Privatfernsehen:Eine Männerrunde bringt Kabel eins hoch

Höhenflug bei Kabel eins: Der Privatsender gewinnt ständig Publikum hinzu. Die Sitcom Two and a Half Men ist ein wichtiger Grund.

Rupert Sommer

Sie sind laut, versoffen, faul, tollpatschig - und zählen in bitteren Krisenzeiten doch zu den wichtigsten Figuren der deutschen Fernsehbranche. Davon wissen die Leute beim kleinen Münchner Privatsender Kabel eins einiges zu erzählen.

Foto: Warner Brothers Entertainment Inc

Harte Männer aus der Sitcom: Charlie Sheen (links), Jon Cryer (rechts) und August T. Jones.

(Foto: Foto: Warner Brothers Entertainment Inc)

Ohne die kumpelhafte Unterstützung von Charlie Sheen, Jon Cryer und Steppke Angus T. Jones aus der Sitcom-WG Two and a Half Men wäre Jürgen Hörner sicherlich nicht so erfolgreich: In der ProSiebenSat1-Sendergruppe, die es geradezu liebt, ihre Spitzenmannschaft auszutauschen, gilt er als Mann, dem viele noch vieles zutrauen.

Der Kabel-eins-Boss hat gut lachen - und der Applaus kommt nicht wie bei Two and a Half Men vom Band. Gerade mal etwas mehr als ein Jahr im Amt, hat sich Hörner Respekt verschafft - intern wie extern. Beim Zweitliga-Sender war er Anfang 2008 auf Guido Bolten gefolgt, der Sat1-Chef werden durfte. Mitte Januar aber musste Bolten seinen Sessel schon wieder räumen - unter anderem wegen einiger dramatischer Flops (Kerner).

Hörners Bilanz dagegen ist - wenigstens unterm Strich - makellos.

Sender mit der Goldkante

"Wenn das so weitergeht, werden wir 2018 Marktführer", scherzt er. Nur zum Spaß hatte Hörner sich von seinen Quotenexperten einmal ausrechnen lassen, wohin die Reise führen könnte - wenn es mit den monatlichen Marktanteilszuwächsen für den früher oft belächelten Sender mit der Goldkante ("Die besten Filme aller Zeiten") weitergeht wie bisher.

2009 fuhr Hörner mit einem Jahresmarktanteil von 6,1 Prozent bei den für die Werbewirtschaft so wichtigen 14- bis 49-Jährigen den besten Wert seit Sendergründung 1992 ein. "Unter den großen deutschen Fernsehsendern erzielten wir das dynamischste Wachstum", freut sich der TV-Manager. Um 0,6 Prozentpunkte hatte Kabel eins gegenüber dem Vorjahr zugelegt - ein Wachstum von fast elf Prozent. Zum Vergleich: Nur Marktführer RTL wirtschaftete mit einem Zuwachs von 1,2 Prozentpunkten auf einen Jahresschnitt von 16,9 Prozent besser.

Mission: sechs Prozent

"Der Erfolg hat uns in der Höhe schon überrascht, das Ergebnis konnte man zu Jahresbeginn nicht vorhersehen", bemüht sich Hörner um Bescheidenheit. Schon im Februar 2009 lag Kabel eins knapp unter der Sechs-Prozent-Marke. Da lief Hörner stolz über die Flure und rief seiner Mannschaft zu: "Fast geschafft!" Immerhin galt es, einen Auftrag zu erfüllen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite vom Comeback der Sitcoms.

Männerwirtschaft im Luxusappartement

Andreas Bartl, heute Fernsehvorstand der Holding German Free TV AG, von 2000 bis 2005 selbst Kabel-eins-Chef, hatte schon lange vor Hörners Dienstantritt die "Mission: sechs Prozent" ausgerufen. Jetzt war es Nachnachfolger Hörner, der melden durfte: "Mission erfüllt." Ein Erfolg, mit dem sich Kabel eins die Latte selbst recht hoch gelegt hat. "Ich rechne auch 2010 mit einer Marktanteils-Sechs", sagt Hörner: "Darunter wollen wir jetzt nicht mehr."

