Rangliste der Pressefreiheit 2012:Eigene Meinung auf eigene Gefahr

Zensur, Propaganda, Anschläge auf Leib und Leben: Reporter ohne Grenzen weist mit der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit auf die verheerende Situation in vielen Staaten hin. Konfliktherde wie Syrien und Diktaturen wie Nordkorea werden dabei von einem Land übertroffen, das sonst fast unbeachtet bleibt.

Die zehn journalistenfeindlichsten Länder im Überblick.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Sudan

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Quelle: AFP

Zensur, Propaganda, Anschläge auf Leib und Leben: Reporter ohne Grenzen weist mit der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit auf die verheerende Situation in vielen Staaten hin. Konfliktherde wie Syrien und Diktaturen wie Nordkorea werden dabei von einem Land übertroffen, das sonst fast unbeachtet bleibt. Die zehn journalistenfeindlichsten Länder im Überblick.

Rang 10: Sudan

Von diesem Regime werden Zeitungen beschlagnahmt und Journalisten eingeschüchtert und in Haft genommen: Der Sudan unter Präsident Omar al-Baschir ist einer der zehn Staaten, in denen laut Reporter ohne Grenzen die Pressefreiheit 2012 am massivsten zu leiden hatte.

2010 erging gegen al-Baschir, der sich vor mehr als 20 Jahren an die Macht geputscht hatte, ein Haftbefehl durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Bislang hat das nichts geändert. Und auch dass 2005 die Pressefreiheit nach langem Bürgerkrieg festgeschrieben wurde, blieb ohne Wirkung.

Im Bild: Sudans Präsident Omar al-Baschir (in der Mitte) mit Vizepräsident Ali Osman Taha im Januar 2013 in der Hauptstadt Khartoum.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 9: Kuba

Straßenszene in Havanna mit alten Autis

Quelle: dpa

Kuba ist wie im letzten Jahr für Reporter ohne Grenzen das Negativbeispiel unter den lateinamerikanischen Staaten. Im Ranking wird die Situation der Pressefreiheit in Präsident Raúl Castros Staat als noch schlimmer eingeschätzt als die in Mexiko, das immerhin für extrem gefährliche Arbeitsbedingungen für Journalisten angesichts der dortigen Drogenkriege bekannt ist.

In Kuba ist das Leben von Journalisten zwar nicht unmittelbar bedroht, doch der Staat greift hart durch: Private Medien sind in der Verfassung nicht vorgesehen, ebensowenig wie journalistische Meinungsäußerungen, die nicht "den Zielen einer sozialistischen Gesellschaft" dienen. 2012 sorgten wiederholt Berichte über Verhaftungen für internationale Proteste, so im Oktober die Festnahme dreier Blogger.

Im Bild: Straßenszene in der kubanischen Hauptstadt Havanna

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 8: Vietnam

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Quelle: AFP

Vietnam hat die Schatten des Krieges in den sechziger und siebziger Jahren in vielerlei Hinsicht erfolgreich abschütteln können - im Ausland hat sich bei vielen Menschen inzwischen das Image des exotischen Urlaubsziels durchgesetzt.

Reporter ohne Grenzen setzt die sozialistische Republik nichtsdestotrotz auf einen verheerenden Rang 172 in der aktuellen Liste. Gerade Blogger sind verstärkt im Fokus der Behörden. Mehr als 30 von ihnen seien derzeit in Vietnam in Haft. Hinter derlei Zahlen verbergen sich tragische Einzelschicksale - so ging im vergangenen Sommer etwa die Meldung um die Welt, wonach sich die Mutter der inhaftierten Bloggerin Ta Phong Tan aus Protest vor einem Regierungsgebäude verbrannt hatte. Ihre Tochter wurde im Oktober zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Bild: Straßenszene in Hanoi im Juni 2012 - im Hintergrund zeigt ein Propaganda-Plakat den verstorbenen Anführer Ho Chi Minh.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 7: China

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Quelle: AFP

Fast 70 Blogger sitzen derzeit laut Reporter ohne Grenzen aufgrund ihrer Tätigkeit in chinesischen Gefängnissen - ein Beleg dafür, dass auch dieses Regime massiv gegen die Meinungsäußerung im Internet vorgeht.

