"Ultimate Beastmaster":Netflix macht jetzt auch Reality-TV

Jedes Land hat seine eigenen Helden, einer davon will hier für den Show-Sieg hoch hinaus.

Jedes Land hat seine eigenen Helden, einer davon will hier für den Show-Sieg hoch hinaus.

(Foto: Robert Voets/Netflix)

In der Sendung "Ultimate Beastmaster" treten die fittesten Exemplare der menschlichen Spezies gegeneinander an.

TV-Kritik von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer nach dem Sinn fragt, der hat keine Ahnung vom Fernsehen und von den Menschen. Da ist in der kalifornischen Wüste ein Ungetüm aus Stahl aufgebaut, 200 Meter lang und 25 Meter hoch, es sieht aus wie eine Mischung aus Godzilla und dem Flugdrachen Fuchur.

Es ist kurz vor Mitternacht, ein junger Mann klettert im Bauch des Monsters eine Glasröhre hinauf, bevor die in einer roten Flüssigkeit versinkt. Warum er das tut? Weil er es kann. Er ist einer der Kandidaten der sportlichen Spielshow Ultimate Beastmaster, die von Hollywood-Star Sylvester Stallone produziert wird und von diesem Freitag an auf dem Streamingportal Netflix zu sehen ist.

Der Mensch baut wahrscheinlich schon seit Anbeginn seiner Existenz solche Hindernisparcours, auch TV-Sendungen hat es dazu schon massenhaft gegeben, Spiel ohne Grenzen etwa, Takeshi's Castle oder American Gladiators.

Diese Shows sind ein darwinistisches Vergnügen, weil der Biest-Besieger bewundert wird und das Scheitern meist mit Plumpsen in eine Grube oder Laufen gegen eine Wand verbunden ist. Der Zuschauer fiebert mit, er glaubt natürlich den besten Weg zu kennen und will das den Kandidaten der ersten Staffel auch andauernd zurufen - scheitert allerdings beim Selbstversuch am Set im vergangenen Sommer schon beim Einstieg ins Maul des Monsters, zu Trampolin, Trapez und Kletterwand kommt er erst gar nicht.

Netflix versucht sich nun an diesem etablierten Format und hat dazu 108 Kandidaten aus sechs Ländern eingeladen, die das Biest besiegen und um eine Prämie von 50 000 Dollar kämpfen sollen.

Sendezeit pro Kandidat in Relation zur Dramatik seiner Lebensgeschichte

Hinter der ersten Spielshow des Streamingdienstes steckt die Hoffnung, möglichst viele der mittlerweile knapp 94 Millionen Abonnenten in mehr als 190 Ländern zu erreichen. Es gibt deshalb sechs unterschiedliche Versionen der Sendung, der Fokus liegt jeweils auf den nationalen Kandidaten.

Der junge Mann in der Glasröhre etwa ist Nam Vo aus Darmstadt. Es gehört zu Reality-Shows wie die Werbeinsel vor der Entscheidung oder die kreative Beleidigung für besonders ungeeignete Bewerber, dass die Sendezeit pro Kandidat in direkter Relation zur Dramatik seiner Lebensgeschichte steht.

Ein Amerikaner berichtet von einem schweren Unfall, ein Brasilianer von seiner Zeit im Irakkrieg, ein Südkoreaner vom Tod seines besten Freundes. Vo ist Student und Model, er sagt vor seinem Einsatz: "Normalerweise bin ich fit for Passion, heute bin ich fit for Beast. Ich werde der Ultimate Beastmaster, weil ich die Kraft, das Durchhaltevermögen und das Aussehen dafür habe." Dann wirft er sich für ein Foto in Pose, um Punkt eins und drei zu beweisen.

Einfache Wahrheiten mit heiterer Nüchternheit

Das Streamingportal hat für die deutsche Version zwei Moderatoren verpflichtet, die zu dieser Sendung passen wie das leuchtende Auge zum Monster. Hans Sarpei, der Chuck Norris der deutschen Sport-Philosophie, verbreitet einfache Wahrheiten mit heiterer Nüchternheit.

Während Vo über Hindernisse hüpft und auf einem an Bungeeseilen befestigtem Bett balanciert, sagt Sarpei: "Er wusste, wo er hinwollte - und jetzt ist er da." Oder: "Nach ihm ist noch ein Kontrahent an der Reihe, der will es auch ins vierte Level schaffen." Oder: "Es wäre klüger gewesen, Punkte zu holen - dann hätte er jetzt mehr Punkte."

Sein Kollege, der Komiker Luke Mockridge, kontert mit selbstreferenziellen Feststellungen wie dieser: "Er muss die volle Breite des Bettes nutzen - wie ich, wenn ich meinen One-Night-Stand rausschmeiße."

Das Wohltuende an Ultimate Beastmaster ist nicht nur der Verzicht auf Werbepausen und Cliffhanger, die zehn einstündigen Folgen der ersten Staffel werden wie bei Netflix üblich sogleich bereit gestellt.

Die Sendung nimmt sich selbst so unglaublich ernst, dass es nur unterhaltsam sein kann. Das Stahlbiest wird ohne Ironie als der schwerste Hindernisparcours in der Geschichte der Menschheit präsentiert, die Kandidaten - darunter Weltmeister im Eisklettern, ein Weltrekordler im Schwimmen und eine Kampfsport-Legende - als die fittesten Exemplare der menschlichen Spezies.

Unerträgliche Leichtigkeit der Sinnlosigkeit

Die dürfen erklären, bei welchen Körperteilen des Biestes es Kraft im Oberkörper braucht und welche eher Balance und taktisches Geschick erfordern.

Es ist die unerträgliche Leichtigkeit der Sinnlosigkeit, die Ultimate Beastmaster zu einem herrlichen Vergnügen macht, eine zweite Staffel ist bereits abgedreht. Netflix hat ein Ungetüm in die Wüste gebaut, weil es möglich war. Die Kandidaten machen mit, weil sie es können.

Das an Monstern und Schweiß interessierte Publikum wird es vermutlich mögen - natürlich auch, weil Hans Sarpei Sätze sagt wie diesen hier: "Sein Sprung ans Seil war ein Sprung ins Biestblut."

Ultimate Beastmaster, auf Netflix.

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