Jürgen Hörner, Foto: dpa

"Fast geschafft!" - Kabel-eins-Chef Jürgen Hörner.

(Foto: Foto: dpa)

Bislang geht - trotz einiger herber Flopps - die Rechnung auf: im Mittelwert liegt Kabel 1 derzeit bei 6,0 Prozent. Der beachtliche Quotenerfolg fußt vor allem auf einer Wiederentdeckung, die noch vor einem Jahr kaum ein TV-Experte für möglich gehalten hätte: dem Comeback der Sitcom. Im Mai 2009 hatte Geschäftsführer Hörner den richtigen Instinkt und wertete seinen nachmittäglichen Sitcom-Block durch Doppelfolgen von Two and a Half Men auf - einer Serie, der zuvor bei Pro Sieben nur bescheidener Erfolg vergönnt war.

Ausgerechnet bei der Zweitverwertung auf Kabel eins, wo sich die Männerwirtschaft im Luxusappartement von Malibu eigentlich nur mehr ihr Gnadenbrot verdienen sollte, schnellten die Quoten für Charlie Sheen & Co. in die Höhe - mit Marktanteilen von mehr als 18 Prozent pro Folge. Hörner fackelte nicht lange und baute den Block um. "Wir zeigen die Serie jetzt insgesamt zwei Stunden pro Tag - das zahlt stark auf den Tagesmarktanteil ein."

Viel frisches US-Programm

Hörner ist ein großer Fan von US-Serien, zieht sich gern mal mit einem Stapel DVDs für lange Screening-Wochenende zurück und hatte sich schon früher, damals noch als Planer für Pro Sieben, für Sitcoms vom Schlage Two and a Half Men starkgemacht. "Jeder Geschäftsführer in unserem Haus hat bestimmte Vorlieben", erzählt Hörner. "Deswegen macht es mir große Freude, dass die Modernisierung bei Kabel eins mit viel frischem US-Programm einherging."

Mittlerweile kann sich sein Pro-Sieben-Kollege, Senderchef Thilo Proff, bedanken. Two and a Half Men, prominent mittwochs zur besten Sendezeit platziert, beschert auch dem Schwestersender am Dienstagabend Top-Quoten. Mitte April lockte auf Pro Sieben eine neue Sitcom-Folge mehr als 2,2 Millionen der 14- bis 49-Jährigen vor die Bildschirme. "Ein sehr schöner Effekt - für die ganze Familie", freut sich Hörner. "Das ist doch mal ein positives Beispiel dafür, dass es sich lohnt, ein Programm über mehrere Sender auszuspielen."

Synergieeffkete mit Pro Sieben

Eine Einschätzung, wie sie in der Fernsehholding, die natürlich um die viel beschworenen Synergieeffekte bemüht ist, gerne gehört wird. Kabel eins leistete die Kärrnerarbeit - und machte Sheens Männerrunde für den damaligen Pro-Sieben-Einsatz erst wieder salonfähig. "Natürlich haben wir dazu beigetragen, Two and a Half Men breit bekanntzumachen", so Hörner.

Dass jetzt andere über das Sitcom-Revival mitjubeln dürfen, wurmt Hörner nicht - oder er lässt es sich nicht anmerken. Auch die Erstausstrahlungen von Two and A Half Men für Kabel eins zu reklamieren, käme für ihn nicht in Frage: "Es wäre sehr seltsam, wenn man ein Programm, das sensationelles Potential hat und fast schon Dr. House auf RTL gefährlich wird, nicht bei Pro Sieben laufen ließe." Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Sendungen außerdem zum Erfolg von Kabel eins beitragen.