Die klassischen Medien stehen wie gehabt unter enormem Druck. China bleibt damit in diesem Jahr unter den Schlusslichtern des Rankings der Organisation.

Erst kürzlich gab es jedoch Signale der Auflehnung. So traten im Januar etwa 100 Mitarbeiter der bekannten Wochenzeitung Nanfang Zhoumo (Südliches Wochenende) in der Provinz Guangdong aus Protest gegen die Zensur in Streik. Auslöser war ein umgeschriebener Leitartikel der Neujahrsausgabe.

Im Bild: Ein Straßenkiosk in Shanghai im Januar 2013

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 6: Iran

Pressefreiheit

Quelle: AFP

Iran hat sich auch 2012 in der Reihe der Negativbeispiele für Pressefreiheit gehalten. Reporter ohne Grenzen führt das Land auf Platz 174 (Platz sechs in der Negativliste).

Die Medien der Islamischen Republik würden durch den Geheimdienst und die sogenannten Revolutionswächter massiv überwacht und kontrolliert, Iran gehöre "zu den fünf größten Gefängnissen für Journalisten". Der Druck auf Medienvertreter durch das Regime wird laut Reporter ohne Grenzen zudem vermehrt auf deren Familien ausgeweitet, wenn die Journalisten selbst nicht direkt erreichbar seien - etwa durch Auslandsaufenthalte.

Die Einschätzung wird auch durch andere Nichtregierungsorganisationen wie das Committee to Protect Journalists gestützt, die 2012 von einer zunehmenden Verschlimmerung der Situation von Medienmitarbeitern im Land berichteten.

Im Bild: Ein Aktivist der Reporter ohne Grenzen drückt im Juni 2012 in Paris Journalisten seine Solidarität aus, die in Iran im Gefängnis sind.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 5: Somalia

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Quelle: AFP

"Drohungen, Anschläge und Morde sind an der Tagesordnung, und die Verantwortlichen werden kaum jemals zur Verantwortung gezogen": Somalia ist laut Reporter ohne Grenzen eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Bereits in früheren Berichten der Organisation wurden besonders die islamistischen Al-Shabaab-Milizen als extreme Bedrohung für Meinungsfreiheit, sogar Leib und Leben unliebsamer Journalisten identifiziert. Die Milizen sind demnach für den Tod zahlreicher Medienmitarbeiter verantwortlich.

Im Bild: Menschen beten im Januar 2013 in Mogadischu neben dem Leichnam des von Unbekannten erschossenen somalischen Journalisten Abdihared Osman Adan.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 4: Syrien

File photo of French photographer Remi Ochlik is seen in this picture taken in Cairo

Quelle: Reuters

Der Arabische Frühling hat große, teils noch unerfüllte Hoffnungen geweckt, auch in Bezug auf die Pressefreiheit. In Ländern wie Tunesien, Ägypten und Libyen sei die Lage aber "prekär", so Reporter ohne Grenzen. Als "teils noch desolater" beschreibt die Organisation die Situation in Syrien, wo der Konflikt um die Macht weiter extrem gewaltsam ausgetragen wird.

Das seit vielen Monaten durch blutige Kämpfe erschütterte Land wird aktuell auf Rang vier der Negativliste zur Pressefreiheit geführt. "Im Propagandakrieg zwischen Regierung und Opposition nehmen dort alle Konfliktparteien Journalisten ins Visier", so die Begründung.

Die Arbeit vor Ort birgt für einheimische wie internationale Reporter weiterhin extreme Gefahren - von Entführung bis zum Tod in den umkämpften Gebieten. 17 Journalisten, 44 Blogger und Bürgerjournalisten und vier weitere Medienarbeiter überlebten ihren Einsatz in Syrien 2012 nicht.

