Privatsender und ihre Spartenkanäle:Eine schrecklich nette Familie

Privatsender und ihre Spartenkanäle: Spartenkanäle der Privaten: RTL Nitro, Pro Sieben Maxx, Sixx und Sat 1 Gold

Spartenkanäle der Privaten: RTL Nitro, Pro Sieben Maxx, Sixx und Sat 1 Gold

(Foto: Quelle: Sender)

Mit Pro Sieben Maxx stampft die ProSiebenSat1 Media AG bereits den dritten Spartenkanal aus dem Programm-Boden. Immer mehr Ableger der Privatsender buhlen um immer schmaler definierte Zielgruppen. Ist das sinnvoll?

Von Matthias Kohlmaier

In Deutschland liegt die Geburtenrate seit Jahren knapp unter 1,4 Kindern pro Frau. Sechs Geschwister sind eine echte Seltenheit geworden - aber es gibt sie noch. In Unterföhring, am nordöstlichen Stadtrand von München gelegen, lebt so eine Familie. Das Ehepaar ProSiebenSat1 Media AG residiert dort mit seinen sechs Zöglingen. Wenn man nur die frei Empfangbaren bedenkt, versteht sich. Ihre Namen: Pro Sieben, Sat 1, Kabel eins, Sixx, Sat 1 Gold und Pro Sieben Maxx. Unter den Geschwistern herrscht große Zuneigung:

Lange waren Herr und Frau ProSiebenSat1 glücklich mit ihren drei Kindern Pro Sieben, Sat 1 und Kabel eins. Die Quoten stimmten, die wichtigsten Zuschauergruppen schienen durch ein breites Programm abgedeckt. In Unterföhring nichts Neues, hieß es über Jahre. Aber Zeiten ändern sich, die Reichweitenuhr tickt und schließlich entschied sich das Münchner Ehepaar zur Altersabsicherung für einen riskanten Schritt. Drei weitere Kinder sollten her.

Im Mai 2010 kam Sixx auf die Welt, ein kleines Schwesterchen für Pro Sieben, Sat 1 und Kabel eins, im Januar 2013 Sat 1 Gold. Nun, der Geburtstermin ist noch nicht exakt terminiert, folgt vermutlich im September dieses Jahres Pro Sieben Maxx. Die Großfamilie ProSieben Sat1 hat sich jedoch nicht nur der Kinderliebe wegen so rasant vermehrt. Sie hat sich der Zeit angepasst, einer Zeit, in der zwar immer weniger Kinder geboren werden, die Menschen aber immer spezifischere und personalisiertere Angebote vom TV-Programm erwarten. Eine kleine Übersicht, was die drei Jüngsten aus Unterföhring bieten (sollen):

Familienplanung noch nicht abgeschlossen?

Besonders das jüngste Kind aus München wird ab kommendem September in direkter Konkurrenz zum Hauptkonkurrenten der Münchner Sendergruppe stehen. Die Kölner RTL-Familie hat nämlich bereits im April 2012 Zuwachs bekommen:

Das sind eine Menge Sender, die um immer schmalere Zielgruppen werben. Aber macht das Sinn? "Früher war Fernsehen ein Massenmedium. Heute wird - zumindest in bestimmten Bevölkerungsgruppen - sehr selektiv ferngesehen", sagt Medienwissenschaftler Ralf Adelmann von den Universität Paderborn. Die Aufsplitterung der großen Sender ist eine logische Folge des veränderten Sehverhaltens der Zuschauer.

Wobei: Das Prinzip Spartensender ist alles andere als neu. In den USA startete mit MTV bereits 1981 ein Programm, das zu Beginn fast ausschließlich auf die Sparte Musik setzte. Aber wie unterscheiden sich die heutigen privaten Ableger vom MTV-Prinzip? "Mit den neuen Sendern versucht man nicht mehr nur, bestimmte Sparten zu bedienen, sondern bestimmte Zuschauergruppen", sagt Adelmann. Sat 1 Gold für ältere, Sixx für jüngere Damen, dazu Pro Sieben Maxx und RTL Nitro für Männer (fast) jeden Alters.

Für die großen Privatsender hält sich das unternehmerische Risiko dabei in Grenzen. RTL und Sat 1 verfügen über einen riesigen Fundus an mehr oder weniger angestaubtem Serienmaterial. Im Hauptprogramm wäre dafür allenfalls nachts Platz, bei Sat 1 Gold dagegen passt zum Beispiel Richterin Barbara Salesch perfekt ins Portfolio und füllt kostengünstig das Programm. Die Frage ist: Kann das Konzept mit vielen Wiederholungen langfristig finanziell erfolgreich sein oder wenigstens zur Schärfung des Senderprofils beitragen?

Zweifel an der Daseinsberechtigung

Kaum, meint Medienexperte Adelmann. Um echte Zuschauerbindung zu erreichen, müssten die Sender langfristig Alleinstellungsmerkmale schaffen, eigene Serien und Shows produzieren. Das liegt auch am veränderten Wettbewerb, sagt Adelmann weiter: "Fernsehen war immer eine nationale Sache. Durch das Internet müssen sich die Sender plötzlich einer internationalen Konkurrenz erwehren." Wer an einer bestimmten TV-Serie aus dem englischsprachigen Raum interessiert ist, kann sie sich jederzeit online ansehen. Das Internet bietet den Konsumenten ein maximal personalisiertes Programm, zusätzlich ist ein Gutteil der öffentlich-rechtlichen Sendevielfalt jederzeit in den Mediatheken abrufbar. Das schürt weitere Zweifel an der Daseinsberechtigung der Privatableger.

Es liegt somit eine Menge Arbeit vor dem versammelten Nachwuchs der Privatsender. Eigenproduktionen müssen angeschoben, Zielgruppen sehr präzise angesprochen werden. Vom Gelingen dieser Mission hängt nicht zuletzt der Erfolg der älteren Geschwister Pro Sieben, Sat 1 oder RTL ab. Dennoch war es der richtige Schritt der Privaten, brachliegende Marktsegmente mit ihren Spartenprogrammen zu besetzen. Und sollte die Spezialisierung des TV-Marktes weitergehen, wer weiß? Womöglich ist die Familienplanung von ProSiebenSat1 und RTL noch gar nicht abgeschlossen.

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