Eine neue runde Kavka

Immerhin erfüllt Hörner - wie so viele in der Münchner Sendergruppe - eine etwas pompös klingende Doppelfunktion als Senior Vice President Programmplanung und ist damit über die übliche Kollegialität hinaus auch für Wohl und Weh von Pro Sieben und Sat1 mitverantwortlich. "Ich verzettele mich nicht in Territorialkämpfen, warum auch?", sagt Hörner - und schiebt brav nach: "Schließlich leben wir ja in einer Familie."

Wichtig ist ihm, seine geliebten Sitcoms gegen hämische Kritiker zu verteidigen ("Arbeitslosen-TV"). In wirtschaftlich schwierigen Zeiten lehne "man sich gerne auch einmal zurück und möchte abschalten", weiß der Kabel-eins-Chef: "Sitcoms sind für mich kein anspruchsloses Fernsehen. Wenn man möchte, kann man sie aber sehr gerne dafür nutzen, in stressigen Stunden den Kopf wieder freizubekommen."

Immerhin verweist er darauf, dass King of Queens mit dem pummeligen Kurierfahrer (Kevin James) auch schon mal zweistellige Marktanteile verzeichnet hat - Anfang 2007. Die Zeiten waren damals noch rosig.

Kavka statt Kerner

Und doch will Kabel eins nicht nur mit Retortenlachern gefallen: Was 2009 begann, soll auch 2010 weitergeführt werden - das Austesten neuer Eigenentwicklungen mit mal mehr Erfolg (Rosins Restaurant), mal sehr wenig Resonanz (Wer wird Wirt?, Der Immobilienfürst).

"2009 haben wir - für Kabel-eins-Verhältnisse - sehr viele neue Formate entwickelt und gestartet", blickt Hörner zurück. Die Ausgangslage mit den Infotainment-Formaten ("eine relative Monokultur, die hauptsächlich auf das Thema Auswandern setzte") war dem neuen Chef zu einseitig. Schon bald machte er sich für etwas unverkrampftere Neuentwicklungen und vor allem die Rückkehr des Entertainments zu Kabel eins stark.

Dabei lag dem einstigen Hobby-Rockmusiker ("Meine Gitarre hat längst Staub angesetzt") vor allem das Musikmagazin Number One am Herzen, für das er den bei MTV bekannt gewordenen Moderator Markus Kavka zu Kabel eins holte - "der ist eine echte Bereicherung für uns".

Kavka statt Kerner - das ist für den kleinen der ProSiebenSat1-Sender die Devise.

Anja Lukaseder im Einsatz

Wenn sich auch nur wenige der bislang sieben Folgen der Musik-Reihe über Senderschnitt aufschwangen, ist Hörner doch von Kavkas Konzept überzeugt. "Wir werden eine neue Staffel produzieren", verspricht er für 2010. Wichtiger als die Quote sind bei Number One die guten Imagewerte - Kabel eins wurde sichtbar wahrgenommen", sagt Hörner.

Bei der Musik wird daher nachgelegt: Seit 11. April geht Anja Lukaseder (ehemals RTL-Jurorin bei Deutschland sucht den Superstar) auf Zuschauerfang. Und der in der Sendergruppe offenbar unvermeidliche Oliver Petszokat (Singing Bee bei Pro Sieben) steig mit in die Bütt. Deutschlands beste Partyband ist die Kabel-eins-Antwort auf DSDS und Das Supertalent - bislang jedoch mit sehr mäßiger Quote.

"Hier treten doch mal Bands an," sagt Hörner, "die ihre Songs nicht einfach so runterreißen, sondern mit dem Herzen dabei sind." Und auch mit dem dritten Juror hat er sich einen echten Musikerwunsch erfüllt: Er gab Steve Blame eine neue Heimat. Der in Deutschland lebende Brite, der MTV einst zu großen Reichweiten verhalf, leistete von 1994 an beim Musiksender Viva Aufbauarbeit. Jetzt fehlt Kabel eins eigentlich nur noch Ray Cokes.

