Radio-Kritik:Alles schunkelt

Die Band der Stunde heißt "Die Hitlers", und der WDR-Reporter hat dazu eigentlich keine Haltung: "Heil ho, let's go" von Thilo Gosejohann ist eine satirische Investigativrecherche.

Von Stefan Fischer

Rammstein? Haben ihre beste Zeit hinter sich und taugen nur noch zur Vorband. Ihren Platz eingenommen haben: Die Hitlers. Wir sind im Jahr 2023: Die Punk-Band ist in sieben Kategorien nominiert für den Musikpreis Echo. Das finden alle super. Außer Campino von den Toten Hosen. Der mault ein bisschen herum, setzt sich dann allerdings doch neben John, Paul, George und Ringo auf die Wetten, dass . .?-Couch - die Sendung wird übrigens längst wieder von Thomas Gottschalk moderiert.

Ihre Künstlernamen haben die vier Hitlers-Musiker von den Beatles geklaut, die Musik von den Ramones, die Selbstinszenierung von den Nazis. Und das Weltbild? Von Adolf Hitler persönlich, da ist sich ein WDR-Reporter ganz sicher in der Hörspiel-Farce Heil ho, let's go von Thilo Gosejohann. Dem Reporter wird rund um die Echo-Verleihung investigativ zumute.

Gosejohann macht in seinem so dreisten wie politisch klugen, so bewundernswert angriffslustigen wie angreifbaren Hörspiel keine Gefangenen. Der WDR-Reporter hält Die Hitlers nicht wirklich für infam, sondern für "problematisch" - eine Vokabel der Verständnis- und Toleranz-Gesellschaft, die Thilo Gosejohann hier frontal attackiert für ihre Wurstigkeit. Problematisch heißt: Irgendwie schon schlimm, aber irgendwie auch nicht. Weil man den Hitlers im Zweifelsfall immer noch Ironie unterstellen kann. Der Reporter selbst hat keine Haltung, er schwingt die Nazikeule vor allem, weil sie immer noch am lautesten einschlägt.

Günter Wallraff springt ihm bei, verkleidet als Leni Riefenstahl, um eingelassen zu werden bei den Hitlers. Thomas Gottschalk, Helene Fischer und Roberto Blanco biedern sich nicht minder an. Was schert sie Politik, solange die Fans schunkeln?

Wobei Gosejohann in Heil ho, let's go nicht reale Prominente vorführt, sondern deren Zerrbilder. Er überzeichnet Eitelkeit, aufgesetztes Revoluzzertum und fehlendes Rückgrat ins Groteske - und zielt auf den Roberto Blanco, den Campino und die Helene Fischer in uns allen. Der "Blitzkrieg Bop" kommt nun eben über die rechte Flanke. Schert niemanden. Eine Mode, die vollkommen unpolitisch sein will - Kontext macht alles nur kompliziert. Warum Beate Zschäpe, wieder auf freiem Fuß, schließlich unbedingt Robert Blanco umbringen will, verstehen insofern nicht einmal mehr Die Hitlers. Besser als Heil ho, let's go ist in diesem Hörspiel-Jahr wenig, mutiger nichts.

Heil ho, let's go, WDR 3, 19.04 Uhr; 1 Live, 23 Uhr.

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