Radio:Nostalgie eines Gentleman

Der Roman "Das Ende der Paraden" handelt von einem Helden, der Anfang des 20. Jahrhunderts eisern bemüht ist, nach seinem eigenen Ehrenkodex zu leben. Daraus wurde erst eine BBC-Serie - und jetzt ein famoses Hörspiel.

Von Stefan Fischer

Eine späte Geburt kann eine Gnade sein. Weil sie verhindert, sich in die alten Zeiten zu verstricken. Helmut Kohl hat den Ausspruch geprägt, der jung genug war, um im Nationalsozialismus nicht mehr korrumpiert werden zu können. Für Christopher Tietjens ist die späte Geburt ein Fluch.

Der Held aus dem Roman Das Ende der Paraden von Ford Madox Ford, erschienen in den 1920er-Jahren, ist eisern bemüht, im 20. Jahrhundert als britischer Gentleman des 19. Jahrhunderts zu leben. Das kann naturgemäß nicht funktionieren. Die Welt von Tietjens Herkunft ist inzwischen aus den Fugen, die alten Ehrbegriffe gelten vielen Menschen nichts mehr. Und einem Krieg entkommt der prinzipienfeste Mann auch nicht.

Tietjens meldet sich sogar freiwillig für den Ersten Weltkrieg, um dem Rosenkrieg mit seiner Frau Sylvia zu entrinnen. Selbstlosigkeit und Zurückhaltung, vor allem aber Integrität scheitern als Haltung jedoch an den Zeitumständen, im Privaten ebenso wie im Sozialen; schon vor dem Krieg und erst recht an der Front.

Nachdem die BBC 2012 den Roman als Miniserie inszeniert hat mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle, hat Klaus Buhlert den Stoff nun hierzulande fürs Radio adaptiert als Hörspiel in sieben Teilen. Felix Goeser spricht Tietjens, eingebettet in den leicht knarrenden, warmen Singsang der Erzähler-Stimme Jens Harzers. Buhlerts Regie ist präzise und unaufdringlich; seine Kunst besteht darin, das famose Ensemble zur Entfaltung kommen zu lassen: Bibiana Beglau, Manfred Zapatka, Wolfram Koch, Shenja Lacher, Steven Scharf . . . Der Tonfall ist so distinguiert wie die gesamte Szenerie. Eine Sprödigkeit, in die man aber gut hineinfindet und die wohltuend ist, weil dadurch nichts Kostümhaftes die Wahrnehmung verstellt. Es geht in Das Ende der Paraden nicht um Nostalgie, sondern um die schwierige Wahrung von Anstand in Zeiten des Umbruchs und einer auch notwendigen Modernisierung der Gesellschaft.

Das Ende der Paraden, Bayern 2, 20.05 Uhr. Die weiteren Folgen immer sonntags, 15.05 Uhr (Wiederholung montags, 20.05 Uhr).

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