den Gesetzesvorstoß wäre Einstimmigkeit nötig - also auch Konsens zwischen Beck, dem Vorsitzenden des ZDF-Verwaltungsrats, und Kontrahent Koch. Eine Arbeitsgruppe von Rheinland-Pfalz und Hessen sollte zuletzt einen Kompromiss finden. Zur Klärung wurden bei einer Anhörung am vorigen Mittwoch drei Gutachten vorgelegt, doch die Juristen waren uneins. Entscheidend für die jeweilige Einschätzung ist, wie der Anteil der Gremienmitglieder veranschlagt wird, die indirekt unter staatlichem Einfluss stehen.

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart rechnet 34 der 77 Fernsehratsmitglieder der staatlichen Seite zu und sechs von 14 Verwaltungsräten. Die Grenze zulässiger staatlicher Beteiligung sei erreicht, aber nicht überschritten, so Degenhart. Der Verfassungsrechtler Reinhart Ricker hält die Zusammensetzung der Gremien ebenfalls für unangreifbar.

Der Kölner Medienrechtler Karl-E. Hain dagegen kommt zu dem Ergebnis, dass das ZDF-Gesetz der Staatsseite wie auch den politischen Parteien einen "dysfunktional hohen Einfluss" einräume. Es seien "substantielle Änderungen" nötig. Bis Ende voriger Woche war nach Angaben aus Verhandlungskreisen nicht klar, ob Wiesbaden und Mainz auf dieser Grundlage den Ministerpräsidenten überhaupt einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten.

Damit steigen die Chancen für eine Normenkontrollklage gegen den ZDF-Staatsvertrag. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, hat vor sechs Wochen eine von Dieter Dörr verfasste Antragsschrift vorgelegt. Die Linkspartei hat sich angeschlossen, zwölf Abgeordneten-Stimmen fehlen dem Antrag. Sie könnten nun von der SPD kommen. Die Partei setzte zunächst auf Becks Plan, den viele in der SPD für Kosmetik halten, aber bislang loyal blieben.

Das wird sich ändern, wenn die Ministerpräsidenten nun nichts oder nur einen Minimalkonsens beschließen. Tatsächlich haben die Länderchefs von CDU und SPD wenig machtpolitisches Interesse daran, dass sich die Dinge im ZDF so grundlegend ändern, wie es ein Normenkontrollverfahren bewirken könnte. Eine Einigung auf eine kontrollierbare Gesetzesreform ist durchaus denkbar.

Die Grünen wiederum haben darauf verzichtet, die Geschlossenheit der SPD auf die Probe zu stellen: Man hat es hinausgezögert, die Fraktion im Bundestag offiziell um Unterstützung für das Normenkontrollverfahren zu bitten. Dabei könnte es in den nächsten Tagen durchaus eine Überraschung geben: Offenbar haben sich inzwischen mehrere Abgeordnete aus SPD und weiteren Parteien das nötige Formular besorgt, um die Normenkontrollklage zu unterstützen.

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