Rechtsstreit: HR und Augsburger Puppenkiste:Holzköpfe

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"Wir stehen für feinen Humor statt derbem Klamauk": Der Hessische Rundfunk wollte inhaltlich mehr mitreden, die Puppenkiste fühlt sich arglistig getäuscht. Warum die Väter von Don Blech und Lord Schmetterhemd nun schon wieder vor Gericht stehen.

Stefan Mayr

Die Augsburger Puppenkiste und der Hessische Rundfunk, ach, das war einmal ein richtig tolles Erfolgsduo, wie Lukas der Lokomotivführer und seine gute alte Emma. 40 Jahre lang produzierten sie gemeinsam ein Marionettenstück nach dem anderen, 40 Jahre lang setzten sie sich im umkämpften Kinderprogramm gegen Digimons, Teletubbies und alle anderen Monsterbacken durch. Doch die herrlich lustigen und pädagogisch wertvollen Zeiten sind aus und vorbei. Denn die Macher von Kiste und Rundfunkanstalt treffen sich nicht mehr im Studio, sondern nur noch im Gerichtssaal. Sie prozessieren um Markenrechte und Geld.

Mit der Livesendung "Peter und der Wolf" begann vor 50 Jahren die TV-Karriere des Marionettentheaters. Ob es nochmals zu einer Koproduktion zwischen dem HR und der Puppenkiste kommen wird, steht in den Sternen. Vielleicht findet man die Antwort ja auf dem grünen Planeten Balda 7/3. (Foto: DPA)

Die Puppenkiste wirft der HR-Tochter hr-media sogar arglistige Täuschung und "Abzocke" vor. Der HR bezeichnet die Vorwürfe als "grotesk" und keilt zurück: "Die dritte Generation der Augsburger Puppenkiste scheint auf einem Irrweg zu sein und ihre Position völlig falsch einzuschätzen."

Dabei hatte der gemeinsame Weg in den 1950er Jahren so wunderbar begonnen. Als die Fernsehgeräte noch Röhren hatten und schwarz-weiße Flimmerbilder zeigten, trug der Hessische Rundfunk die Kosten und das Risiko, die Puppenkiste lieferte die Geschichten und die selbstgeschnitzten Holzköpfe dazu. 34 Serien und 68 Einzelsendungen wurden im Laufe der Jahre produziert; Jim Knopf, Urmel und Kater Mikesch verzauberten Millionen Kinder und ihre Eltern. Durch das Fernsehen wurde das kleine Theater aus Augsburgs Altstadt berühmt, heute kennen 90 Prozent der Deutschen die Puppenkiste.

Doch mit der Zeit wollte der HR auch inhaltlich immer stärker mitreden, es kam zum Streit über die künstlerische Richtung. "Wir stehen für feinen Humor statt derbem Klamauk", klagte damals Theater-Direktor Klaus Marschall, 1994 ließ er den Kooperationsvertrag auslaufen. Die Wege trennten sich, was vor allem deshalb schade ist, weil es seither kaum noch neue Puppenkisten-Geschichten im Fernsehen gibt.

Doch anstatt sich irgendwann endlich wieder liebzuhaben, sind die Schwaben und die Hessen nun schlimmer zerstritten als je zuvor. Die Puppenkiste hat hr-media auf Nachzahlung von 60.000 Euro Lizenzgebühren verklagt. 2004 hatten die Kontrahenten einen Vertrag über die Verwertungsrechte für den Verkauf von DVDs geschlossen, seitdem fließen zehn Prozent vom Nettogewinn von Frankfurt nach Augsburg. Das ist der Puppenkiste heute zu wenig. Zudem fühlt sie sich hintergangen, weil der HR neuerdings DVDs verkauft, auf denen das Logo der Puppenkiste nicht zu sehen ist. "Ich fühle mich abgezockt", sagt Theater-Direktor Marschall. Deshalb habe er den Vertrag "wegen arglistiger Täuschung" angefochten. Das Landgericht Frankfurt sah das anders und wies die Klage im April als unbegründet ab.

Doch die Väter von Don Blech und Lord Schmetterhemd geben nicht auf. Sie wollen vor dem Oberlandesgericht in Berufung gehen. Der HR sieht dem neuen Prozess gelassen entgegen. Der Rechtsstreit sei "ärgerlich und unnötig", der HR habe auf die "völlig überzogenen Nachforderungen" mit einem "äußerst großzügigen Angebot" reagiert, das der Puppenkiste aber immer noch nicht hoch genug gewesen sei.

Wird es also keine Koproduktion mehr geben? Es sieht danach aus, aber immerhin sagt Klaus Marschall: "Ich will das nicht ausschließen." Millionen Kinder und Eltern hoffen, dass das nicht nur eine leere Floskel ist.

© SZ vom 08.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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