Im Bild: Der französische Fotograf Remi Ochlik, aufgenommen in Kairo im November 2011 - am 22. Februar 2012 starben er und die US-Korrespondentin Marie Colvin in der belagerten syrischen Stadt Homs.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 3: Turkmenistan

Turkmenistan

Quelle: AFP

Leere Versprechen ohne spürbare Folgen: Auch wenn in Turkmenistan im vergangenen Jahr Signale für eine Lockerung in Politik und Medien gegeben wurden, stuft Reporter ohne Grenzen die ehemalige Sowjetrepublik weiter als totalitäres Regime mit extrem eingeschränkter Pressefreiheit ein.

Im Februar 2012 wurde Gurbanguly Berdimuhamedow mit offiziell 97 Prozent der Stimmen als Präsident wiedergewählt. Mittlerweile offiziell als "Beschützer" oder "Patron" der Nation bezeichnet, besitzt er die meisten Medien seines Landes persönlich. Der Mangel an Pressefreiheit wurde 2012 von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa als beispiellos verurteilt. Das Meinungsmonopol der Regierung umfasst Zeitungen und Rundfunk ebenso wie die Kontrolle über den Internetzugang, soziale Netzwerke wie Facebook sind blockiert. Die Bevölkerung ist somit nahezu völlig von Informationen der Außenwelt abgeschnitten.

Im Bild: Turkmenistans Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow (in der Mitte) bei der Vereidigung zu seiner zweiten Amtszeit in der Hauptstadt Aschgabat im Februar 2012.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 2: Nordkorea

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Quelle: AFP

Ein autoritäres Regime, das keine unabhängige Berichterstattung zulässt: So lautet, kurz summiert, die wenig überraschende Einschätzung von Reporter ohne Grenzen zu Nordkorea im Jahr 2012. Propaganda statt unabhängiger Medien: Die Erb-Diktatur landet wie auch im Vorjahr auf Platz 2 des Negativrankings.

Ähnlich wie in Turkmenistan werden auch hier die Informationen, zu denen die Bürger Zugang finden, stark gefiltert. Die Nordkoreaner werden so konsequent wie möglich vom Internet ferngehalten und haben lediglich Zugang zu einem nationalen Netz. Derlei Abschottung führt zu Subversion, die aus der Zeit gefallen wirkt: Aktivisten versuchen regelmäßig, Gegenpropaganda mit Ballons über die Grenze zu schaffen.

Im Bild: Südkoreanische Aktivisten lassen im Oktober 2012 an der Grenze zum Norden einen Ballon mit regierungskritischen Flugblättern steigen, die das Nachbarland erreichen sollen.

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Rangliste der Pressefreiheit 2012:Rang 1: Eritrea

Asmara, Eritrea

Quelle: AFP

Nirgendwo auf der Welt schätzen die Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefreiheit schlimmer ein als in Eritrea - und das zum sechsten Mal in Folge. Zwar seien hier - im Gegensatz zu Ländern wie Somalia oder Syrien - keine Journalisten gezielt getötet worden. Die Organisation zählt aber elf inhaftierte Journalisten seit 2001, von denen sieben im Gefängnis gestorben seien - ob durch Selbsttötung oder die Lebensumstände in der Gefangenschaft.

Unabhängige Medien gibt es seit mehr als zehn Jahren nicht mehr im Land. Der letzte unabhängige Korrespondent wurde bereits 2007 des Landes verwiesen. Was innerhalb der Grenzen des ostafrikanischen Landes medial kommuniziert werden darf, kontrolliert Informationsminister Ali Abdu. "Ein Klima der Angst" prägt laut Reporter ohne Grenzen das Land.

Im Bild: Straßenszene in der eritreischen Hauptstadt Asmara, aufgenommen 2007

In die Wertung zur "Rangliste der Pressefreiheit" von Reporter ohne Grenzen gehen gewalttätige Angriffe und Drohungen gegen Reporter und Redaktionen ebenso ein wie die Arbeitsbedingungen von Journalisten, der Zugang zu technischen Verbreitungskanälen und zum Internet, die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien sowie Pressegesetze und deren Anwendung in den einzelnen Ländern.

© Süddeutsche.de/ihe/pak/rus
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