Lesen Sie auf der nächsten Seite was während der Fußball-WM gezeigt wird.

Keine Schonung während der WM

Trotzdem glänzt bei der einstigen Privat-TV-Abspielstation für die Film-Schinken aus den Kellern des Filmhändlers Leo Kirch nicht nur das Glamouröse: Zu den erfolgreichsten Programmen des Jahres zählen viele alte Bekannte.

Vor allem, was Hollywood-Hits beim Spielfilmsender angeht, gilt offenbar die inoffizielle Devise: "Je oller, desto doller". Ausgerechnet mit der Uraltkomödie Die Glücksritter (USA 1983) distanzierte Kabel eins vor Weihnachten im Quoten-Wettkampf die Senderschwestern Pro Sieben und Sat1: Genau 1,63 Millionen jüngere Fernsehfans hatten sich für die Komödie entschieden, die so einen Zielgruppen-Marktanteil von 13,0 Prozent erzielte.

30 Prozent Eigenproduktionen

Die teuer eingekaufte ran-Fußballpartie zwischen Athletic Bilbao und Werder Bremen auf Sat1 war dagegen chancenlos. Wenige Tage zuvor war Kabel eins mit Der Prinz aus Zamunda (mit Eddie Murphy) ähnliches Quotenglück beschieden. Der Klamaukklassiker aus dem Jahr 1988 erzielte einen Marktanteil von 12,6 Prozent.

Also einfach nur Kellerarchivware ausstrahlen? Lieber nicht, warnt Jürgen Hörner: "Den bewährten Programm-Mix aus Lizenzware und Eigenproduziertem habe ich nicht angefasst - der Anteil von 30 Prozent Eigenproduktionen ist für mich eine gesunde Mischung."

Im Fußball-WM-Jahr 2010 ist wenigstens im Juni und Juli mit verstärktem Einsatz von Bückware aus den Film- und Serienregalen zu rechnen. "Eine Weltmeisterschaft", klagt Planungsexperte Hörner vorsorglich, "schlägt immer noch stärker zu Buche als eine Europameisterschaft - und das ohne Zeitverschiebung. Für uns wird es keinerlei Schonung der Primetime geben."

Dennoch möchte er aus Angst vor den großen Länderspielen keine allzu großen Eingriffe ins vertraute Sendeschema vornehmen. "Wer als Zuschauer einmal ein Spiel langweilig findet, der wird bei Kabel eins das Programm vorfinden, das er dort auch normalerweise erwarten könnte", sagt Hörner. "Ich bin kein Freund von großen Umwälzungen im Ablauf."

Auf ein frühes Ausscheiden des deutschen Teams hofft er insgeheim aber nicht. "Das bringe ich nicht übers Herz."

"Meine Barmittel reichen nicht."

Gut möglich, dass sich Kabel eins mit dem Marktanteilsrekord 2009 selbst Stolpersteine in den Weg gelegt hat. Dennoch dürfte sich der Kabel-eins-Chef im eigenen Haus, wo so viel passiert, vergleichsweise sicher fühlen.

Ob er beim Feierabendbier schon einmal daran gedacht hat, wie es sein Geschäftsführerkollege Torsten Rossmann von N24 plant, zusammen mit reichen Freunden Kabel eins aus der klammen Gruppe freizukaufen? "Ich fürchte, meine Barmittel reichen dafür nicht ganz aus", lacht Hörner.

Und auch von einer Erbfolge-Tradition im Hause, die ehemalige Kabel-eins-Männer wie Bartl und Bolten schnell zu weiteren Aufgaben führte, will er nichts wissen: "Ich bin sehr glücklich bei Kabel eins." Dass es derartige Beförderungsbewegungen geben könnte, davon will Hörner noch nie gehört haben.

"Ich bin seit 1993 im Unternehmen", sagt der Kanel-eins-Chef, "ich kann keine konstanten Wirbelströmungen feststellen."

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